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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. November 2010; 23:08
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Glosse:
"Ressource" -- Die Verdraengung von Grundrechten durch die
Verwertbarkeit
Die Verwendung eines Begriffes als liberales Glaubensbekenntnis
Vor wenigen Tagen bekomm´ ich ein Mail zu einer Veranstaltung zum
Thema "Zweisprachigkeit". In Kaernten immer noch ein heisses Thema,
wenn auch nicht mehr so brisant wie noch vor 30 Jahren. Bei einem
ersten fluechtigen Durchschauen sticht mir aber ein Begriff ins Auge:
"Ressource". Es gehe um einen "Impuls fuer die Region", so der
Untertitel, um "Entwicklungschancen" und darum, "dass die
Entwicklungsperspektiven Suedkaerntens wesentlich davon abhaengen, ob
es der Region gelingt, die vorhandenen sprachlichen, kulturellen,
sozialen und wirtschaftlichen Ressourcen zu beruecksichtigen".
Nun stolpere ich in kurzer Zeit schon zum zweitenmal ueber diesen
Begriff der "Ressource", ein Wort, das noch vor kurzem noch eher in
Verbindung mit Erdoel und anderen Rohstoffen gebraucht wurde.
Migrant/innen und ihre Faehigkeiten waeren eine Ressource, kuendigt
bereits der Titel der Veranstaltung "Ressourcen im Blick" an, fuer die
die Abteilung Interkulturelle Bildung an der Universitaet Klagenfurt
verantwortlich zeichnet, an.
Schlampigkeit in der Begriffswahl? Eigentlich kaum vorstellbar bei
Menschen, bei denen gerade die praezise Verwendung von Begriffen von
der ganzen Profession her als Universitaetsprofessor/innen zum
ureigensten Feld gehoert. Sollte man meinen ...
Und dann faellt mir noch eine Veranstaltung ein, die mit aehnlichen
Begruendungen fuer die Sache argumentierte, auch wenn (noch) nicht
offen von "Ressource" die Rede war: Internationale Konferenz:
MEHRSPRACHIGKEIT (8.10.2008): "In welche Richtung muessen wir uns
selbst entwickeln, um weltoffene, selbstbewusste und
erfolgreiche »WeltbuergerInnen einer bestimmten Region« zu werden?",
hiess es da unter anderem.
Es wird also ganz offen bei Mehrsprachigkeit, beim Plaedoyer fuer
einen offeneren Zugang Migrant/innen gegenueber ... mit dem
oekonomischen Nutzen argumentiert, den die Region, der Standort oder
auch das einzelne Individuum habe. Nicht humanistische Gesichtspunkte,
Menschenrechte, gesetzlich zustehende Verpflichtungen,
Selbstverstaendlichkeiten, die einem zustehen (sollten) etc. werden
ins Feld gefuehrt, sondern die Verwertbarkeit in einer - und auch das
wird meist offen angefuehrt - globalisierten Welt / also bei
zugespitzter Konkurrenz.
Was nun nachdenklich stimmt, ist nicht etwa die Tatsache, dass die
Organisator/innen solcher Konferenzen, Diskussionsabende, Projekte
..., nicht Recht haetten: Selbstverstaendlich ist in der konkreten
Situation das Beherrschen von Sprachen von Vorteil. Nein, aus meiner
Sicht bedenklich ist, was sich da an Grundwerten verschiebt, wie sich
Menschenbilder veraendern, welche Verhaeltnisse da affimiert werden
und wie unverhohlen da Bildung als Zurechtrichtung des Menschen (und
nicht etwa als etwas zur Hinterfragung der Verhaeltnisse) praktiziert
wird.
Ueber die Ursachen dieses Wandels kann man nur spekulieren, mir fallen
zwei Erklaerungen ein:
1. Moeglicherweise ist es einfach der Versuch einer geschickten
Nutzung einer Situation, in der man mit einer Argumentation mit
Menschenrechten nicht durchkommt und man halt versucht, "den Tiger zu
reiten" und einfach etwas nutzt, um ein hoeheres Anliegen
durchzusetzen? Quasi Opportunismus aus lauteren Motiven?
2. Oder ist es einfach Bewusstlosigkeit, ist es die Durchsetzung des
liberalen Marktparadigmas in den Koepfen? Waere somit das, was frueher
einmal irgendwie oppositionell sozial-reformerisch oder
republikanisch-demokratisch war, endgueltig in der "freien
Marktwirtschaft" angekommen?
Wie dem auch sei, festzuhalten ist:
* Sprachen und andere menschliche Eigenschaften gehen als "Ressourcen"
in der grossen Verwertungsmaschinerie des Kapitalismus auf, es wird
das dominante Marktparadigma in weitere Lebensbereiche
hineinaffimiert. Damit aber verwandelt sich Sprache von etwas, mit dem
die Menschen einander begegnen, zu einer Waffe, die hilft, im
Konkurrenzkampf andere auszustechen, es wird das Naeherkommen der
Menschen mittels Sprachenlernens, dieser potenzielle Zugewinn an
Empathie und dieses Zugestehen von Grundrechten erkauft mit der
Konkurrenz der Standorte
* Die Fortschritte werden auf einer individuellen Ebene erkauft mit
der Anerkennung des Einhauens und Einstechens als Grundprinzip
menschlichen (?) Verhaltens
* sie werden erkauft mit dem Kalkuel des Profits
* sie werden erkauft mit der Bejahung eines Systems, das ueberhaupt
nur mit Wirtschaftswachstum funktionieren kann und damit einer
unglaublichen Ignoranz des Systems wie seiner Glieder, den
"weltoffenen, selbstbewussten und erfolgreichen WeltbuergerInnen",
gegenueber der Entwicklung des Globus
* sie wird erkauft mit einem Prinzip der Inhumanitaet, die
Beduerftigen ohne entsprechende Kaufkraft eben nichts gibt, auch wenn
noch so viel der Gueter vorhanden sind
* ... und was da halt noch so an Grundcharakteristika des affirmierten
Systems besteht.
WIE prekaer das Setzen auf diese Form der weltoffenen, selbstbewussten
und erfolgreichen »WeltbuergerInnen einer bestimmten Region« ist,
zeigt sich jetzt, wo dieses Erfolgsmodell ins Stottern kommt, wo die
Krise der (Erwerbs-)Arbeit sich langsam in die Mittelschichten
hineinfrisst: Da bedarf es nur eines Thilo Sarrazin, um die so ganz
und gar nicht vergangenen, sondern nur eine zeitlang in den
Hintergrund getretenen Schatten der Vergangenheit zu reaktivieren. Es
ist dann genau diese Mitte der Gesellschaft, die dann fragt, was denn
nun die "Ressource" Mensch in die Volkswirtschaft einbringe. Ist es
von da noch weit zur Feststellung, dass dieser oder jener Mensch
"lebensunwert" sei?
(Walther Schuetz, kaernoel.at)
Quelle:
http://www.kaernoel.at/cgi-bin/kaernoel/comax.pl?page=page.std;job=CENTER:articles.single_article;ID=2941
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