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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 30. Maerz 2011; 02:42
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Debatte/Libyen/UNO:

> Geht´s ein bisserl ehrlicher?

Die UNO und ihr Sicherheitsrat sorgen fuer Sicherheit -- und zwar
immer dann, wenn es darum geht, abzuklaeren, ob irgendeine relevante
Macht etwas dagegen hat, wenn ein paar Staaten irgendwo militaerisch
zuschlagen wollen. So steht das natuerlich in den Selbstdarstellungen,
aber darum geht es. Daher ist es auch kein Wunder, dass jene Maechte,
deren Unmut tatsaechlich zu einem Weltkrieg fuehren koennte, bei
dessen Gruendung ein Vetorecht im Sicherheitsrat bekamen. Dabei sind
die Strukturen natuerlich veraltet, es waere sicher sinnvoll,
heutzutage auch Staaten wie Deutschland, Japan oder Indien als
staendige Mitglieder aufzunehmen oder die EU in ihrer Gesamtheit, aber
die Idee ist nach wie vor die Gleiche: Wie erlaubt man Angriffskriege
ohne allzugrosses Risiko fuer den unbeteiligten Rest der Menschheit?
Daher ist ein Beschluss des Sicherheitsrates nie eine wie auch immer
geartete "Legitimation", wie speziell uns unsere Regierung im Hinblick
auf die Neutralitaet einreden moechte -- nicht umsonst hatte sich die
Schweiz solange geziert, der UNO beizutreten. Ein solcher SR-Beschluss
ist lediglich Ausfluss einer Mehr- oder Weniger-Uebereinkunft der
massgeblichen Regierungen dieser Welt. Mit Moral oder Legitimitaet hat
das nichts zu tun, hoechstens mit einer voelkerrechtlichen Legalitaet.

Nun gibt es aber dieses Instrument des Sicherheitsrates. Schoen.
Nehmen wir einmal an, er koennte tatsaechlich moralisch oder
voelkerrechtlich einen Angrifskrieg legitimieren. Ein solcher
Beschluss sollte sich natuerlich an die UN-Charta halten. Wenn ein
Staat einen anderen angreift, ist ein militaerischer Beistand nach
dieser Charta kein Problem. Aber was ist bei einem Buergerkrieg? Nun,
da gibt es ja doch das Verbot der Einmischung in innere
Angelegenheiten. Ueber die Legitimitaet dieses Verbots kann man
streiten. Doch es ist den Grundprinzipien des Voelkerrechts geschuldet
und existiert eben. Aber auch das ist egal, trotzdem kann der
Sicherheitsrat beschliessen, dass der Angriff legal sei -- denn wer
sollte ihn daran hindern? Interplanetaren Obersten Gerichtshof gibt es
ja keinen.

Schoen. Sagen wir einmal, so ein Angriff sei legal oder sogar legitim.
Dann gibt es aber ein eindeutiges Mandat, wozu denn die kriegswilligen
Staaten und damit ihre Militaers berechtigt sind. Doch dann gehen
diese Staaten ueber das Mandat hinaus. Und niemand scherts.

Genau das ist im Falle Libyen geschehen. Es gibt einen Buergerkrieg
ohne Beteiligung anderer Staaten. Der Sicherheitsrat genehmigt einen
Militaereinsatz zum Schutz der Zivilbevoelkerung, eben die
Flugverbotszone -- mit dem kleinen Nebensatz, ueber den kaum in den
Medien berichtet wurde, dass auch Bodentruppen bombardiert werden
duerften, wenn Zivilisten in Gefahr seien. Doch diese Gefahr ist
vorbei. Die Luftschlaege gehen weiter. Ausser dem
NATO-Generalsekretaer, der zuviel Diplomat ist, um eine
Ueberschreitung des Mandats zugeben zu koennen, behauptet kaum noch
wer von den massgeblichen Personen, dass es nicht um einen regime
change ginge. Zumindest Grossbritannien und Frankreich sind laengst
Partei in diesem Krieg geworden, von einer Beschraenkung auf
"humanitaere Aufgaben" kann keine Rede mehr sein. Auch in den Medien
formuliert man das ganz locker, wenn es dann heisst, "die Rebellen
konnten mit NATO-Luftunterstuetzung" diese oder jene Stadt einnehmen.

Jetzt mag ich Herrn Gaddafi nicht besonders, auch habe ich keine
Ahnung, was die fuehrenden Koepfe der Rebellen denn eigentlich wollen.
Ich weiss nicht, ob Gaddafis Armee Zivilbevoelkerung massakriert oder
ob das die NATO oder die Rebellen tun -- meine Befuerchtung ist, dass
alle drei beteiligten Gruppen nicht zimperlich sind. Vielleicht haben
die fruehen Luftschlaege wirklich mehr Menschenleben gerettet als sie
gekostet haben. Vielleicht. Das humanitaere Interesse nehme ich
kriegfuehrenden Staaten trotzdem nie ab. Fuer diese meine jetzige
Fragestellung sind aber solche Ueberlegungen auch irrelevant.

Meine Frage ist: Soll man in Kriegsangelegenheiten die UNO ueberhaupt
noch ernstnehmen? Offensichtlich tut das niemand mehr, weder die
Regierungen, noch die Militaers, noch die Medien -- und die
UNO-Repraesentanten selbst wohl auch schon nicht mehr sonderlich. Die
sind froh, wenn sie irgendwie verhindern koennen, dass sich regionale
Konflikte zu einen Weltkrieg auswachsen. Sicher, das ist eine
loebliche Aufgabe in einer waffenstarrenden Welt mit vielen
Interessenskonflikten. Aber waere es dann nicht ehrlicher, zuzugeben,
worum es geht?
*Bernhard Redl*

*

> Einwaende der Korrekturleserin

1.) Ehrlichkeit setzt einiges voraus und kann m.E. nur von
Einzelpersonen verlangt werden. Eine Gruppe kann nicht ehrlich sein,
weil sie nicht nur ein Hirn hat. Von der UNO Ehrlichkeit zu verlangen
ist Unfug.
2.) Wenn wo Sicherheit draufsteht, ist immer Krieg gemeint oder
zumindest Kampf oder Angriff.
3.) Die UNO ist "mit Sicherheit" in Kriegsangelegenheiten nicht ernst
zu nehmen, aber sie ist das Einzige, was wir haben. Ob wir sie ernst
nehmen, ist sowieso irrelevant, wer ist "wir"?
4.) Worum geht es, wenn es "ehrlich" gesagt wird? Macht, Geld, Macht,
Geld, Macht......
5.) Wem waere geholfen, wenn die Militaers sagen taeten, wir tun nur
was uns die Maechtigen anschaffen um an der Macht zu bleiben? Oder an
selbige zu kommen? Gaebs dann weniger Kriege, Tote usw. ?????
*Ilse Grusch*


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