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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. September 2010; 22:35
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  Reportage:
  
  > Salzbaron und Menschenfeind
  
  Der Arbeitskonflikt in der Saline Ebensee
  (Ein Bericht des "Funke")
  
  Dunkle Wolken haengen ueber dem Salzkammergut. Das duestere Wetter 
  passt zur Stimmung in Ebensee, dieser roten Hochburg mit langer, 
  kaempferischer Tradition. Der Ort steht und faellt mit dem 
  Salzbergbau, der eine lange Geschichte in der Region hat. Die 
  "Pfannhaeuser", wie die SalinenarbeiterInnen respektvoll genannt 
  werden, praegen seit jeher Ebensee. Beim "Konsum", der als 
  Genossenschaft gefuehrten Supermarktkette, die es hier im 
  Salzkammergut noch immer gibt und wo Kindheitserinnerungen lebendig 
  werden, erklaert mir eine Frau den Weg zur Saline, die etwas 
  ausserhalb des Orts liegt.
  
  Bei der Abfahrt von der Bundesstrasse werde ich aufgehalten. Ein 
  Arbeiter fragt mich, wohin ich will. Ich antworte, dass ich ueber den 
  Arbeitskampf in der Saline berichten moechte. Er winkt mich durch. Auf 
  der Zufahrt zur Saline stehen Plakatstaender, auf denen gegen die 
  Willkuer im Betrieb und gegen die Kuendigung eines Betriebsrats 
  protestiert wird.
  
  Vor dem Betrieb stehen neuerlich einige Arbeiter und halten die 
  ankommenden Fahrzeuge auf. Die Werkseinfahrt wird von anderen 
  "Ordnungshuetern" bewacht. Ein privater Sicherheitsdienst hat Stellung 
  bezogen.
  
  Vor dem Werk hat die Gewerkschaft eine kleine Buehne aufgebaut. Das 
  Rote Kreuz ist mit einem Wagen gekommen und bereitet die Verpflegung 
  fuer die Betriebsversammlung vor. Ich versuche mit den Arbeitern ins 
  Gespraech zu kommen, die auf ihre KollegInnen warten, die gerade 
  Schicht haben und noch im Werk sind. Sie sind aber nicht sehr 
  gespraechig und verweisen auf den Betriebsrat. Dann kommt aber doch 
  ein Kollege zu mir her und erzaehlt ueber die Hintergruende des 
  Konflikts bei der Saline. Mit der Aktion wolle der Betriebsrat die 
  Geschaeftsfuehrung davon ueberzeugen, wieder auf ein gutes 
  Betriebsklima hinzuwirken. Die Saline drohe unterzugehen, wenn die 
  Belegschaft weiter so schlecht behandelt wird. Er erzaehlt mir, dass 
  rund 240 Menschen im Werk ihren Arbeitsplatz haben. Der Eigentuemer 
  ist seit der Privatisierung Salzbaron Hannes Androsch gemeinsam mit 
  der Raiffeisenbank. In Ebensee residiert Herr Maix an der Spitze des 
  Vorstands der Salinen AG, der Schwiegersohn von Androsch. Ein Kollege 
  wirft ein: "Was halt zu wenig Qualifikation fuer so eine Position 
  ist." Jedenfalls sei die heutige Betriebsversammlung erst der Anfang 
  in diesem Konflikt. Erste Wirkung habe der Protest schon gezeigt. Der 
  "Tag der offenen Tuer" wurde von der veraengstigten Geschaeftsleitung 
  kurzfristig abgesagt. Ich bedanke mich fuer die ersten Informationen 
  und wende mich dann zwei jungen Arbeitern zu. Heute haetten sie 
  eigentlich frei, aber es sei wichtig, ein Zeichen zu setzen - deshalb 
  sind sie trotzdem gekommen. Was sie im Betrieb stoere? "Das 
  Schichtzeitmodell, das macht einen fertig", antwortet der eine. Sein 
  Kollege stoesst nach: "Die Schichtarbeit ist so anstrengend, dass ich 
  den ersten von meinen zwei freien Tagen ganz verschlafe. Es ist auch 
  schon oefters vorgekommen, dass man von der Schicht heimkommt und nach 
  zwei Stunden einen Anruf aus dem Werk erhaelt, dass man noch mal 
  kommen solle, um Ueberstunden zu machen. Aber das Aergste ist der 
  Umgang der Vorgesetzten mit uns Arbeitern. Staendig wird gedroht, dass 
  sie einen versetzen. Einmal ist bei einer Maschine was kaputt 
  gegangen, da haben sie einem Kollegen gleich gesagt, dass er beim 
  naechsten Mal eine abfangt."
  
  Dann frage ich eine juengere Kollegin zu ihren Erfahrungen. Sie ist 
  Angestelltenbetriebsraetin. Mehr kann sie nicht sagen. Sie ist 
  sichtlich angespannt und kaempft sogar mit den Traenen. Vor der 
  Versammlung koenne sie leider keine Stellungnahme abgeben.
  
  Jetzt kommen aus dem Werkstor die ArbeiterInnen, die gerade Schicht 
  haben. Etwas dahinter auch die Angestellten. Der Platz vor der Buehne 
  fuellt sich schoen langsam. Neben den Belegschaftsangehoerigen waren 
  auch viele ehemalige "Pfannhaeuser" sowie eine Reihe von 
  SozialdemokratInnen aus Ebensee gekommen. Ein Mann erzaehlt mir, dass 
  er vor kurzem ebenfalls rausgeschmissen wurde. In mehreren Abteilungen 
  werde systematisch Personal ausgetauscht. Immer mehr LeiharbeiterInnen 
  ersetzen ehemaliges Stammpersonal. Er sei gekommen, um seine 
  Solidaritaet mit den ehemaligen KollegInnen zu zeigen.
  
  Waehrend die Belegschaft auf die beiden Vertreter der Gewerkschaft 
  wartet, die noch ein Gespraech mit der Geschaeftsleitung fuehren, 
  frage ich einen Lehrling, wie er die Arbeitssituation in der Saline 
  sieht. "Zuerst wurden wir neuen Lehrlinge gross begruesst, aber den 
  Staplerschein wollten sie uns nicht zahlen. Der kostet aber 240 Euro. 
  Die Kollegen haben dann aber zusammengelegt, der Betriebsrat hat diese 
  Spendenaktion auch unterstuetzt."
  
  Die Betriebsversammlung
  
  Mit einer halben Stunde Verspaetung beginnt dann die 
  Betriebsversammlung. Der Angestelltenbetriebsrat begruesst alle 
  TeilnehmerInnen und uebergibt dann dem 
  ArbeiterInnen-Betriebsratsvorsitzenden Karl-Heinz Klausner das Wort. 
  Dieser wurde erst vor einigen Monaten gewaehlt. Er berichtet, dass er 
  von Anfang an das Gespraech mit dem Vorstand gesucht habe, diese 
  Aktion sei ganz im Interesse des Unternehmens, weil die Saline nur 
  Zukunft habe, wenn die ArbeiterInnen sich mit ihrem Arbeitsplatz 
  identifizieren koennen. Der Umgang der Geschaeftsleitung mit den 
  ArbeiterInnen im Werk sei aber untragbar. Deshalb wurde diese 
  Betriebsversammlung zur Notwendigkeit. Der Betriebsrat wolle die 
  gesamte Belegschaft ueber die Missstaende in der Saline informieren 
  und eine Resolution zur Abstimmung bringen, mit der die 
  Geschaeftsleitung wieder an den Verhandlungstisch gebracht werden 
  soll.
  
  Die Vertreter der PROGE und der GPA-djp berichten dann von ihren 
  Gespraechen mit den Herren Androsch und Maix, die sich gegen jede 
  Einmischung seitens der Gewerkschaft wehrten und die Betriebsraete als 
  "faule Aepfel" (!) bezeichneten, die ausgesondert werden muessen, 
  damit sie nicht die guten Aepfel im Korb verderben.
  
  Alle Reden bringen den Wunsch nach einer Rueckkehr zu 
  sozialpartnerschaftlichem Umgang im Werk zum Ausdruck. Gleichzeitig 
  sind sie aber auch eine beinharte Anklage gegen die unmenschlichen 
  Arbeitsbedingungen im Werk. Die zu verbessern, wird nur ueber den Weg 
  des offenen Konflikts gehen. Dessen sind sich auch die meisten 
  ArbeiterInnen bewusst. Ihre Anspannung und Ernsthaftigkeit bringt dies 
  gut zum Ausdruck.
  
  Interessensgegensaetze
  
  Offensichtlich verfolgt Herr Maix eine offensive 
  Unternehmensstrategie, die aus seiner Sicht einen harten Kurs im 
  Betrieb gegen die Belegschaft notwendig macht. Deshalb die 
  systematischen Verstoesse gegen die Arbeitszeitbestimmungen und 
  Pausenregelungen, willkuerlich angesetzte Ueberstunden, 
  Kuendigungen...
  
  Ein aktiver Betriebsrat wie das Team um Kollege Klausner steht dieser 
  Strategie im Weg. Die Geschaeftsleitung versucht den Betriebsrat als 
  kleine radikale Minderheit ohne Unterstuetzung in der Belegschaft 
  darzustellen. So ist es auch kein Zufall, dass seit kurzem eine 
  Unterschriftenliste im Werk kursiert, die die Abwahl des Betriebsrats 
  fordert. Initiiert wurde sie offensichtlich von leitenden 
  Angestellten, wenn nicht sogar direkt im Auftrag der 
  Geschaeftsleitung. Die Betriebsversammlung hat aber eindeutig gezeigt, 
  dass die ArbeiterInnen mit ueberwiegender Mehrheit hinter den 
  Forderungen des Betriebsrats stehen. Einzig eine kleine Gruppe von 
  hoeheren Angestellten stellt sich offen gegen den eigenen Betriebsrat 
  und steht auf der Seite des Vorstands. Der Angestelltenbetriebsrat hat 
  hier noch einiges an Ueberzeugungsarbeit zu leisten, um die Gruppe der 
  Angestellten im Werk fuer solidarische Aktionen mit den ArbeiterInnen 
  in der Produktion zu gewinnen. Eine negative Rolle spielt sicher 
  Johannes Weissenbacher, der Zentralbetriebsratsobmann der Angestellten 
  in den Bergbaustandorten Altaussee, Hallstatt und Bad Ischl, der sich 
  oeffentlich von der Protestaktion in Ebensee distanziert hat. Umso 
  wichtiger ist jetzt die Solidaritaet der ganzen Gewerkschaftsbewegung. 
  Aus dieser Sicht war diese oeffentliche Protestaktion ein wichtiger 
  erster Schritt.
  
  Nach der erfolgten geheimen Abstimmung ueber die Resolution faehrt die 
  gesamte Belegschaft ins ArbeiterInnenheim Ebensee, um die 
  Betriebsversammlung unter Ausschluss der Oeffentlichkeit fortzusetzen. 
  Ich setz mich ebenfalls ans Steuer und fahre weiter. In der 
  Zwischenzeit sind vor dem Werk ein halbes Dutzend LKWs zum Stillstand 
  gekommen. Die LKW-Fahrer warten geduldig auf die Wiederaufnahme der 
  Produktion in der Saline...
  
  Quelle: 
  http://www.derfunke.at/html/index.php?name=News&file=article&sid=1666
  
  
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