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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. November 2010; 22:51
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Recht:
> Entstaatlichung per Gesetz
VfGH wundert sich ueber die Staatsbuergerschaftsnovelle 2006
Das Recht hat boese Fallen und oft ist nicht klar, ob diese Fallen 
einfach passiert sind oder ob da Methode dahintersteckt. So ist es 
auch in jenem Fall, der nun dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) zur 
Beschlussfassung vorliegt. Dabei geht es um etwas, was man 
Staatsbuergerschaftsvereitelung nennen koennte
Die Beschwerdefuehrerin, damals serbische Staatsbuergerin, kam 1995 
nach Oesterreich und heiratete einen Oesterreicher. 1997 kommt ihre 
Tochter zur Welt, 1999 wurde die Immer-noch-Serbin geschieden. 2006 
sicherten ihr die Vorarlberger Behoerden die Verleihung der 
oesterreichischen Staatsbuergerschaft zu, wenn sie die Zuruecklegung 
der serbischen nachweisen kann. Im Juli 2007 konnte die Frau das 
entsprechende Papier beibringen und war damit staatenlos. Doch bevor 
sie noch die oesterreichische Staatsbuergerschaft erlangen konnte, 
ging im Oktober 2007 ihr bisheriger Arbeitgeber in Konkurs.
Und damit nahm das Unheil seinen Lauf. Aufgrund ihrer Staatenlosigkeit 
bekam sie keine neue Arbeitsbewilligung und das Innenministerium 
wollte ihr mangels Reisepass auch keine neuerliche 
Niederlassungsbewilligung erteilen. Die Vorarlberger Behoerden 
hingegen zogen die Zusage der Staatsbuergerschaft zurueck und bezogen 
sich dabei auf §10 Staatsbuergerschaftsgesetz (StbG), worin in Absatz 
1 Ziffer 7 festgelegt ist, dass die Staatsbuergerschaft nur verliehen 
werden koenne, wenn der Lebensunterhalt der betreffenden Person 
"hinreichend gesichert" sei -- was natuerlich durch die Sozialhilfe, 
die die Frau nunmehr bezog, nicht gewaehrleistet ist. Eine 
Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen binnen drei Jahren ist laut 
Gesetz definitiv ein Grund, die Staatsbuergerschaft nicht zu 
verleihen. Auch eine rechtsverbindliche Zusage hilft da nichts -- in 
einem solchen Fall ist eine Zusage nach §20 StbG zurueckzuziehen.
Was hier auch passiert ist. Die oesterreichischen Behoerden empfahlen 
der Frau, sich doch bitte wieder um die serbische Staatsbuergerschaft 
zu bemuehen, um ihr wenigstens als Auslaenderin eine 
Beschaeftigungsbewilligung geben zu koennen. Das serbische Konsulat 
beschied allerdings, dass es "keine praezise Information darueber 
geben (koenne), wie lange das Verfahren der 
Staatsbuergerschaftsverleihung dauern" werde.
Die Beschwerdefuehrerin wendete sich nun an den VfGH, da sie ja nun 
nicht schuldhaft in diese Lage geraten sei. Haette die Behoerde gleich 
nach der von ihr geforderten Zuruecklegung der serbischen 
Staatsbuergerschaft reagiert und ihre Zusage der oesterreichischen 
eingeloest, waere die Beschwerdefuehrerin nun Oesterreicherin. 
Lediglich auf Grund der mittlerweile eingetretenen Staatenlosigkeit 
sei es der Beschwerdefuehrerin unmoeglich gewesen, einen neuen Job 
anzunehmen.
Vielleicht doch Methode?
Besonderes Pech hatte die Betroffene auch mit dem Zeitpunkt ihrer 
Antragstellung. Denn im Maerz 2006 trat eine Novelle zum StbG in 
Kraft. In der Fassung des Gesetzes vor der Novellierung war noch ein 
Verzicht auf die Bedingung des gesicherten Lebensunterhalts vorhanden, 
wenn "den Fremden" "an seiner finanziellen Notlage kein Verschulden 
trifft". Interessanterweise findet sich in der Begruendung zur 
damaligen Regierungsvorlage keine Erklaerung, weswegen dieser Passus 
zu streichen waere. Zu verantworten hatte diese Vorlage das Kabinett 
Schuessel II.
Der Verfassungsgerichtshof geht nun in seine Pruefungsbeschluss 
"vorlaeufig von der Unsachlichkeit des § 20 Abs. 2 StbG aus, zumal 
dieser fuer den Fall der unverschuldet eingetretenen Notlage -- die 
entgegen anderen Voraussetzungen der Verleihung nicht in der 
Disposition des Verleihungswerbers liegt -- keine Ausnahme vom 
Widerruf des Zusicherungsbescheides vorsieht."
Und noch ein heisses Eisen
Zugleich gab der VfGH bekannt, ein weiteres 
Verordnungspruefungsverfahren einzuleiten wegen vermutlich fehlender 
zweisprachiger Ortstafeln in Kaernten. Betroffen sind 12 Ortschaften. 
Nach Einlangen der Stellungnahmen wird der VfGH entscheiden, ob die 
Bedenken tatsaechlich zutreffen. Mit den Entscheidungen ist im ersten 
Halbjahr 2011 zu rechnen.
*Bernhard Redl*
Quellen: http://www.vfgh.gv.at, https://www.ris.bka.gv.at,
Der Beschluss:
http://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/7/9/4/CH0007/CMS1288252505487/staatsbuergerschaft_widerruf_zusicherung_b1090-09.pdf
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