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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. September 2010; 22:28
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Asyl:
"Kein krankheitswertiges Zustandsbild"
Ein langes Asylverfahren -- erfolgreich abgeschlossen.
Frau Malika fluechtete im Maerz 2004 aus Tschetschenien nach 
Oesterreich. Ihr Mann hatte einem prominenten Widerstandskaempfer als 
Leibwaechter gedient, wurde mehrmals festgenommen - man wollte 
erfahren, wo sein Chef sich verborgen hielt; aber er verriet ihn 
nicht. Aus Sorge um seine Familie schickte er zunaechst seine Frau und 
die kleineren Kinder nach Oesterreich; fuer mehr reichte das Geld 
nicht. Er selbst und die beiden groesseren Soehne wollten spaeter 
nachkommen.
Eines der mit Malika gefluechteten kleinen Kinder, Umar, ist 
behindert. Er hatte in der Heimat einen Bombenangriff ueberlebt und 
durch den Schock einen (zunaechst voelligen) Sprachverlust erlitten, 
der erst in Oesterreich behandelt wurde; er ist aber weiterhin schwer 
verhaltensgestoert.
Malika wurde im Asylamt Eisenstadt befragt. Sie erwaehnte die Dienste 
ihres Mannes fuer den tschetschenischen Rebellen ebenso wie seine 
Verhaftungen, jedoch nur knapp, denn sie dachte, ihr Mann wuerde 
kommen und es genauer erzaehlen. Das Asylamt wies ihren Antrag ab.
Aber ihr Mann kam nicht. Seine letzte Verhaftung 2005 war endgueltig; 
seither hat man nichts von ihm gehoert. Auch die beiden groesseren 
Soehne wurden nun von einem Onkel ausser Landes gebracht.
Der Asylgerichtshof behob den Eisenstaedter Bescheid: Das Asylamt sei 
auf den psychischen Zustand des kleinen Rustam nur "kurz und 
verharmlosend" eingegangen (er habe "Angst vor Gewitter oder 
Uniformierten"); auch sei die neue Lage (Verhaftung des Vaters) zu 
pruefen.
Das Asylamt schickte Rustam daraufhin zu Dr. A. Diese untersuchte 
Rustam und stellte "kein krankheitswertiges Zustandsbild fest". 
Hingegen bescheinigte ein Psychotherapeut, der das Kind seit zwei 
Jahren behandelte, dass Rustam "eine Sonderschule besucht, sehr grosse 
Probleme beim Erlernen des Lesens hat und beim Rechnen die Finger 
benuetzen muss". A.s Befund sei "absolut falsch".
Malika und ihre Soehne wurden in Eisenstadt neuerlich befragt; ich 
begleitete sie. Wie nicht anders zu erwarten, wurde es auch diesmal 
wieder negativ. Die Beamtin warf Malika vor, sie habe eine Festnahme 
ihres Mannes diesmal auf Sommer 2003 datiert, bei der ersten Befragung 
aber auf Sommer 2004.
Aber Malika war ja schon seit Maerz 2004 in Oesterreich, ihre erste 
Befragung war am 2. Juni 2004, also noch vor dem Sommer; dieser begann 
auch 2004, wie alljaehrlich, erst am 21. Juni. Offenbar hatte sich die 
Beamtin vertippt. Aber daraus wurde Malika ein Strick gedreht!
Gleichermassen absurd: Malika hatte die erste Festnahme einmal auf 
"Fruehjahr 2002", das andere Mal auf "Maerz 2002" datiert. Auch das 
nach Ansicht des Asylamtes ein "Widerspruch". Weil der Maerz nicht zum 
Fruehling gehoert... Dem Asylamt ging es offenbar nur darum, die 
Asylantraege um jeden Preis abzuweisen.
Ich begleitete Malika und ihre beiden - nun erwachsenen, fliessend 
deutsch sprechenden - aelteren Soehne zur Verhandlung im 
Asylgerichtshof (Kammerpraesident Wilfried Stracker, Richter Stephan 
Kanhaeuser).
In einer ruhigen und angenehmen Verhandlungsatmosphaere (warum kann es 
nicht immer so sein?) klaerte Malika alle noch offenen Fragen auf. Mit 
Erkenntnissen vom 4.8.2010 (D1 251629-2/2009/7E ff.) erhielt die ganze 
Familie Asyl. Sechs Jahre nach Malikas Flucht! Wir wuenschen ihnen 
allen fuer die Zukunft viel Glueck.
*Michael Genner, Asyl in Not*
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