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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 24. November 2010; 04:12
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Letzte Worte:
> Die Gefuehle der anderen
Kirchenvertreter und FPOe laufen Sturm gegen eine Ausstellung moderner 
Sakralkunst am Sitz der niederoetserreichischen Regierung in St. 
Poelten. Die Freiheitlichen haben eine Demonstration organisiert und 
den Kuenstler, den Australier Mark Rossell, wegen "Herabwuerdigung 
religioeser Lehren" angezeigt. Auch der zustaendige Dioezesanbischof 
Klaus Kueng sieht in den Mariendarstellungen "religioese Gefuehle" 
verletzt. Der Kuenstler fuehlt sich missverstanden.
Der australische Kuenstler Mark Rossell praesentiert in der so 
genannten Landhausbruecke, die traditionell fuer Ausstellungen 
genuetzt wird, Marien-Installationen unter dem Titel "Generator of the 
Heart". Mit den sakralen Kunstwerken will er eigenen Angaben zufolge 
traumatische Erfahrungen aufarbeiten, die er in Lourdes gemacht habe, 
als er die Kommerzialisierung des katholischen Marien-Kults 
beobachtete.
Auf der Ebene "religioeser Gefuehle" eine Uebung, die aus Sicht von 
sich ebenfalls religioes gebaerdenden Menschen gruendlich 
danebengegangen ist. Stein des Anstosses ist vor allem eine Statue, 
die nach Ansicht von Kritikern eine Madonna zeigt, die von einem 
stilisierten Kondom verhuellt werde. Irgendwo soll auch "Ejakulat" zu 
sehen sein. Vor allem Vertreter der niederoesterreichischen FPOe 
zeigen sich nicht um heftige Attribute verlegen: "Beleidigung 
religioeser Gefuehle auf Kosten der Steuerzahler", "Marienschaendung", 
"blasphemische Pseudo-Kunst". Oder wie es der FPOe-Abgeordnetete 
Christian Hafenecker in einer Presseaussendung zusammenfasste: "Diese 
Skandalausstellung zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, die Ausgaben 
fuer Kultur radikal zusammenzustreichen. Kein einziger 
Niederoesterreicher braucht diese Fantasien eines Kuenstlers, dem 
offenbar bei seiner Arbeit nicht klar ist, dass er die Gefuehle 
Zigtausender glaeubiger Menschen in diesem Bundesland und darueber 
hinaus verletzt!" Und ganz nebenbei fordern Politiker der 
nationalistisch ausgerichteten und ehemals antiklerikalen Partei den 
Ruecktritt jenes Mitglieds der Landesregierung, das die Ausstellung 
eroeffnet hatte.
Installation mit weissen Leintuechern verhaengt
Mit Aktionen wird ebenfalls nicht gespart. Vor wenigen Tagen 
verhaengten Vertreter der rechtspopulistischen Partei die 
Installationen mit weissen Leintuechern. Und erstatteten Anzeige gegen 
den Kuenstler nach dem so genannten Blasphemieparagrafen (§188 StGB) 
wegen "Herabwuerdigung religioeser Lehren", wie Landesparteiobfrau 
Barbara Rosenkranz erklaerte. Der Politikerin war heuer mangelnde 
Distanzierung zum Nationalsozialismus vorgeworfen worden, als sie 
erfolglos fuer das Amt des Bundespraesidenten kandidierte. Sie selbst 
ist aus der Kirche ausgetreten, keines ihrer zehn Kinder ist getauft.
Was ihr katholische Fundamentalisten angesichts der juengsten Aktionen 
verzeihen duerften. Das Internetportal kath.net (nicht zu verwechseln 
mit kathpress, Anm.) spendete Beifall und forderte zu Protest-e-mails 
an den konservativen Landeshauptmann Erwin Proell auf. Auch gloria.tv, 
beruechtigt fuer seine militante Haltung in der Abtreibungsfrage, nahm 
sich des Themas an - wenn auch auffallend zurueckhaltend. Diesmal 
schien den Fundis die Stellungnahme des katholischen Dioezesanbischofs 
Klaus Kueng genuegt zu haben. Der sagte, eine solche Darstellung der 
Muttergottes sei geeignet, "die religioesen Gefuehle vieler Menschen 
in unserem Land, fuer die Maria der Inbegriff der Reinheit ist, schwer 
zu verletzen -- unter anderem meine eigenen". Kueng betonte, er 
aeussere diese Kritik in "Respekt vor der spirituellen Erfahrung eines 
Kuenstlers und seinem Beduerfnis, diese auch provokativ darzustellen". 
Im Vergleich zu den Stellungnahmen der FPOe eine diplomatische Ansage 
des Opus-Dei-Mitglieds. Was daran liegen mag, dass der in 
Niederoesterreich lebende Mark Rossell bereits Installationen fuer die 
Dioezese angefertigt hat.
Nur einem Unbekannten scheint das nicht gereicht zu haben. Er hat die 
kritisierte Statue mit roter Farbe eingesprueht. Ausserdem wurde eine 
kleine Skulptur gestohlen. Die Ausstellung soll trotz des Angriffs 
geoeffnet bleiben.
Doch keine Madonna?
Der Kuenstler fuehlt sich missverstanden. Die vielfach zitierte 
Madonna mit Kondom sei gar keine. "Das ist eine Figur aus Styropor, 
Epoxyharz und Silikon, keine Madonna. Wenn Leute glauben, dass diese 
Figur eine Madonna ist, dann irren sie. Und wenn manche bei dem 
Gedanken bleiben wollen, sie wuerden ein Kondom oder Ejakulat sehen, 
dann liegt das im Verantwortungsbereich ihrer Fantasie. In Wahrheit 
ist es eine Membran zwischen Betrachter und Figur, eine Schwelle 
sozusagen." Er wolle sicherlich niemand mit der Darstellung 
"verletzen", sagt der 50-Jaehrige in einem Interview mit den 
niederoesterreichischen Nachrichten. Aehnlich die Interpretation von 
Karl Aigner, dem Leiter des Landesmuseums, der die Ausstellung 
organisiert hat. Auch er spricht von primaer religioes inspirierten 
Werken. Und Joachim Roessl, Leiter der Kulturabteilung der 
Landesregierung, interpretiert die Schau als "Protest gegen den 
entwuerdigenden Umgang mit religioesen Symbolen".
Religioese Gefuehle vs. Religioese Gefuehle
Ob die "religioesen Gefuehle" des Kuenstlers oder der Kritiker Vorrang 
haben, wird wahrscheinlich ein Richter entscheiden. Die zustaendige 
Staatsanwaltschaft hat angekuendigt, gegebenenfalls Ermittlungen nach 
der FPOe-Anzeige einzuleiten. Sollte Rossel verurteilt werden, drohen 
ihm bis zu einem halben Jahr Haft oder eine hohe Geldstrafe.
*Christoph Baumgarten*
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