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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 13. April 2011; 04:49
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Recht/Termine:

> Kleine Schule des neuen Fremdenrechts

Information zu den neuen Gefahren und Diskriminierungen durch das
"Fremdenrechtsaenderungsgesetz 2011", wie es am 29.April im
Nationalrat verabschiedet werden soll.

Aufenthaltsverbot wegen Verwaltungsuebertretungen

Bisher konnte laut § 60 Fremdenpolizeigesetz ein Aufenthaltsverbot
erlassen werden, wenn eine Verwaltungsuebertretung mehr als einmal
begangen wurde oder schwerwiegend war. Mit der neuen Regelung koennen
nun auch normale Verwaltungsuebertretungen, die nur einmal begangen
werden, zu einem Aufenthaltsverbot fuehren. Auch hier hat eine
Abwaegung gegenueber anderen Rechtsguetern (insb. Recht auf Privat-
und Familienleben gem. Art. 8 EMRK) zu erfolgen. In der Praxis
gefaehrlich werden kann es bei Uebertretungen der
Strassenverkehrsordnung in Verbindung mit dem Fuehrerscheingesetz
(gefaehrliches Verhalten im Strassenverkehr), bei Prostitution sowie
bei einmaligen Uebertretungen des Fremdenpolizeigesetzes oder des
Niederlassungs- und Aufenthaltsrechts sowie bei einem einfachen
Verstoss gegen das Meldegesetz (§ 53 FPG der Regierungsvorlage).

Keine aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen die
Rueckkehrentscheidung

Bisher hatte die Berufung gegen den Entzug der Ausweisung
aufschiebende Wirkung, dh. die Person konnte im Land bleiben, waehrend
das Verfahren in der zweiten Instanz bzw. danach noch beim
Verwaltungs- und/oder Verfassungsgerichtshof gelaufen ist. Nun wird
statt der Ausweisung fuer jene Drittstaatsangehoerigen, die sich nicht
(mehr) rechtmaessig in Oesterreich aufhalten (z. B. weil die Frist
fuer die Verlaengerung des Aufenthaltstitels versaeumt wurde), die
sogenannte Rueckkehrentscheidung samt Einreiseverbot eingefuehrt. Die
aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen eine Rueckkehrentscheidung
kann aberkannt werden, wenn

1. die sofortige Ausreise im Interesse der oeffentlichen Ordnung oder
Sicherheit erforderlich ist;

2. der/die Drittstaatsangehoerige einem Einreiseverbot zuwider nach
Oesterreich zurueckgekehrt ist oder

3. die Gefahr des Untertauchens besteht.

Derzeit wird in der Praxis die haeufige Verhaengung der Schubhaft v.a.
mit der Gefahr des Untertauchens begruendet. Es ist zu erwarten, dass
auch die aufschiebende Wirkung oft aberkannt werden wird, weil die
Behoerde eine Gefahr des Untertauchens als gegeben annimmt.

18 Monate Einreiseverbot

Die neue Rueckkehrentscheidung (teilweise neu statt Ausweisung,
betrifft Menschen, die nicht (mehr) legal in Oesterreich aufhaeltig
sind, z. B. wegen Versaeumen der Frist fuer den Verlaengerungsantrag)
bringt ein mindestens 18 Monate dauerndes Einreiseverbot mit sich.
(Frueher konnte mensch der Ausweisung durch Ausreise und baldige
Wiedereinreise genuege tun). Das neue Einreiseverbot wird Familien
auseinanderreissen, z.B. wenn ein Teil eingebuergert ist und ein
anderer Teil nicht.

Deutsch vor Zuzug: Schikane beim Familiennachzug

Der Nachzug von Familienangehoerigen wird extrem erschwert: Verlangt
wird das Niveau A1* bei Erstantragstellung, dh meist vor der Einreise,
sofern die Erstantragsstellung nicht ausnahmsweise im Inland erfolgen
kann. A1 entspricht durchschnittlich 100 Stunden Deutschkurs.
Ausgenommen sind nur Angehoerige von SpitzenverdienerInnen.

Verkuerzung der Sprachlernfrist

Wer neu nach Oesterreich zuwandert, muss die Integrationsvereinbarung
unterzeichnen. Frueher liess die Integrationsvereinbarung 5 Jahre
Zeit, um das Sprach-Niveau A2 zu erreichen. Nun soll diese (Lern)Zeit
auf 2 Jahre verkuerzt werden. Das betrifft insbesondere
Familienangehoerige. Wenn die Pruefung nicht innerhalb der 2 Jahre
bestanden wird, wird im Verlaengerungsverfahren ein weiterer
Aufenthaltstitel nicht erteilt, was dann zur Ausweisung fuehrt.
(Ausgenommen sind Hoechstqualifizierten und ihre Angehoerigen)

Unbefristeter Aufenthalt nur mit B1-Sprachkenntnis

Unbefristete Aufenthaltstitel sind ab Inkrafttreten der Novelle
deutlich schwieriger (fuer Lernungewohnte wohl kaum mehr) zu bekommen,
weil Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 verlangt werden. Dafuer sind
je nach Vorkenntnissen durchschnittlich 600 Stunden Deutschkurs
erforderlich. Fuer Menschen, die das Lernen nicht mehr gewohnt sind,
ist die B1-Pruefung (knapp unter Maturaniveau) normalerweise nicht zu
schaffen. Das wird dazu fuehren, dass wesentlich mehr Menschen auf
ewig im Stadium des befristeten Aufenthalts verharren und ihren
Aufenthaltstitel regelmaessig verlaengern muessen. Diese Verlaengerung
kann jeweils fuer ein Jahr beantragt werden und kostet derzeit 110.-
EUR. Wer das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (Sprachpruefung auf
Niveau A2) absolviert hat, braucht nur alle 3 Jahre um Verlaengerung
ansuchen. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung gibt es nur fuer
Personen mit langfristiger Niederlassung. Die Schwelle in das soziale
Netz wird somit erhoeht.

Einbuergerung fast unmoeglich

Oesterreichische Staatsbuergerschaft ist fuer nicht-lerngewohnte
Personen praktisch nicht mehr zu bekommen, weil Sprachkenntnisse auf
dem Niveau B1 (knapp unter Maturaniveau) verlangt werden. (B1 = je
nach Lerngewohnheit durchschnittlich 600 Kursstunden; im Vergleich zu
durchschnittlich 300 Kursstunden fuer A2, die bisher verlangt wurden).
Die Deutschpruefung fuer die Staatsbuergerschaft wird somit doppelt so
schwer wie bisher. Dies bringt erhebliche Mehrkosten und mehr
Zeitaufwand mit sich und benachteiligt besonders die faktisch
mehrfachbelasteten Frauen.

Nur in Ausnahmefaellen Kostenersatz fuer Deutschkurse

Die Kosten werden nur fuer das erste Modul (Deutsch auf A2 Niveau) nur
zum Teil (50 %, per Verordnung gedeckelt) rueckerstattet und nur dann,
wenn Kurs UND Pruefung im ersten Jahr absolviert und bestanden werden
(obwohl die Frist fuer das erste Modul 2 Jahre betraegt). Fuer die
weiterfuehrenden B1-Kurse, die fuer laengeren Aufenthalt erforderlich
sind, und auch fuer die A1-Kurse gibt es keinen Kostenersatz.

Fazit

Welche Gruppen von "Drittstaatsangehoerigen" haben durch die Novelle
die meisten Nachteile zu befuerchten:

-- Menschen, die Sprachkurse "besuchen" und zahlen muessen und weder
den Zeitaufwand noch die Kurskosten rueckerstattet bekommen

-- Menschen, die das Lernen nicht mehr gewohnt sind und daher die
B1-Sprachpruefung (knapp unter Maturaniveau) wahrscheinlich nicht
bestehen koennen, haben entsprechend wenig Chance auf Daueraufenthalt
in Oesterreich. Damit ist ihnen der Zugang zu wesentlichen
Sozialleistungen (neue Mindestsicherung) verwehrt.

-- Menschen, denen aus bestimmten Gruenden der Fuehrerschein entzogen
wird (z. B. wegen Uebertretung der Hoechstgeschwindigkeit, Alkohol am
Steuer) oder die eine aehnlich markante Verkehrsstrafe bekommen (z. B.
Fahren trotz entzogenem Fuehrerschein)

-- Menschen, die das Fremdenpolizeigesetz, das Niederlassungs- und
Aufenthaltsrecht oder Meldegesetz uebertreten (z. B. sich 4 Tage ohne
Meldung irgendwo aufhalten, die Gebietsbeschraenkung missachten).
(Flugblatt von ENARA)

Kontakt: ENARA, Zollergasse 15, 1070 Wien, http://www.enara.at

* Die Erlaeuterungen zu den verschiedenen Sprachkenntnis-Niveaus (A1,
A2, B1, B2, C1, C2) sind nachzulesen auf
http://europass.cedefop.europa.eu/LanguageSelfAssessmentGrid/de

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DEMONSTRATION
gegen das Fremden-Unrechtspaket: Mittwoch 27. April 2011. 18 Uhr:
Christian Broda Platz /Westbahnhof,
18:30 Uhr: Abmarsch Mariahilferstrasse, 20 Uhr: Schlusskundgebung vor
dem PARLAMENT.
Weitere Infos unter: http://www.machen-wir-uns-stark.at

Informationsveranstaltung
Donnerstag, 14. April 2011, 19.30: Universitaet Wien, Neues
Institutsgebaeude, Hoersaal III. Mit: Michael GENNER, Asyl in Not;
Alexander POLLAK, SOS Mitmensch; Didar CAN, Beratungszentrum fuer
MigrantInnen.



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