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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Jaenner 2011; 23:03
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Irland/Hintergrund:
> The Irish Tragedy
Gruende fuer die Irlandkrise
Die Europaeische Union, die Weltbank und der Internationale
Waehrungsfonds bereite(te)n gerade ein 90 Milliarden Euro ausmachendes
"Rettungspaket" fuer die irische (Finanz-)Wirtschaft vor - unter der
Bedingung, dass die irische Arbeiterklasse den Preis dafuer bezahlt
durch stark beschnittene Sozialprogramme und umfangreiche
Steuererhoehungen (auch fuer Wenigverdiener). Die etablierten
politischen Parteien scheinen diese harten Massnahmen im Parlament
durchpeitschen zu lassen (Anm.: was inzwischen ja geschehen ist,
allerdings mit knappestmoeglicher Mehrheit).
Diese Massnahmen werden den Lebensstandard der arbeitenden Klasse
gewaltig druecken - aber jetzt (Anm. d. Red.: Der Text stammt von
Anfang Dezember 2010) baut sich dagegen Widerstand von "unten" auf. Am
27.Nov.2010 zogen z.B. an die 100.000 Irinnen und Iren durch Dublins
Strassen und boten eine inspirierende Demonstration gegen diese
Sparmassnahmen. Die Wurzeln dieser (bereits zweiten) irischen
Finanzkrise gehen auf die Erfolgsgeschichte des "keltischen Tigers"
zurueck.
Als im Jahr 2001 die US-Investitionen in die irische Wirtschaft
zurueckgingen, glich der keltische Tiger dies durch einen gewaltigen
Bauboom aus. 15% der irischen erwerbstaetigen Bevoelkerung waren
damals im Bauwesen beschaeftigt, ein Fuenftel aller irischen
Steuereinnahmen kamen aus Vermoegens- und Eigentumssteuern. Dies war
aber eine Blasenwirtschaft, direkt von den USA kopiert, aufbauend auf
niedrigen Koerperschaftssteuern, liberaler Finanzmarktregulierung und
totaler Auslieferung an die Kraefte des (freien) Marktes.
Um diesen Boom aufrechtzuerhalten, borgten die irischen Banken
insgesamt etwa 450 Milliarden(!) Euro von europaeischen Banken. Das
ist eine unglaubliche Summe, denn sie betraegt etwa das Dreifache(!)
der jaehrlichen irischen Wirtschaftsleistung! Gemeinsam mit China,
welches den USA gewaltige Geldsummen lieh, um den dort boomenden
Eigentumserwerb im Laufen zu halten, statteten vor allem britische und
deutsche Banken irische Banken mit etlichen Milliarden aus. Die viel
niedrigeren Kapitalakkumulationen in diesen Laendern und eine
wohlueberlegte Politik des Niedrighaltens von Loehnen in Deutschland
bedeuteten gewaltige Summen, welche Irland als Kredite zur Verfuegung
gestellt wurden.
Diese gewaltige Blase platzte dann beim Wall Street Crash im September
2008: die irischen Banken und mit ihnen ein grosser Teil der irischen
Kapitalistenklasse sahen den Ruin auf sich zukommen. Ihre "Loesung"
war nun, die gewaltigen Schuldenberge ihres Landes auf die (arbeitende
und Steuern zahlende) Bevoelkerung abzuwaelzen, und zwar in einem
verzweifelten Versuch, die bankrotten Firmen, aber vor allem Banken
und Versicherungen, so abzustuetzen.
Die Massnahmen der irischen Regierung, die jetzt folgten, waren schier
unglaublich: sie garantierte alle Bankschulden des Landes abzudecken;
dazu schuf sie speziell fuer diesen Zweck die "NAMA" (National Asset
Management Agency), in welche alle faulen Kredite verlagert werden
sollten ("Bad Bank"), und pumpten -zig Milliarden zu den Banken um
diese zu retten. Bis zum September dieses Jahres hatte die Regierung
schon ueber 50 Milliarden Euro in irische Banken gesteckt. Um dieses
Geld wieder hereinzubringen, leitete sie einen brutalen Angriff auf
die irische Bevoelkerung ein: Sozialleistungen wurden um 4% gekuerzt,
die Gehaelter fuer Beschaeftigte im oeffentlichen Dienst wurden um 16%
gesenkt, etliche neue Gebuehren und Steuern wurden den Iren auferlegt.
Eine Zeitlang blickte die globale Businesspresse mit Staunen auf die
irische politische Fuehrungsriege. Noch im August dieses Jahres wurde
der irische Premier Brian Cowen von der Zeitschrift Newsweek zu den
zehn groessten politischen Fuehrern der Welt gezaehlt: hauptsaechlich
deswegen, weil er ein rigoroses Regime ausuebte, welches sogar in Kauf
nahm die eigene Bevoelkerung ans Kreuz zu schlagen.
Dann aber fiel dies alles urploetzlich in sich zusammen, und zwar aus
zweierlei Gruenden. Erstens, weil die gewaltigen Einschnitte und
Sparmassnahmen Irland nur noch tiefer in die Rezession fuehrte -
schliesslich war die irische Wirtschaft neun Quartale hintereinander
geschrumpft.
Zum Zweiten, weil die NAMA bisher nur 5 Millionen(!) Euro an faulen
Krediten uebernommen hatte und weiterhin die brennende Lunte
platzender Hypothekarkredite zurueckliess. Und weil das Problem der
Ausfaelle von immer mehr Kreditnehmern staendig groesser wurde, saugte
man - zig Milliarden(!) Euro aus der irischen Wirtschaft heraus.
Hinter den Kulissen schuettete die EZB (Europaeische Zentralbank) 110
Milliarden Euro an irische Banken aus, hauptsaechlich, weil sie sehr
besorgt war, dass, wenn die irischen Banken bankrott gingen, sie
andere europaeische Krisenkandidaten (Anm.: Portugal, Spanien,
Italien,...) mitreissen konnten. Auf alle Faelle machte diese
Geldspritze der EZB an Irland ein Fuenftel(!) der gesamten
EU-Garantiesumme fuer schwaechelnde Eurolaender aus - ohne dass aber
damit das irische Bankwesen endgueltig gesichert worden waere.
Im November dieses Jahres wurde nun der Druck seitens der EU auf
Irland, die Zuegel straffer anzuziehen, stark erhoeht. Der -
sogenannte - "Kredit" des Internationalen Waehrungsfonds hat(te) aber
schon gar nichts mit der Aufrechterhaltung und Sicherung sozialer
Leistungen fuer das irische Volk zu tun, sondern nur damit, dass die
irische Regierung noch mehr Geld in die irischen Banken stopfen
konnte, sodass diese ihre kapitalistischen Brueder und Schwestern in
Europa weiterhin auszahlen konnten.
Dass dies nur eine mehr als miese Masche war, durchschauten aber die
meisten Irinnen und Iren. Nun wurde von der irischen Regierung (nach
Absegnung durch das irische Parlament) ein fuer vier Jahre angelegter
nationaler Finanzrettungsplan ausgearbeitet als ein Versuch, 15
Milliarden Euro durch Extrasteuern und vor allem
Sozialeinsparungsmassnahmen aufzubringen. Es ist eine unverfrorene
Attacke auf die Aermeren und die werktaetige Klasse Irlands
allegemein. Nur die "laecherliche" Summe von 140 Millionen(!) Euro
soll durch Kapitalsteuern aufgebracht werden. Der "Rest" soll durch
stark angehobene Gebuehren fuer die Wasserversorgung und andere
oeffentliche Leistungen, grosse Einschnitte bei Sozialleistungen,
Mindest(!)loehnen, Arbeitslosengeld und Pensionen hereingebracht
werden, um nur einige Grauslichkeiten aufzuzaehlen.
Dieses Sparpaket ist aber voellig unrealistisch, ja undurchfuehrbar.
Die irische Regierung geht von einem ganz und gar nicht
prognostizierbaren Wirtschaftswachstum von 2,7 % in den naechsten drei
Jahren aus obwohl sich kapitalistische Investitionen in Irland
halbiert haben und die Konsumkraft der irischen Bevoelkerung
dramatisch abgenommen hat.
Im Gegenzug werden die Rueckzahlungen und Zinsen fuer die
"Rettungs"kredite etwa 10 Milliarden Euro jaehrlich ausmachen. Da muss
man sich einmal die Augen reiben, vor allem, wenn man dem die
Kleinheit Irlands gegenueberstellt: (nur) vier Millionen Einwohner und
ein Bruttonationalprodukt von € 135 Milliarden... Politisch gesehen
verschiebt sich in diesen Tagen die oeffentliche Meinung dramatisch in
Richtung links. Bei den kuerzlich abgehaltenen Regionalwahlen in der
Grafschaft Sued-Donegal, dem bisher konservativsten Landesteil,
erzielten die linksstehenden Parteien Sinn Fein, Labour und Left
Independent(Linke Unabhaengige) zusammen 60 %.
Die Hauptnutzniesserin in der derzeitigen prekaeren Situation Irlands
ist die Labour Party - sie koennte bald die staerkste Partei des
Landes werden. Aber schon vor den naechsten landesweiten
Parlamentswahlen hat diese Partei bereits das Regierungssparpaket mit
abgesegnet,obwohl sie einzelne Komponenten davon ablehnt. Die Sinn
Fein gebaert sich zwar auch links, aber man muss bedenken, dass sie im
(britischen) Nordirland einen Teil der dortigen mehrheitlich
neoliberalen Regierung bildet. So hat sich jetzt die Tuer fuer eine
echte, radikale linke Partei in Irland weit geoeffnet.
In den letzten Novembertagen protestierten tausende Studenten gegen
Einschnitte im Bildungswesen und fuer die Universitaeten; am
27.November rief der irische Gewerkschaftsverband zu landesweiten
Demonstrationen auf - allein in Dublin waren an die 100.000(!)
Menschen auf den Strassen. Die oeffentlich Bediensteten demonstrierten
am 5.Dezember gegen die Kuerzungen ihrer Gehaelter und organisierten
einen eintaegigen Streik. Doch all diese Aktionen waren - wie alle
wussten - nur symbolische Gesten, die der Zerstoerung des bisherigen
sozialen Zusammenhalts Einhalt gebieten sollten. Der irische
Gewerkschaftsverband, welcher selbst vom Bruch der bisherigen
Sozialpartnerschaft ueberrascht und vor den Kopf gestossen wurde,
befindet sich in einer aeusserst labilen Phase, wo Abspaltungen und
die Bildung neuer Gruppierungen innerhalb der Gewerkschaften sehr
wahrscheinlich sind - ein sehr prekaerer Zustand gerade dann, wenn -
wie jetzt - Arbeiter und andere Werktaetige verzweifelt Schutz
waehrend der Krise suchen.
Ich muss auch der landlaeufigen Meinung von gierigen Bankern und
korrupten Politikern als (alleinige) Verursacher der Krise
entgegentreten. Immer mehr wird nun aber deutlich, dass das Problem im
(kapitalistischen) System selbst liegt. Der populaere irische Musiker
Christy Moore bekam donnernden Applaus, als er waehrend der
27.November-Demo den Song "Das System funktioniert nicht!" ( "The
System Is Not Working!") vortrug. Die Hauptaufgabe der Linken wird es
nun sein, dass die derzeitige Krise von viel mehr kommt als (nur) von
"gierigen Bankern". Aber wir (Linke) sind keine Lehrmeister, welche
die arbeitenden Menschen (nur) aufklaeren wollen. Wir wollen vielmehr
auf dem ja eh schon vorhandenen Bewusstsein der meisten Menschen
aufbauen, dieses weiter entwickeln und dem glimmenden Klassenzorn
Ausdruck verleihen. Der Weg vom Attackieren der Banken und der
Regierung zu dem von Kapitalisten im Allgemeinen ist kein weiter! Die
Hauptaufgabe der revolutionaeren Linken ist es heute, eine radikale
Massenpartei ins Leben zu rufen, eine Bewegung, welche einer riesigen
Zahl werktaetiger Menschen, die einen Wechsel des Systems wollen,
Hoffnung geben kann. Die Revolutionaere sollen einen besonderen Platz
innerhalb einer solchen Partei innehaben, welche ihre Anhaenger zum
Sturz des Systems animieren koennen sollen. Diese angestrebte
Massenpartei hat ja schon begonnen sich zu konsolidieren als die
"Vereinigte Linke Allianz"( United Left Alliance), welche die
Hauptkraefte der in Irland weiter links Stehenden buendeln soll. Zu
ihr gehoeren die Sozialistische Partei Irlands, eine Trotzkistische
Organisation und Teil des Komitees fuer eine Arbeiter-Internationale,
welche schon Joe Higgins als Vertreter im Europaparlament hat, dann
die Bewegung "Menschen vor Profit"(People Before Profit), die irische
Arbeiterpartei und die Aktionsgruppe der Arbeiter und Arbeitslosen.
Diese Allianz koennte bei den naechsten irischen Parlamentswahlen
zwischen fuenf und sieben Abgeordnete stellen. In einer Situation, wo
die Labour Party zuerst Hoffnungen der Iren erweckt, diese dann aber
bitter enttaeuscht hat, koennte diese neue Linke viel Interesse (und
auch Waehler) bekommen. Alle Beteiligten dieser linken Allianz wissen
aber nur zu gut, dass ihre Teilnahme am irischen Parlament nur die
schwaechere Begleitung einer Massenmobilisation auf den Strassen und
wirksamer starker Aktionen der Werktaetigen (und Arbeitslosen) sein
koennen. Im Gegensatz zu frueheren linken Zusammenschluessen gibt es
jetzt zwischen den einzelnen Organisationen innerhalb dieser linken
Allianz eine brueder (und schwester-)liche Atmosphaere und die
Bereitschaft, ihre Differenzen auszudiskutieren im groesseren Kontext
des Kampfes gegen den im Niedergang befindlichen Kapitalismus.
*Kieran Allen, ueberarbeitet und sehr frei uebersetzt von Wolfgang
Lambrecht*
Quelle des deutschen Textes: http://www.linkestmk.at/?p=787
Originaltext:
http://socialistworker.org/2010/12/03/cause-of-the-ireland-crisis
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