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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. Februar 2011; 02:20
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Fremde/Recht:
> Die naechste Verschaerfung
Schikanen unter dem Deckmantel der Rot-Weiss-Rot Card
Am 28.Jaenner endete die Begutachtungsfrist 2011 fuer die juengste
Fremdenrechtsnovelle. Und sie enthaelt natuerlich wieder einige
Boesartigkeiten, wie NGOs und caritative Organisationen in ihren
Stellungnahmen festellen mussten.
"Unter dem Deckmantel der Einfuehrung einer Rot-Weiss-Rot Card wird
zum wiederholten Mal das Fremdenrecht voellig veraendert und zu Lasten
von Menschen auf der Flucht verschaerft.", empoert sich
Diakonie-Direktor Michael Chalupka anlaesslich des vorliegenden
Entwurfes des Innenministeriums zur geplanten Fremdenrechtsnovelle.
Kinderrechte nicht beruecksichtigt
Besonders alarmierend sei der fehlende Schutz fuer Kinder und
Jugendliche. So muessen Eltern, die in Schubhaft kommen, darueber
entscheiden, ob sie sich lieber von ihren Kindern trennen oder sie mit
ins Gefaengnis nehmen wollen. Die abermals verschaerften
Schubhaftbestimmungen koennen nun auch fuer Jugendliche ab 16 Jahren
angewandt werden. Und sogenannte "muendige Minderjaehrige", also 14
Jaehrige, koennen bis zu zwei Monaten eingesperrt werden.
"Ich erinnere daran, dass vor wenigen Wochen innerhalb kuerzester Zeit
ueber 100.000 Unterschriften zustande gekommen sind. Die Initiative
"gegen Unrecht - Kinder gehoeren nicht ins Gefaengnis" war ein klares
Statement der Zivilgesellschaft, Kindern den ihnen gebuehrenden Schutz
zu gewaehren. Der vorliegende Entwurf ist von diesem Ziel weit
entfernt. Jetzt wird auch klar, warum die UN-Kinderrechtskonvention
nicht vollstaendig in die Verfassung aufgenommen worden ist. Der
Schutz von Kindern waere dann ueber dem Fremdenrecht gestanden. Das
will man im Innenministerium anscheinend verhindern.", sagt Chalupka.
Aber auch fuer Erwachsende sieht die Fremdenrechtsnovelle
Verschaerfungen vor. Schubhaft kann nun auf 18 Monate ausgedehnt, es
kann ein Einreiseverbot in die EU fuer 2 Jahre verhaengt, und es
koennen Menschen ohne legalen Aufenthalt sofort abgeschoben werden -
ohne vorher moegliche Abschiebungshindernisse zu pruefen.
Verschlechterungen soll es auch fuer besonders schutzbeduerftige
Personen geben - traumatisierte, hochschwangere, psychisch kranke oder
gebrechliche Menschen droht Schubhaft und Abschiebung.
Rechtsberatung abhaengig vom Innenministerium
Die Diakonie begruesst zwar, dass mit der Einfuehrung einer
Rechtsberatung dem Recht von Schutzsuchenden auf eine rechtliche
Beratung und Vertretung endlich entsprochen werden soll, bedauert aber
die fehlende Unabhaengigkeit und den unausgegorenen Bestellmodus durch
die Innenministerin.
Aber ob die Betroffenen ueberhaupt in den Genuss dieser Rechtsberatung
kommen koennen, bezweifelt amnesty international in seiner
Stellungnahme. Denn Gem. § 45 Fremdenpolizeigesetz koennen Fremde von
den Organen des oeffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der
Behoerde zur Rueckkehr ins Ausland verhalten werden
(Zurueckschiebung), wenn sie innerhalb von sieben Tagen, nachdem ihr
Aufenthalt im Bundesgebiet nicht mehr rechtmaessig ist, betreten
werden. D.h. die betroffenen Personen wuerden ohne vorangehende
"Rueckkehrentscheidung" im Sinne der EU-Richtlinie und folglich ohne
jegliche Verfahrensgarantien in ihr Herkunftsland oder ein Transitland
mit dem ein Ruecknahmeuebereinkommen besteht, zurueckgeschoben.
Amnesty International ist besorgt, dass "mit der Einfuehrung dieser
Bestimmung auch die in der Richtlinie verpflichtend vorgesehene
Rechtsberatung umgangen wird".
Ausserdem, so amnesty, sehe § 66 nunmehr nur noch die Moeglichkeit
vor, an den Aussenstellen des Bundesasylamtes eine beratende
Unterstuetzung einzurichten, wobei die Beratung nur noch "nach
Massgabe der faktischen Moeglichkeiten" zu bestellen sind. Dies stelle
gegenueber der geltenden Rechtslage, nach der Rechtsberater "in der
notwendigen Zahl" zu bestellen sind und auch Vertretungspflicht
besteht, eine enorme Verschlechterung dar.
Gegen Opfer des Frauenhandels
Im § 54 werden auch neue Gruende fuer die Erlassung eines
Rueckkehrverbotes gegen Asylwerber eingefuehrt. So wird nunmehr als
besonderer Grund u.a. auch eine Verwaltungsuebertretung, die mit einer
Geldstrafe von mindestens 1000 Euro oder primaerer Freiheitsstrafe
rechtskraeftig bestraft wurde, genannt. Bei dem Tatbestand
"rechtskraeftige Bestrafung wegen Verstoessen gegen Vorschriften, mit
denen die Prostitution geregelt ist", wurde die Einschraenkung
"schwerwiegende Verstoesse" eliminiert. Angesichts der weitreichenden
Folgen eines Rueckkehrverbotes gegen Asylwerber (Entzug des
vorlaeufigen Aufenthaltsrechts, Gebietsbeschraenkung und damit
verbunden u. U. mangelnder Zugang zur Rechtsberatung sowie Eingriffe
ins Familienleben und Ausuebung der Religionsfreiheit) erscheint
amnesty diese neuerliche Ausdehnung "ueberschiessend". "Darueber
hinaus merkt amnesty an, dass aufgrund der Tatsache, dass nunmehr
jegliche Verstoesse gegen die Prostitutionsregelungen relevant sind,
auch Opfer von Menschenhandel von dieser Bestimmung betroffen sein
koennen, ohne dass deren besondere Situation beruecksichtigt wird."
Weiters bemaengelt amnesty, dass im Gegensatz zur geltenden Fassung
die Behoerde nunmehr nur noch bei Minderjaehrigen bis zur Vollendung
des 16. Lebensjahres gelindere Mittel anstatt der Schubhaft anwenden
soll.
Appell der Diakonie
Diakonie-Direktor Chalupka: "Ich kann nur appellieren, diesen Entwurf
noch einmal zu ueberdenken. Es kann nicht Ziel des Fremdenrechts sein,
so viele Menschen wie moeglich abzuschrecken und Schutzsuchende zu
schikanieren. Beim Asylverfahren sollte der Schutzgedanke im
Vordergrund stehen, und in diesem Sinne muss es qualitaetsvoll,
schnell und menschenrechtlich einwandfrei abgewickelt werden koennen."
(akin)
Presseaussendung Diakonie:
http://diakonie.at/goto/de/presse_service/pressetexte/schikanen-unter-dem-deckmantel-der-rot-weisz-rot-card
Stellungnahme amnesty:
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/ME/ME_00251_22/imfname_205242.pdf
Alle parlamentarischen Materialien im Ueberblick:
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/ME/ME_00251_22/index.shtml
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