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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. November 2010; 22:46
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Debatten

> Oesterreichische Verhaeltnisse

Launische Gedanken zum Sparpaket und den Widerstand dagegen

Sparpaket. Wieder einmal. Das wievielte Sparpaket seit dem
"Mallorca-Paket" 1983 ist das jetzt eigentlich? Alle zwei, drei Jahre
kommt ein neues, hin und wieder ist eines davon mit ein paar Zuckerln
vor der darauffolgenden Wahl wieder abgeschwaecht worden, aber
zurueckgenommen wurden sie nie. Nach den Zustaenden, wie sie nach dem
Inkrafttreten des Sparpakets von 1987 geherrscht haben, muss man sich
heute ja schon richtig zuruecksehnen. Im Prinzip muesste Oesterreich
doch schon laengst "gesundgespart" worden sein.

Nein, so ist es eben nicht. Und bei jedem Sparpaket kam wieder die
Forderung, man muesste das doch eigentlich "Belastungspaket" nennen,
weil ersparen tun wir uns dabei ja nichts. Trotzdem setzte sich auch
diesmal der Name "Sparpaket" durch. Die Definitionsmacht liegt halt
immer bei den Herrschenden. Und noch schoener fuer die Regierung: Fast
alle reden nur von der Familienbeihilfe, vielleicht noch ein bisserl
vom Pflegegeld, aber das wars dann schon. Pflegegeldbeziehende koennen
oft nicht so leicht auf die Strasse gehen, also protestieren nur die
Studierenden. Wenn man denen jetzt ein paar Zugestaendnisse macht,
kann die Regierung den Protest als ueberwunden ansehen. Den Rest
erledigt Vox Populi, die sowieso nicht einsieht, warum diese
verwoehnten Fratzen protestieren, schliesslich muessen wie ja alle
sparen. Wunderbar.

Aber dieses Belastungspaket ist ja auch wirklich gerecht. Wenn man
unter "gerecht" versteht, dass jeder draufzahlt. Oder fast jeder, denn
bei der Reform der Stiftungsbesteuerung und den Steuern auf andere
Anlageformen der Begueterten wird es sicher noch genuegend
Schlupfloecher geben, die die Steuerberater im Null komma nix entdeckt
haben werden -- da kann man sicher sein. Waehrend rauchende Pendler,
die einen Sohn in der Lehre und eine Tochter an der Uni haben,...
naja, denen bleibt nichts erspart. Auch beim Zivildienst wird gespart,
was wohl sowohl die Zuvieldiener selbst als auch die
Traegerorganisationen treffen wird. Hingegen riecht so manches
ueberhaupt danach, als ginge es hier gar nicht ums Sparen. Der
Verzicht auf den Ethik-Unterricht zum Beispiel, wo der Spareffekt eher
gering ausfallen duerfte, oder gar die Streichung jener Projekte, die
das Sitzenbleiben in der Schule hintanhalten sollten (wie eben zum
Beispiel kleinere Klassen). Da werden die Einsparungen wohl eher
Verteuerungen sein, da ja wohl bekannt sein duerfte, dass das
Sitzenbleiben eine enorme Belastung fuer die Schulbudgets ist. Aber
egal, wenn die OeVP gesellschaftspolitische Forderungen nicht mehr mit
sinnvollen Argumenten blockieren kann, dann verhindert sie
Modernisierungen eben mittels Sparstift. Herr Faymann laechelt nur
dazu und laesst seine Unterrichtsministerin wieder einmal im Regen
stehen. Voellig egal ist ihm wohl auch -- und da weiss er leider zu
Recht fast die gesamte Bevoelkerung auf seiner Seite --, dass das
ohnehin laecherliche Budget fuer die Entwicklungszusammenarbeit noch
einmal reduziert wird.

Ich traf einen lieben Freund bei der Demo, der sich fuerchterlich
aufregte. Wenn man sich in Frankreich anschaue, was dort passiere, im
Gegensatz zu dem, was hier passiere: Reine Klientelpolitik, keine
allgemeinpolitischen Themen oder Solidarisierungen mit anderen
Bevoelkerungsgruppen! Prima vista muss ich ihm recht geben, bis auf
ein paar K-Gruppen war da kaum jemand ueber 30 und fast nur der
Protest gegen jene Teile des Pakets, die die Studierenden betreffen.

Aber ist das die Schuld der jungen Leute? Schliesslich hatten nicht
nur Unibrennt und die OeH zu dieser Demo mobilisiert, sondern auch
etliche, nicht gerade unwichtige "Erwachsenen"-Organisationen.
Letztlich konnte nicht einmal der OeGB umhin, doch noch zu dieser Demo
aufzurufen. Doch wo waren denn dann alle die Angehoerigen anderer
Bevoelkerungsschichten? Der Beginn um 16 Uhr an einem Donnerstag mag
unguenstig gewesen sein, doch die Demo dauerte noch ziemlich lange und
die "Normalarbeitszeit" ist fuer viele schon lange keine
Normalarbeitszeit mehr.

Dass die Studierenden vor allem fuer ihre eigenen Anliegen auf die
Strasse gehen, ist nur allzu verstaendlich. Die Arbeiterbewegung war
auch nur Klientelpolitik, daran ist per se nichts Schlechtes. Die
Nichtstudierenden haetten andere Anliegen einbringen koennen und sie
waren sogar explizit dazu aufgerufen. Nur: Sie waren nicht da.

Und da hakt es: Trau keinem ueber 30! Ein allgemeiner Protest gegen
ein allgemeines Belastungspaket ist nicht drinnen. Ja, natuerlich,
irgendwann einmal kommt man zur Erkenntnis, dass Protest in diesem
Land sinnlos sein duerfte. Kann man auch verstehen. Und dann gehen sie
hin, die Unzufriedenen, schimpfen auf die "faulen Studenten" und
waehlen Strache. Das ist ihre Form des Protests.

All das ist traurig. Wenn man dann aber von einem anderen Freund eine
Aussendung bekommt mit dem Titel "Proteste gegen ´Sparpaket´ dehnen
sich aus!" muss man sich fragen, ob die Linke glaubt, mittels
Zweckoptimismus Protest schaffen zu koennen. Auch andere Aussendungen,
wo wie seit jeher drinnensteht: "Wir brauchen jetzt..." -- "...eine
gemeinsame starke Partei", "...einen Schulterschluss von
SchuelerInnen, Studierenden, Lehrlingen und ArbeiterInnen" oder gar
"...einen Generalstreik", sind nicht gerade dazu angetan, Vertrauen in
den Realitaetssinn unserer lieben Genossen zu entwickeln.

Seien wir froh, wenn wenigstens die Studierenden eine kurze Zeit lang
laut sind. Wir leben nunmal in Oesterreich...
*Bernhard Redl*



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