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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. Jaenner 2011; 00:40
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Recht:

> Gesetzeswidriges Voelkerrecht

Dass die Kinderrechtskonvention seit neuestem im Verfassungsrang
stuende, ist ein Geruecht.

Das "Uebereinkommen ueber die Rechte des Kindes" ist eine
UN-Konvention. Derlei Konventionen sind immer ein Kompromiss und
bieten jedem beitretenden Staat viele Schlupfloecher, um nur ja nicht
irgendetwas an seiner Rechtsordnung aendern zu muessen. Viele Artikel
sind mit Formulierungen geschmueckt wie: "Einschraenkungen ..., die
zum Schutz der oeffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit oder
Sittlichkeit ... erforderlich sind." Allerdings ganz so vage wie
beispielsweise die Europaeische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist
die UN-Kinderrechtskonvention nicht -- und deswegen wurde in vielen
Laendern (unter anderem auch in Deutschland und der Schweiz) mit
zahlreichen Vorbehalten beschlossen. Am 20.Jaenner 2011 war es in
Oesterreich endlich auch soweit. Dabei kann man aber nicht ernsthaft
von einem "Beschluss mit Vorbehalten" sprechen. Allein der
Mengenunterschied mach klar, dass von der Kinderrechtskonvention nicht
viel uebergeblieben ist, was da nun in Verfassungsrang gehoben wurde.
54 Artikel umfasst die Originalkonvention, davon sind 41 inhaltlicher
Natur. In Oesterreich findet man mit insgesamt 8 Artikeln das
Auslangen. Verfassungsrechtlich verbrieft werden lediglich das Recht
auf Fuersorge, das Verbot der Kinderarbeit, das Recht auf
Beruecksichtigung der Meinung des Kindes in seinen eigenen
Angelegenheiten, die Gleichbehandlung von behinderten und
nichtbehinderten Kindern, der Schutz vor physischer Gewalt und das
Recht des Kindes auf regelmaessige persoenliche Beziehungen zu beiden
Elternteilen. Artikel 7 ist in diesem Verfassungsgesetz so ziemlich
der ausfuehrlichste, enthaelt dieser doch die
Einschraenkungsmoeglichkeiten der Rechte. Und diese sind hier
natuerlich auch noch weiter gefasst als in der Konvention, denn da
darf sogar das "wirtschaftliche Wohl des Landes" als Grundlage fuer
eine Grundrechtsverweigerung herangezogen werden.

Zahnloses Voelkerrecht

Auch bislang war schon per Staatsvertrag und Ratifikation durch den
Nationalrat 1993 die Konvention oesterreichisches Recht. Das heisst
aber nicht viel, da es sich bei solchen Vertragswerken um kein
unmittelbar anwendbares Recht handelt. Interessant ist soetwas nur als
Massstab fuer die Legitimitaet nationaler Gesetze. Doch der
Verfassungsgerichtshof sieht derlei ueblicherweise nicht als
hoeherstehend als ein einfaches Gesetz an und eroeffnet in Folge
dessen keine Pruefungsverfahren ueber Gesetze, die einer solchen
voelkerrechtlichen Verpflichtung widersprechen koennten. Diese
Erfahrung musste man schon mit der EMRK machen, die zwar in
Oesterreich bereits 1958 ratifiziert worden war, aber bis zu ihrer
Erhebung in Verfassungsrang 1964 von der Justiz vollkommen ignoriert
wurde. Also stand eine solche Erhebung auch fuer die
Kinderrechtskonvention dringend an.

Allerdings sind nun vier Parlamentsparteien der Meinung, dass ein
kurzer unvollstaendiger Abstract der Konvention ausreiche als
Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung -- im Hohen Haus
protestierten lediglich die Gruenen dagegen lautstark. Interessant
sind allerdings die Begruendungen, die die Parteien der Regierung und
der Rechtsaussenopposition lieferten. Besonders OeVP-Abgeordneter
Wilhelm Molterer rang sich zu der bemerkenswerten Aeusserung durch,
wonach eine blosse wortwoertliche Umsetzung der Konvention entweder
Widersprueche zu geltendem oesterreichischen Recht erzeugt oder blosse
Selbstverstaendlichkeiten festgehalten haette. Molterer weiss also
sehr genau, dass beispielsweise viele Fremdenrechtsbestimmungen alles
andere als kompatibel mit der Konvention sind -- dass Oesterreich sich
voelkerrechtlich zu ihrer Einhaltung verpflichtet hat, ist ihm dabei
offensichtlich egal.

Ein Beispiel fuer die erwaehnten "Selbstverstaendlichkeiten" liefert
SPOe-Staatssekretaer Josef Ostermayer. Er meinte, in Oesterreich
herrsche sogar Schulpflicht, was ueber das Recht auf Bildung
hinausgehe. Allerdings zeugt diese Aeusserung von Unkenntnis der
Konvention. Dort ist die Schulpflicht sehr wohl verankert. Es steht
dort aber auch geschrieben, dass nicht nur weiterfuehrende Schulen
allen Kindern offen stehen sollen und nicht nur die Unentgeltlichkeit
sondern auch die "Bereitstellung finanzieller Unterstuetzung bei
Beduerftigkeit" notwendig waere. Weiters sei "allen entsprechend ihren
Faehigkeiten den Zugang zu den Hochschulen mit allen geeigneten
Mitteln" zu ermoeglichen. Gehoert das auch zu den
Selbstverstaendlichkeiten der oesterreichischen Bildungspolitik?

Nur nicht zuviel Menschenrechte

Natuerlich, viele andere Bestimmungen der Kinderrechtskonvention sind
auch bereits in der EMRK und im Staatsgrundgesetz von 1867 enthalten
und gelten damit auch fuer Kinder -- sollten also in unserem
Rechtsstaat selbstverstaendlich sein. Aber was haette dagegen
gesprochen, diese Rechte noch einmal speziell fuer Kinder zu
definieren? Hat man Angst davor, Kinder wuerden sich beispielsweise in
der Schule auf Artikel 13 der Konvention berufen, der ihnen
Meinungsfreiheit zusichert?

So sieht es aus mit dem Verstaendnis von Grundrechten in
Oesterreich -- egal, ob es um Rechte fuer Kinder oder fuer Erwachsene
geht. Die Republik ist der Garant fuer die volle Einhaltung aller
Menschenrechte -- solange sie nicht irgendeiner
Durchfuehrungsverordnung widersprechen.
*Bernhard Redl*



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