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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. September 2010; 22:55
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  Lateinamerika:
  
  > Bewegt sich der "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" nach rechts?
  
  Am 9. August fand der Internationale Tag der Indigenen Voelker statt. 
  Zu diesem Anlass wurde ein deutlicher Rueckschritt hinsichtlich der 
  Respektierung indigener Rechte in verschiedenen Laendern 
  Lateinamerikas festgestellt. Das zumindest meinten Navi Pillay, die 
  UN-Hochkommissarin fuer Menschenrechte sowie Bartolomé Clavero, 
  Vizepraesident des Staendigen Forums der Vereinten Nationen fuer 
  indigene Fragen.
  
  Die Staaten, die von linken oder Mitte-links-Parteien regiert wuerden, 
  haetten sich deutlich von den USA distanziert und Lateinamerika so zu 
  einer relativ autonomen geopolitischen Machtposition auf der 
  weltpolitischen Buehne verholfen. Ihre groesste politische 
  Errungenschaft sei es, die indigenen Bewegungen in ihren Reihen 
  aufgefangen und deren Recht auf Autonomie ihres politischen und 
  sozialen Lebens anerkannt zu haben, unterstrich der Soziologe Immanuel 
  Wallerstein.
  
  Bei der Verwirklichung der Rechte der indigenen Voelker habe es 
  Fortschritte gegeben, und das sei ein Grund zum Feiern, konstatierte 
  die Hochkommissarin Navy Pillay. "Dennoch ist der Internationale Tag 
  der Indigenen Voelker auch ein Anlass, uns zu erinnern, dass wir uns 
  mit dem Erreichten nicht zufrieden geben koennen. Die fortgesetzten 
  Verletzungen der Rechte indigener Voelker in allen Teilen der Welt 
  verdienen unsere groesste Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft."
  
  Nach Ansicht von Pillay bestehe nach wie vor ein tiefer Abgrund 
  zwischen den Prinzipien der UN-Erklaerung ueber die Rechte Indigener 
  Voelker und ihrer Umsetzung, da Indígenas weiterhin Diskriminierung 
  und Marginalisierung, extreme Armut und Vertreibung von ihren 
  traditionellen Laendereien erfuehren. Auf ihre Besorgnis um die Umwelt 
  werde mit Gleichgueltigkeit reagiert. Auch seien sie noch immer nicht 
  ausreichend an Entscheidungsprozessen beteiligt.
  
  Nach Meinung Claveros habe sich im letzten Jahr "die Situation 
  verschlechtert, sogar in den Staaten, in denen es wichtige 
  konstitutionelle Anerkennungen gegeben hat". Er fuehrte diesen 
  Rueckschritt auf den Druck zurueck, den transnationale Unternehmen 
  ausuebten, die sich der Ausbeutung natuerlicher Ressourcen widmeten 
  und dabei die Rechte indigener Voelker ignorierten.
  
  Die PolitikerInnen der Region haetten sich von der Logik der 
  "Entwicklung um jeglichen Preis" transnationaler, Rohstoff 
  ausbeutender Unternehmen "verblenden" lassen, betonte Clavero. Dies 
  sei der Fall in Peru, einem der Laender mit den meisten gewaltsamen 
  Konflikten gegen die alteingesessenen Voelker, gefolgt von 
  Argentinien, Brasilien, Chile und Ecuador.
  
  Das Hauptanliegen der "fortschrittlichen" Regierungen sei die 
  oekonomische Entwicklung mittels einer groesseren Kontrolle ueber die 
  eigenen Ressourcen und eintraeglicherer Abkommen mit den Unternehmen. 
  Die indigenen Bewegungen hingegen forderten mehr Kontrolle ueber die 
  in ihren Territorien liegenden Naturvorkommen sowie ein besseres 
  Verhaeltnis zu den eigenen staatlichen Regierungen. Ihr Ziel sei nicht 
  das wirtschaftliche Wachstum, sondern ein harmonisches Zusammenleben 
  mit der Pachamama, der Mutter Erde. Aus diesem Interessenkonflikt 
  resultiere die Auseinandersetzung zwischen den indigenen Bewegungen 
  und den Mitte-links-Regierungen in Brasilien, Venezuela, Ecuador und 
  selbst Bolivien, erklaerte Wallerstein.
  
  Auch Clavero zeigte sich ueberrascht von den politischen 
  Veraenderungen in Teilen der "rechten und linken Mitte", welche 
  begonnen habe, "die indigene Praesenz zu unterschaetzen" und 
  auslaendischen Unternehmen den Zugang zu Laendereien zu erleichtern.
  
  Die Praesidenten Rafael Correa, Evo Morales und Hugo Chávez 
  erklaerten, in Richtung des Sozialismus des 21. Jahrhunderts zu 
  marschieren. In Wahrheit jedoch verfestigten sie den 
  'Neo-Extraktionismus' des 21. Jahrhunderts, kritisierte der 
  ecuadorianische Wirtschaftswissenschaftler Alberto Acosta. Es sei 
  ziemlich einfaeltig, mehr von demselben zu machen und zu glauben, dass 
  sich die Ergebnisse aenderten, einfach nur weil heute sie diese 
  Umwaelzungsprozesse anfuehrten.
  
  Fuer Pillay sind die politische Verfolgung und Schikane der 
  Organisationen zur Verteidigung indigener Rechte besonders 
  bestuerzend. Ihre grosse Sorge ist die Kriminalisierung der indigenen 
  Bewegungen, welche die Rechte zur territorialen Selbstbestimmung und 
  zur vorhergehenden Befragung einfordern.
  
  Die linken Parteien neigten dazu, indigene Gruppen zu beschuldigen, 
  als Marionetten der rechten Parteien und bestimmter externer Kraefte, 
  vor allem den USA, zu handeln. Morales und Correa diffamierten 
  "Verschwoerer, die von den Think Tanks, Nichtregierungsorganisationen 
  und transnationalen Firmen der extremen Rechten sowie von 
  Geheimdiensten finanziert" wuerden.
  
  Tatsaechlich agierten die "linken" Regierungen so, wie die 
  konservativen Regierungen der Vergangenheit gehandelt haetten, ohne 
  wirklich ueber die oekologischen Konsequenzen des 'Neo-Extraktionismus' 
  nachzudenken. Fuer Acosta hat der Sozialismus des 21. Jahrhunderts 
  einige fundamentale Elemente verloren. So sei der Klassenkampf zu 
  einer rhetorischen Uebung verkommen, inkonsequent und fehlgeleitet.
  (bolpress/poonal)
  
  Quelle: http://www.npla.de/de/poonal/2983
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