**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 15. Dezember 2010; 02:30
**********************************************************
EU:
> Fauler Kompromiss beim Buergerinitiativenrecht
Gemeinsame Aussendung von Attac und mehr Demokratie!
Am 8. Dezember wurde im Europaeischen Rat die gesetzliche Regelung der
Europaeischen Buergerinitiative (EBI) beschlossen. Der Kompromiss
zwischen Rat, EU-Kommission und Europaeischem Parlament sieht vor,
dass die EU-Kommission mit einer Million Unterschriften von
Buergerinnen und Buergern aus einem Viertel der EU-Staaten (7 Staaten)
aufgefordert werden kann, eine Gesetzesinitiative einzuleiten. Die
Kommission hatte urspruenglich ein Drittel (9 Staaten), das
Europaeische Parlament ein Fuenftel (6 Staaten) gefordert. Bei der
Dauer der Unterschriftensammlung bleibt es beim Vorschlag der
Kommission von 12 Monaten. Die EU-Kommission wird eine kostenlose Open
Source Software fuer die Online-Unterschriftensammlung entwickeln, die
von Initiativen verwendet werden kann. Fuer die Umsetzung in
nationales Recht haben die EU-Staaten ein Jahr Zeit, sodass die ersten
EBIs erst Ende 2011 starten werden.
Im Kompromiss wird den EU-Staaten freigestellt, wie sie die
gesammelten Unterschriften einer EBI ueberpruefen. Das
oesterreichische Innenministerium will Unterstuetzungserklaerungen nur
dann anerkennen, wenn eine ID-Nr. (Reisepass-Nr.,
Sozialversicherungs-Nr.) angefuehrt wird.
Heftige Kritik daran ueben mehr demokratie! und Attac: "Fuer eine
eindeutige Ueberpruefung einer geleisteten Unterstuetzungserklaerung
wuerde - wie bei einem Volksbegehren - Name, Adresse, Geburtsdatum und
Unterschrift ausreichen. Das Erfordernis einer ID-Nr. ist eine
buerokratische Schikane, um Leute vom Unterfertigen einer EBI
abzuhalten", so Erwin Leitner von mehr demokratie! "Viele EU-Staaten
schliessen das von vornherein definitiv aus. Wir fordern die
oesterreichische Bundesregierung auf, sich an Laendern wie
Deutschland, Grossbritannien, Niederlande, Belgien und der Slowakei
ein Beispiel zu nehmen und die Unterschriftensammlung einer EBI so
einladend und so praxistauglich wie moeglich zu regeln." Kritisiert
wird die Regelung auch vom Europaeischen Datenschutzbeauftragten
(EDSB).(1)
Enttaeuscht zeigen sich mehr demokratie! und Attac auch, dass EBIs,
die eine Abaenderung der EU-Vertraege fordern, fuer nicht zulaessig
erklaert wurden. "Fuer die Attac-Gruendungsforderung der
Finanztransaktionssteuer bedeutet dies, dass darueber eine EBI nicht
moeglich sein wird", erklaert Alexandra Strickner von Attac. Die
Kommission vertritt die Auffassung, dass eine Finanztransaktionssteuer
mit der Kapitalbewegungsfreiheit der EU-Vertraege nicht vereinbar
sei.(2) Strickner: "Dass die Europaeerinnen und Europaeer Aenderungen
der EU-Vertraege nicht einmal vorschlagen duerfen, ist ein klarer
Nachweis, wie weit Kommission und Rat von ernst gemeinter Buergernaehe
noch immer entfernt sind."
mehr demokratie! und Attac fordern, dass auf EU-Ebene ueber die EBI
hinausgehend auch die Moeglichkeit einer von der europaeischen
Bevoelkerung initiierten verbindlichen Volksabstimmung geschaffen
wird. Laut Lissabon-Vertrag Europaeerinnen und Europaeer duerfen
weiterhin nicht durch Volksabstimmungen selbst entscheiden.
Positiv bewerten mehr demokratie! und Attac, dass fuer erfolgreiche
EBIs, die eine Million Unterschriften gesammelt haben, ein
oeffentliches Hearing vorgesehen ist. Die EU-Kommission wollte
urspruenglich nur schriftlich Stellung beziehen. Mit dem oeffentlichen
Hearing vor Kommission und Parlament erhalten erfolgreiche EBIs fuer
ihr Anliegen eine medienwirksame Buehne. Positiv ist weiters, dass die
Zulaessigkeitspruefung gleich bei der Einreichung der EBI und nicht
erst nach 300.000 gesammelten Unterschriften erfolgt, wie es die
Kommission wollte.
(bearb.)
(1) Opinion of the European Data Protection Supervisor on the proposal
for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the
citizens' initiative:
http://www.edps.europa.eu/EDPSWEB/webdav/site/mySite/shared/Documents/Supervision/Priorchecks/Opinions/2010/10-04-21_Citizens_initiative_EN.pdf
(2) "It is unlikely that, for this restriction, a justification
sufficient for the purposes of the Treaty could be found." (siehe
Kapitel 3.1.2.4 dieser Studie)
http://ec.europa.eu/economy_finance/articles/international/documents/innovative_financing_global_level_sec2010_409en.pdf
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin