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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 21. Dezember 2010; 21:39
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Ungarn/Medien:
> Es regiert die Ausgewogenheit
Die Fidesz schafft eine neue Zensurbehoerde
"Es war eine jener Scheindebatten, die mittlerweile das traurige Bild
der Demokratie in Ungarn praegen, in der sich die Parlamentsmehrheit
auch dazu ermaechtigt sieht, Grundrechte niederzustimmen. Waehrend die
grossteils unglaubwuerdige Opposition Fundamentalkritik uebt, beharrt
die Regierungsseite mit DDR-Volkskammer-Rhetorik stoisch darauf, dass
alles rechtens und 'nah an europaeischen Normen' sei." Das schreibt
die ungarische Zeitung "Pester Lloyd" ueber die Parlamentsdebatte
ueber das Dienstag frueh abgesegnete neue Mediengesetz in unserem
Nachbarland.
Ob der Lloyd oder irgendein anderes ungarisches Medium in Zukunft noch
so formulieren darf, ohne seine Existenz zu riskieren, ist fraglich.
Denn dieses Mediengesetz hat es in sich. "Die Zeit" titelte dazu
unverbluemt: "Ungarn fuehrt die Zensur ein". Die neue Medienbehoerde
soll dafuer sorgen, dass fuer private Medien die selben Regeln gelten
wie fuer die oeffentlich-rechtlichen. Klingt harmlos, ist es aber
nicht. "Das ungarische Mediengesetz will die Interessen der
Gesellschaft schuetzen und die Regulierung der Medien auf ein
moralisches Fundament stellen", sagte Erzébet Menczer, Abgeordnete der
regierenden Fidesz. Wenn rechte Parteien von Moral reden, muss man
Schlimmstes befuerchten. Und das befuerchten auch viele inner- und
ausserparlamentarische Oppositionelle. Denn mit dem Gesetz werden
faktisch die privaten Medien unter Regierungsaufsicht gestellt.
Die exekutierende Behoerde NMHH bekommt weitreichende Vollmachten.
Ihre Gremien werden selbstverstaendlich mehrheitlich durch
Regierungsbeauftragte besetzt. Der Praesident der Behoerde kann ohne
parlamentarische Kontrolle Verordnungen und Vorschriften erlassen.
Und: Von der Behoerde verhaengte Geldstrafen (bis zu 90.000 Euro) sind
unverzueglich zu bezahlen -- diese Bestimmung wurde noch schnell via
Abaenderungsantrag kurz vor Beschlussfassung hinzugefuegt.
Nicht nur, dass damit Zensur geuebt werden kann, wie Oppositionelle
und Privatmedien reklamieren, es ist auch voellig unklar, was
ueberhaupt in Zukunft verboten sein soll. Das neue Mediengesetz nennt
als Verpflichtungen eher vage formulierte Kriterien wie die
"Ausgewogenheit" der Berichterstattung und die Erfuellung von
"Informationspflichten". Kritik an der Regierung wird also -- wenn
ueberhaupt -- nur mehr dann moeglich sein, wenn man im selben Ausmass
die Regierung selbst zum Wort kommen laesst. Umgekehrt ist allerdings
nicht zu erwarten, dass Medien, die Regierungspropaganda verbreiten,
genoetigt wuerden, oppositionelle Stimmen im selben Ausmass zu
zitieren.
(akin)
Quellen:
http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-12/ungarn-mediengesetz-orban
http://www.pesterlloyd.net/2010_51/51mediengesetz/51mediengesetz.html
http://www.pesterlloyd.net/2010_48/48DebatteMediengesetz/48debattemediengesetz.html
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