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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 26. Oktober 2010; 23:22
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Buecher:
> Mehr als die permanente Revolution
Leo Trotzki
Denkzettel
Politische Erfahrungen im Zeitalter der permaneten Revolution.
Herausgegeben von George Novack und Helmut Dahmer.
Wien 2010. 494 Seiten. 24 Euro
Der "Denkzettel" verschafft einen hervorragenden Ueberblick ueber 
das -- stets im praktischen politischen Leben verankerte --  
theoretische Schaffen des Vorsitzenden des Petrograder Sowjets 1905, 
des Organisators des Oktoberaufstands 1917 und der Roten Armee.
Die praktische Rolle Trotzkis im Verlauf der russischen Revolutionen 
und beim Aufbau der jungen Sowjet-Union ist weitgehend bekannt. Auch 
seine politischen Schriften zur "permanenten Revolution" und zum 
sowjetischen "Thermidor" -- seine fundierte Abrechnung mit der 
stalinistischen Buerokratie -- haben einen gewissen Bekanntheitsgrad. 
Weit geringer ist der Informationsstand darueber, dass Trotzki von 
fruehester Jugend an ein herausragender Theoretiker war -- in einer 
stupenden Breite: von Politik und Oekonomie, ueber soziale und 
"Alltagsfragen" (er schrieb darueber ein Buch!), bis hin zu Kunst, 
Literaratur, Wissenschaft und Philosophie. Der neuaufgelegte 
"Denkzettel" (mit einer Einleitung von Alan Woods) kann dazu beitragen 
diese Luecke zu verkleinern.
Als der erste Weltkrieg tobte und der Grossteil der Fuehrungen der 
Arbeiterinnenbewegung mit jeweils "ihrer" Bourgeoisie marschierte, 
traf sich 1915 in Zimmerwald in der Schweiz eine kleine 
internationalistische Linke und optierte gegen des Mordbrennen (auch 
Lenin war darunter). Der Verfasser des dort beschlossenen 
"Zimmerwalder Manifests" war niemand andere als Leo Trotzki .
Waehrend die bolschewistische Fuehrung (Kamenjew, Stalin,...) sich 
waehrend der Februarrevolution 1917 lange im Schlepptrau von Kerenski 
& Co. befand, vertrat Trotzki unmissverstaendlich die Position des 
Bruchs mit der Bourgeosie. Erst mit der Rueckkehr Lenins und seinen 
legendaere April-Thesen "Alle Macht den Raeten" setzte ein Kurswechsel 
in der Partei ein.
Wer ueber den -- widerspruechlichen -- Verlauf der chinesischen 
Revolution etwas erfahren will, ist beim "Denkzettel" richtig. Stalin 
und die Kommunistische Internationale hatten den chinesischen 
Kommunistinnen die Zwangsjacke eines langfristigen Buendnisses mit 
der"forschrittlichen nationalen Bourgeosie" verpasst. Trotzki 
kritisiert diese Strategie. Der reale Verlauf der chinesischen 
Revolution sollte ihm recht geben.
Ein Glanzstueck sind die Beitraege Trotzkis zu einer materialistischen 
"Psychologie der Revolution": der Sieg des Stalinismus (obwohl alles 
andere als eine "Notwendigkeit"; denn es GAB Alternativen) war keine 
simple "Verschwoerung". Er hatte tiefe politische, oekonomische aber 
auch psychologische Ursachen: das Ausbleiben der internationalen 
Revolution, die Erschoepfung der (revolutionaeren) Massen, die 
Sehnsucht nach "Ruhe".
Das Augenmerk ist auch auf das "Gesetz der ungleichzeitigen und 
kombinierten Entwicklung" zu richten. Die spaeterkommenenden Nationen 
ahmen nicht sklavisch ihre Vorlaeuefer nach. In relativ kurzer Zeit 
uebernehmen die "Neuen" etwa industrielle Entwicklungen ( z.B. das 
wilhelminische Deutschland). Die Putilow-Werke im zaristischen 
St.Peterburg hatten mit 40.000 Beschaeftigten ein hochkonzentriertes 
Proletariat -- eine enorme Schubkraft fuer die sich abzeichnende 
Revolution.
Ein Leckerbissen sind die erkenntnistheoretischen Reflexionen ueber 
die Beschraenkheit der formalen Logik und die Notwendikeit einer 
dialektischen Logik, die die starren Begriffe in Bewegung versetzt, 
"verfluessigt".
Insgesamt eine wunderbare Auswahl. Natuerlich kann da nicht "alles" 
drinnen sein -- etwa Trotzkis Beitraege zur "Akkumulationsdebatte" in 
der Sowjetunion; Schriften die heute nuetzlich sind, wo GenossInnen 
China auf Grund seiner extremen "Marktpolitik" bereits als 
"kapitalistisches und imperialistisches Land" einstufen. Trotzki waere 
hier ein gutes Korrektiv.
Mein einziger Wunsch: Hoffentlich wird das Buch oft gekauft und 
intensiv gelesen.
*Hermann Dworczak*
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