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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. November 2010; 23:13
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Debatten:

> Jenseits des post-autonomem Tellerrandes

Die Notwendigkeit einer neuen linken Organisierung

Martin Birkner hat auf Indymedia seine Kritik an der oesterreichischen
Linken gepostet. Dieser Text wird auch demnaechst in der Zeitschrift
"grundrisse - zeitschrift fuer linke theorie & debatte" erscheinen. In
Vorbereitung der Debatte ueber eine gesellschaftspolitische Linke am
13.November (siehe Terminkalender) drucken wir den Artikel vorab und
gekuerzt ab. (Volltext: http://at.indymedia.org/node/19333 )

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Klarerweise ueberlappen die Teilszenen die von mir nun skizzierten
Abgrenzungslinien, und nicht selten auch mehrere. Dennoch wage ich als
einer, der sich rund 10 Jahre mal mehr innerhalb, mal mehr am Rande
des Sozitops Post-Autonome getummelt habe, zu sagen, dass die
Entwicklung einer Strategie zur Ueberwindung des Kapitalismus nur
jenseits dieser Szenen moeglich ist.

Kritik der Post-Autonomen

Die "Autonome Szene" in der Einzahl gibt es nicht mehr. Ob es sie -
zumindest in Wien - so je gegeben hat, soll hier nicht thematisiert
werden, schon aber die Veraenderungen und Entwicklungen der
postautonomen Zusammenhaenge in Wien in den letzten 10, 15 Jahren. Der
Begriff "postautonom" impliziert auch schon das Problem einer genauen
Definition. Koennen zumindest fuer die "klassischen" Autonomen der
1980er-Jahre noch klare Zuordnungskriterien angegeben werden
(Notwendigkeit der Revolution, Ablehnung der Parteiform,
Internationale Solidaritaet, Militanz, Hausbesetzungen, Subkultur), so
ist dies fuer die verstreuten postautonomen (Sub)Szenen der 00er Jahre
nicht mehr so ohne weiteres moeglich.

Dennoch moechte ich im Folgenden eine Bestandsaufnahme dieser Szenen -
und zwar entlang der sie trennenden Linien - wagen. Eine dieser
Trennlinien laesst sich mit dem Begriff Klasse markieren. Waehrend der
Grossteil der Postautonomen damit nichts, aber auch gar nichts am Hut
hat, gibt es nach wie vor Teile der Szene, die sich der Klassenpolitik
verschrieben haben (anarchosyndikalistische Strukturen, Reste "alter"
autonomer Strkuturen der 80er und 90er).

Diesen Teilen ist weitgehend gemein, dass sie ueber konkrete
Arbeitskaempfe hinausgehende politische Formen der Organisierung bzw.
auch Strategiebildung ablehnen. Auch ist ihre Verbindung zur dritten
hier - wenngleich auch am Rande - zu nennenden Subszene eher marginal
ausgebildet:

Jener der frueheren Mayday- und jetzt Prekaer-Cafe-AktivistInnen.
Letztere sind staerker an postfordistischen Arbeits- und
Lebensverhaeltnissen orientiert, mehrheitlich aus akademischen Linken
zusammengesetzt und haben deutlich weniger Beruehrungsaengste zu
offiziellen gewerkschaftlichen Strukturen, die von Altautonomen sowie
AnarchosyndikalistInnen mehrheitlich abgelehnt werden.

Eine zweite wichtige Trennlinie bzw. eher ein Zugehoerigkeitsmerkmal
kann mit den Begriffen Freiraum und Wohnprojekte bezeichnet werden.
AktivistInnen dieser Stroemung setzen sich inhaltlich mit der
zunehmenden Enteignung und Ueberwachung oeffentlichen Raums
auseinander, und sind von ihrer Strategie her an der (Rueck)Eroberung
gesellschaftlicher Raeume und Gebaeude orientiert. AktivistInnen
dieser Stroemung sind theorieseitig oft von wertkritischen Ansaetzen
beeinflusst, ihre Organisierungsweisen tendieren zu selbstverwalteten
und -bestimmten Raeumen, Wohnprojekten, Wagenplaetzen und
Kostnix-Laeden.

Im Gegensatz zur oben genannten "klassenkaempferischen" Stroemung
koennte die hier beschriebene als "AussteigerInnen" bezeichnet werden.
In Kaempfen um den oeffentlichen Raum (wie z.B. der F13 Kampagne der
Boulevardzeitung Augustin) gibt es selbstverstaendlich auch
Ueberschneidungen zur oben genannten, staerker in die Gesellschaft
intervenierenden Szene, dennoch ist die hier beschriebene Stroemung
als staerker selbstbezueglich zu bezeichnen. Szeneuebergreifende
Thematiken oder Buendnisarbeit ueber die postautonome Szene hinaus ist
hier - bei aller Verschiedenheit der einzelnen Projekte - eher selten
zu finden.

Einen wichtiges und aktuell starken Zulauf findendes Themenfeld ist
jenes des Antirassismus. Hier finden sich sowohl die bereits in den
Bewegungen der 1990er ("Kein Mensch ist illegal") aktiven
AktivistInnen als auch juengere und neue Zusammenhaenge eines
linksradikalen Antirassismus. Diese staerker inter- bzw. transnational
ausgerichteten Bezuege thematisieren zwar - vor allem in letzter
Zeit - auch Arbeits- bzw. Klassenaspekte von Migrationsbewegungen,
schwerpunktmaessig sind die Aktivitaeten jedoch gegen die
Verschaerfungen des europaeischen Grenzregimes bzw. den Kampf gegen
die (Abschiebe)Lager gerichtet.

Die Kampagnen und Initiativen des antirassistischen postautonomen
Spektrums stellen einerseits aeusserst wichtige Bezugspunkte des
linken Aktivismus dar, andererseits verbleiben aber auch sie oft
innerhalb von bestimmten Grenzen, sowohl was die gesellschaftliche
Breite ihrer Kampagnen als auch die Einbettung antirassistischer
Theorie in einen (gesamt)gesellschaftskritischen Kontext betrifft.

Ein Weiteres und auch - zumindest seit den 1990ern - traditionell
autonomes Betaetigungsfeld ist jenes der Antifa. Damals aufgrund der
zunehmenden Bedrohung durch die militanten Neonazis der VAPO und des
Aufstieges der Haider-FPOe von unmittelbarer Notwendigkeit,
orientierte sich der autonome Teil des Antifaschismus bald am
deutschen Muster, sowohl was die Form (schwarz und vermummt) als auch
den Inhalt ihrer Politik (Antifa, Antifa, und nochmals Antifa) betraf.

Zwar gab es im Laufe der 1990er Jahre eine Verschiebung und
Verbreiterung des Antifa-Diskurses hin zum queer-feministischen und
auch die klassische autonome Antifa starb Ende der 90er Jahre aus,
allerdings gibt es in den letzten Jahren wieder eine verstaerkte
Aktivitaet mehr oder weniger klassischen autonomer Antifas - mit all
den problematischen Aspekten ihrer historischen Vorbilder
(Antifaschismus als Selbstzweck, kein Bezug auf andere soziale
Bewegungen jenseits eines abstrakten gebaerdenden Antikapitalismus,
Mackertum und Militanzfetisch), hinzu gesellte sich aber auch
hierzulande die grausame Unsitte des Antideutschtums.

Dies fuehrte in einigen Faellen zur Aufgabe, ja zum Bekaempfen
jeglicher Staats- und Kapitalismuskritik, solange sie nicht den
eigenen Kriterien (Israelischer Staat = Gut, PalaestinenserInnen =
Boese, USA = Gut, Linke = Boese) zu hundert Prozent gehorchten und
ganz sicher nicht breite Schichten der Bevoelkerung (= Mob = Boese)
affizierten.

In diesem Kontext waere abschliessend auch noch die universitaere
(post)autonome Linke zu nennen.

Waren die Basisgruppen in den 1980er Jahren noch linksradikale
Bezugspunkte einer Veraenderung der starren quasistaatlichen
offiziellen Interessensvertretung "Oesterreichische
HochschuelerInnenschaft", so ergaenzen sich die Strukturen der
radikalen Linken und der repraesentativ ausgerichteten
Interessensvertretungen mittlerweile bestens.

Selbst im Rahmen massiver Protestbewegungen ist die radikale Linke an
den Unis mehr als kritische Kritikerin bemerkbar denn als
radikalisierendes und Bewegungs-Element.

Die generell konstatierbare Selbstbezueglichkeit der post-autonomen
Szenen findet hier ihr Modell. Solidarische Auseinandersetzungen mit
anderen gesellschaftlichen Bereichen oder Bewegungen sind kaum zu
finden. Zwar gibt es auch hier eine starke abweichende Stroemung -
gerade die Akademie der bildenden Kuenste ist hier zu nennen, aber
auch einzelne Studienrichtungsvertretungen oder das neu gegruendete
"Linke Uninetzwerk", im

Grossen und Ganzen geben aber die zwischen buergerlichem Elitismus,
Langeweile und antideutschen Dummheiten chanchierenden Publikationen
der universitaeren Linken ein gutes Bild ihres Zustandes ab.

Eine interessante Entwicklung zeichnet sich momentan in der
queer-feministischen Szene ab. Da diese stark an
dekonstruktivistischen Theorieansaetzen orientiert ist und ja qua
Definition ein Probleme mit starren Identitaeten hat, koennte das dort
derzeit verstaerkte Interesse fuer wirtschaftliche Belange und mithin
an einer Kritik der politischen Oekonomie zu interessanten
Konstellationen bzw. Kooperationen fuehren. Ob dies auch fuer den
queer-orientierten Teil der Antifaszene gilt, ist derzeit noch nicht
ausgemacht.

Zum Abschluss dieses Teils moechte ich auf ein Zitat verweisen, in dem
ein gewisser Heinz Schenk bereits vor beinahe 20(!) Jahren das Dilemma
der Autonomen aeusserst praezise zusammenfasst: "So erklaert sich die
autonome Ghettomentalitaet: Wer sich einen politischen Prozess nicht
als eine Annaeherung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen bei
bestehenbleibender Unterschiedlichkeit vorstellen kann, sondern
glaubt, dass die ganze Welt so werden muss wie die eigene Szene, kann
nur ein instrumentelles Verhaeltnis zu anderen entwickeln."1).

Perspektiven der Organisierung

Im Folgenden moechte ich - wie ich hoffe in kritischer und
nachvollziehbarer Abgrenzung zu den Beschraenktheiten der oben
beschriebenen Szenen - eine Perspektive einer solchen Organisierung
umreissen. Das bedeutet nicht, dass die AktivistInnen und
Zusammenhaenge aus den post-autonomen Spektren darin keine Rolle
spielen - ganz im Gegenteil. Aber, und das mag wohl der zentrale
"appellative" Punkt meiner Argumentation sein, es geht darum, ueber
den Tellerrand hinaus blicken und sich letztlich auch ueber diesen
hinaus bewegen, um eine Rolle in einem kuenftigen Prozess der
Neuzusammensetzung der (radikalen) Linken zu spielen.

Folgende Aspekte erscheinen mir bei dieser Neuzusammensetzung
unverzichtbar:


1. Eine gesamtgesellschaftliche Befreiung - vulgo Revolution - kann
nur von massenhaften Bewegungen der Multitude selbst ins Werk gesetzt
werden. Dies erfordert von organisierten Linken das Sich-Einlassen auf
eine "Kritik im Handgemenge". Moralisierende Abgrenzungen und elitaere
Erhabenheitsgefuehle sind dabei ebenso (oder ehrlich gesagt noch mehr)
fehl am Platz wie ein unkritisches Fetischisieren der "Masse an sich".

Jede Massenbewegung enthaelt reaktionaere Elemente, und genau deshalb
gilt es, sich einzumischen und fuer eine Perspektive der Befreiung und
gegen regressive Stroemungen zu kaempfen. Klar kann so ein Kampf auch
verlorengehen und es ist auch nicht jede Massenbewegung als potenziell
revolutionaer einzustufen (das waere ein unzulaessiger Umkehrschluss
des ersten Satzes oben).

Ohne die (Selbst)Aktivierung von deutlich mehr Menschen, als bislang
in linken Zusammenhaengen aktiv waren oder sind, ist jedenfalls jede
politische Perspektive notwendig entweder staendisch oder elitaer.


2. Es bedarf einer revolutionaeren Strategie, die die Trennung von
Haupt- und Nebenwiderspruechen analytisch bekaempft, sie in der
politischen Praxis als unhintergehbar akzeptiert und somit erst der
kritischen Reflexion zugaenglich macht. Was bedeutet das?

Es gibt einerseits keinen gesellschaftlichen Hauptwiderspruch, der
allen anderen Widerspruechen ihre Plaetze zuweist. Vom Kapitalismus zu
sprechen bedeutet 2010 nicht, von der Zentralitaet des
Lohnverhaeltnisses zu sprechen. Selbst oekonomische
Ausbeutungsverhaeltnisse laufen mehr und mehr jenseits des
Widerspruchs von Lohnarbeit und Kapital ab, von anderen
gesellschaftlichen Widerspruechen ganz zu schweigen.

Politisch ist allerdings jede Bewegung, jede soziale
Auseinandersetzung, obwohl nicht auf einen Widerspruch reduzierbar,
letztlich durch eine Hierarchie von Antagonismen gekennzeichnet - in
der Protestbewegung gegen Blauschwarz im Jahr 2000 war die
Regierungsbeteiligung einer rechtsextremen Partei durch die Bewegung
hoeher priorisiert als der sexistische Charakter oder - zumindest
vorerst - die Verschlechterungen im Bildungswesen (obgleich diese
natuerlich eine Rolle gespielt haben.


3. Eine neue Form von Organisierung ist not-wendig, um zwischen den
konjunkturellen Aufschwuengen sozialer Bewegungen antizyklische zu
intervenieren, Errungenschaften sozialer Kaempfe zu sichern sowie in
Phasen der Staerke von Bewegungen sie miteinander in Bezug zu setzen.
Soziale Bewegungen gehorchen eigenen Rhythmen, sie koennen nicht von
Parteien oder Organisationen ins Werk gesetzt, nicht "begonnen"
werden.

Gerade das macht ihre besondere Dynamik aus und sie fuer die
Herrschenden nur schwer kalkulierbar. Diese Tatsache gilt es
anzuerkennen, und es ist auch weder sinnvoll noch durchfuehrbar
(ausser bei Bewegungen im Abschwung), sich als organisierte
Gruppierung an "die Spitze" der Bewegung zu setzen, wie dies die
KaderInnenorganisationen (von TrotzkistInnen bis zur OeH) so gerne tun
moechten. Dagegen gilt es den Eigensinn (Negt/Kluge) sozialer
Bewegungen anzuerkennen und innerhalb um Positionen zu ringen, sich
gleichwertig an allen Facetten der Bewegung zu beteiligen (nicht nur
an den "wegweisenden" Entscheidungen in den wichtigen Plenas, sondern
z.B. auch an der Volxkueche) und vor allem verschiedene Kaempfe bzw.
verschiedene Aspekte einer Bewegung miteinander in Beziehung zu
setzen.

Nur so kann die radikale Linke sich Positionen erarbeiten und auf eine
Fokussierung auf den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang
hinarbeiten, ohne sich mittels abstrakten Avantgardismus selbst zu
diskreditieren.

Andererseits gilt es auch anzuerkennen, das soziale Bewegungen nicht
voellig aus dem Nichts beginnen. Oft sind es die kleinen und kleinsten
Formen sozialer Netzwerke, Diskussionsgruppen und auch politischer
Organisationen, die in Zeiten der Flaute die Flamme am Koecheln
halten. Genau hier setzt die eigentliche Wichtigkeit einer neuen
Organisierung an. Gerade in ruhigen Zeiten existiert "mehr Zeit" um
sich theoretische Positionen kritisch anzueignen, um mit neuen Formen
des Umgangs untereinander zu experimentieren, Theorie zu produzieren
oder internationale Kontakte zu knuepfen und zu verstetigen. Einen
kollektiven Selbstverstaendigungsprozess ueber "Was bedeutet es, den
Kapitalismus zu ueberwinden" in Gang zu setzen, und zwar in Theorie
und Praxis, das ist die vordringlichste Aufgabe einer neuen
Organisierung. Damit eng verknuepft ist der vierte Punkt:


4. Die Form der Organisierung muss ihre Lehren sowohl aus den
gescheiterten und letztlich autoritaer verfassten Modellen der
(leninistischen) Parteien als auch aus der zu Selbstisolation und
gesellschaftlicher Bedeutungslosigkeit tendierenden Ausrichtung an
einzelnen gesellschaftlichen Teilbereichen ziehen. Dabei darf
Basisdemokratie nicht zum Fetisch verkommen, gleichermassen aber nicht
am Altar einer vermeintlich groesseren politischen Effektivitaet
geopfert werden. Mittel und Zweck einer derartigen Form politischer
Kollektivitaet ist die Ermaechtigung der bzw. des Einzelnen zum
gemeinsamen Handeln. "Technische" Hilfsmittel wie Rotationsprinzip,
jederzeitige Abwaehlbarkeit, geschlechtergerechte Moderationskriterien
sind dabei zwar unverzichtbare Hilfsmittel, koennen aber eine
grundsaetzliche Bereitschaft zum "Ueberspringen des eigenen Schattens"
nicht ersetzen. Dieses "Sich-auf-die-Anderen-Einlassen" und nicht um
jeden Preis auf der 1000%ig richtige Position zu beharren, ein
grundlegendes Vertrauen auf die Faehigkeiten der GenossInnen und die
Anerkennung der untrennbaren Verknuepfung von Organisationsform und
angestrebter gesellschaftlicher Transformation sind die eigentlich
zentralen Aspekte einer Form der Organisierung, die aus den Fehlern
der Vergangenheit ("Demokratischer Zentralismus" beispielsweise)
zumindest ein wenig klueger hervorgehen moechte

Dies beinhaltet auch eine doppelte Kritik an der Parteiform: zum einen
hinsichtlich ihrer hierarchischen Form, die sich notwendiger Weise aus
der Gerichtetheit auf die Institutionen der repraesentativen
Demokratie ergibt, zum andern angesichts der unumkehrbaren Tendenz der
Erosion des repraesentativ-demokratischen Systems. Dies bedeutet
nicht, Wahlen zu ignorieren oder sich notwendig defaetistisch zu ihnen
zu verhalten, andererseits aber auch nicht, sich
Minderheitenfeststellungen auszusetzen. Die gegenwaertige Krise des
Kapitalismus bzw. die staatspolitischen Versuchen ihrer Ueberwindung
auf Kosten breiter, d.h. armer Bevoelkerungsschichten verdeutlicht
noch einmal die Notwendigkeit und vor allem auch die Dringlichkeit
organisierter Gegenwehr. Obwohl sich abzeichnet, dass trotz
vereinzelter Widerstaende die Krisenbewaeltigung ausschliesslich auf
Kosten der Armen betrieben wird, eroeffnet die gegenwaertige
Transformationsperiode doch antikapitalistische
(Handlungs)Perspektiven.

Noch nie seit 1989 war der Kapitalismus so diskreditiert wie heute.
Wie unzureichend auch immer die Deutungsmuster der Krise auch sind,
die Tendenz zeigt in Richtung einer Infragestellung des ganzen
Systems; und auch wenn - oder gerade weil - autoritaere, d.h. vor
allem protektionistische und/oder rassistische Antworten der Politik
auf die Krise hegemonial sind, ist eine stringente und letztlich eben
auch organisierte Antwort von links notwendig.

Eine Antwort, die zunaechst kollektiv und solidarisch Fragen stellt,
zum Beispiel wie ein Ausweg aus der Krise die politische,
oekonomische, subjektive und oekologische Dimension gemeinsam
artikulieren und jenseits eingefahrener Muster der repraesentativen
Demokratie aussehen kann. Seit dem Herbst 2009 gibt es in Wien und
einigen anderen Staedten in Oesterreich Diskussionen zur Schaffung
einer solchen Organisierung. Das temporaer - und nicht gaenzlich
unironisch - auf den Namen "Superlinke" (2) getaufte Projekt ist der
Versuch, jenseits von klar abgegrenzten Projekten einerseits und einer
Organisation in Parteiform andererseits, eine Form der gemeinsamen
Organisierung zu finden, in der sich Verbindlichkeit und Lust,
Dezentralismus und Kollektivitaet nicht ausschliessen, sondern im
Gegenteil gegenseitig verstaerken.

Der Horizont, aber auch das Mass unseres gemeinsamen politischen
Handelns ist dabei die Ueberwindung jeglicher Herrschaft des Menschen
ueber den Menschen, oder, mit Marx gesprochen "alle Verhaeltnisse
umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes,
ein verlassenes, ein veraechtliches Wesen ist". Was die Superlinke
jedenfalls hinter sich lassen will - und auch muss, will sie sich dem
selbst gesetzten Anspruch "eine Linke mit gesellschaftlicher
Bedeutung" zu werden zumindest annaehern - ist jede Art von
moralischer Ueberlegenheit und theoretisch fundierter
Ueberheblichkeit. Auch deshalb wird der Prozess einer neuen
Organisierung wohl auch der einer Suche nach einer anderen Sprache
sein muessen

Dies bedeutet nicht, als Wahlalternative oder Partei sich
konstituierenden Projekten um jeden Preis zu kritisieren oder
gleichgueltig gegenueberzustehen. Ausgemacht scheint jedoch, dass ein
ueber szeneinterne Diskussionszirkel hinausgehendes Projekt zumindest
signifikante Minderheiten von den Gruenen, der SPOe und/oder
gewerkschaftlichen Strukturen loseisen muesste.

Beim "1. Ratschlag fuer eine Linke mit gesellschaftlicher Bedeutung"
im Juni 2010 wurde das Projekt Superlinke erstmals einer breiteren
(linken) Oeffentlichkeit vorgestellt und erste Komitees gegruendet.
Die Grundidee ist, das autonom agierende Komitees sich spezifischen
gesellschaftlichen Bereichen bzw. Fragestellungen widmen (derzeit gibt
es Komitees zu Antirassismus, Arbeit und Prekarisierung, "Krise &
Revolution" sowie "Kritik imperiale Lebensweise"). Bei Gesamtplenas
tauschen sich die AktivistInnen ueber die Aktivitaeten und moegliche
gemeinsame Projekte mehrerer Komitees aus. Weiters existiert ein
Organisierungs-Komitee, welches fuer alle offen ist, in dem sich aber
jedenfalls die Finanz-, Oeffentlichkeitsarbeits- und
Webverantwortlichen sowie Delegierte aus allen Komitees
zusammenfinden, um ueber moegliche gemeinsame Kampagnen zu diskutieren
und die Aktivitaeten der Organisation koordinieren.

Fuer Anfang 2011 ist ein 2. Ratschlag geplant, bei dem einerseits eine
Zwischenbilanz ueber die bisherige Aktivitaet der Superlinken gezogen
werden soll, aber auch inhaltliche Diskussionen ueber die
Not-wendigkeit einer Alternative jenseits von neoliberalem
Kapitalismus vs. Green New Deal stattfinden sollen. Ausserdem wird es
notwendig sein, eine groessere Breite auch innerhalb des Bassins der
gesellschaftlichen Linken im Prozess der Superlinken zu erreichen; vor
allem Bildungspolitische AktivistInnen sind derzeit nur sehr am Rande
involviert, aehnliches gilt fuer FeministInnen. Die naechsten Monate
werden jedenfalls zeigen, ob das Projekt Superlinke eine Dynamik
entwickeln kann, die eine groessere Zahl von Menschen fuer eine
Mitarbeit attrahiert. Dies kann nur ueber die Taetigkeit und
Neugruendungen von Komitees passieren, und erst wenn dieser Sprung
geglueckt ist, liesse sich ueber die Gruendung einer Organisierung
laut nachdenken

Erst wenn auf breiter Ebene ein Konsens ueber die konkrete Ausrichtung
als auch ueber die konkrete Ausformung einer kuenftigen Organisierung
erreicht worden ist, steht ein weiterer Schritt Konkretisierung bevor.
Dies waere mit Sicherheit verbunden mit der Diskussion ueber Namen und
gemeinsamen Auftreten

Zuvor aber erwarten uns die "Muehen der Ebene", die wir aber mit
gemeinsamen Stadtbegehungen, Diskussionsveranstaltungen und ersten
Kampagnen der Komitees uns - und hoffentlich auch euch - so wenig
muehsam wie moeglich gestalten moechten. Skeptisch beobachten war
jedenfalls gestern!
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1) Heinz Schenk: Die Autonomen machen keine Fehler, sie sind der
Fehler!, in: Geronimo u.a. (Hg.): Feuer und Flamme 2, Kritiken,
Reflexionen und Anmerkungen zur Lage der Autonomen, Edition ID-Archiv,
Berlin, 1992, S. 174f

2) http://www.superlinke.org



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