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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Jaenner 2011; 22:31
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Medien/Kommentar:

> Revolution am Badestrand

Jetzt sind wir aber alle aufgeschreckt. "In Nordafrikas bisherigem
Vorzeigeland", wie es der ORF nennt, gibt es eine Revolution.
Spaetestens seit Weihnachten berichtete der ORF-Korrespondent Karim
el-Gawhary ausfuehrlich ueber den sich abzeichnenden Aufstand --
allerdings nicht fuer den oesterreichischen Rundfunk, sondern auf
recht entlegenen Internetseiten.

Waehrend Proteste von selbem Ausmass in Weissrussland laengst die
hiesigen Schlagzeilen dominiert haetten, war Tunesien bis vor
eineinhalb Wochen wurscht. Kein Wunder: Weissrussland ist fast schon
ein Schurkenstaat, schliesslich ist der dortige Diktator wechselweise
mal ein Freund Wladimir Putins und dann wieder Hugo Chavez´. Aber
Tunesien? Das kann man doch gar nicht vergleichen. Ein Urlaubsparadies
mit eine dem Westen (der internationalen Gemeinschaft, oder wie immer
das gerade genannt wird...) wohlgesonnenen Regierung, was soll dort
schon sein? Protest und Repression? Laecherlich. Dort regieren doch
schliesslich Sozialdemokraten. Wenn wenigstens die Muslimbruderschaft
in Tunesien eine Bedeutung haette, das waere eine Nachricht, aber
so...

Doch ploetzlich schlaegt der Protest in einen gewalttaetigen Aufstand
um -- und oesterreichische Urlauber fuerchten sich. Da ist das ganze
dann interessant. Berichtet wird aber immer noch weniger von einer
Revolte oder gar einer Revolution, sondern eher von Unruhen.
Pluenderungen und brennende Autos sind Thema. Worum es politisch geht,
ist im ORF immer noch egal -- es sei denn, dass doch vielleicht
Islamisten dahintersteckten. Doch leider: Die sind wirklich voellig
abgemeldet in diesem Protest. Bloed irgendwie, was soll man denn da
aus einem arabischen Land berichten? Zivile saekulare Opposition,
sowas gibts doch bei den Blossfuessigen nicht...

Lang hat man weggeschaut. Denn Tunesien hat doch so einen schoenen
Strand. 2005 veranstaltete die UNO ausgerechnet in Tunesien ihren
ersten "Weltinformationsgipfel" -- und die Welt wollte gar nicht
wissen, dass Tunesien unter den Staaten ein Weltmeister der
Desinformation und der Zensur ist.

Jetzt ist der Diktator geflohen. Und unsere Medien erzeugen ein Bild,
dass es doch jetzt das Beste waere, wenn wieder Ruhe und Ordnung
einkehrten -- sprich: dass nach der Flucht des bisherigen
Oberindianers seine Gefolgsleute eine stabile Regierung bilden sollten
(mit ein bisserl "Einbindung der Opposition" selbstverstaendlich).

Zwar hat sich der ORF, nachdem sich ja kaum jemand wirklich auskennt,
mittlerweile doch wieder Karim el-Gawharys erinnert und er darf sogar
mehr als zwei Saetze pro Live-Einstieg sagen. Doch der Tenor bleibt
der Gleiche: Dies koennte zu einem "Flaechenbrand" in der arabischen
Welt fuehren -- sagte die Moderatorin der ZiB 24 am Dienstag gleich
mehrmals. Wuerde derlei im Iran oder in Weissrussland passieren, waere
es wohl eher eine "Demokratiebewegung"...
*Bernhard Redl*


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