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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 30. Juni 2010; 00:42
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Soziales/Analyse:

> Details zur Mindestsicherung

Angeblich hat die oesterreichische Regierung einen Wert von 933
Euro/monatl. als Armutsgrenze angenommen. EU-SILC 2008 legt die
Armutsgefaehrdungsschwelle bei 950 Euro fest und die Gruppe "Aktive
Arbeitslose" schreibt, dass darunter kein menschenwuerdiges Leben
moeglich waere. (1)

Definition der Armutsgrenze durch die EU-Kommision: Wer arm ist,
berechnet sich am durchschnittlichen Nettoeinkommen des jeweiligen
Landes. Menschen, die weniger als 60 Prozent des Durchschnitts
verdienen, gelten als arm. Diese Grenzen sind innerhalb der EU sehr
unterschiedlich. Diese Zahlen stammen aus 2008:

158 Euro pro Monat in Rumaenien
233 Euro pro Monat in Bulgarien
325 Euro pro Monat in Polen
833 Euro pro Monat in Deutschland
888 Euro pro Monat in Oesterreich
941 Euro pro Monat in Zypern (griechischer Teil)
1375 Euro pro Monat in Luxemburg (2)

Die Regierung orientiert sich bei der Bemessungsgrundlage nicht an der
Armutsgefaehrdungsschwelle (951 netto, 12x/Jahr) sondern am
Ausgleichszulagenrichtssatz (783,99.--brutto/14x/Jahr) und noch
schlimmer in der Umsetzung dieses Gesetzes (vorher genanntes -5,1% als
Krankenkassenbeitrag und gekuerzt auf 12x/Jahr = 8928,08.- jaehrlich
also 744,01 monatlich). Dieser Wert liegt damit eindeutig auch unter
der von der EU definierten Armutsgrenze fuer Oesterreich.

Sehen wir uns den Entwurf zur Bund-Laender-Vereinbarung also weiter
an:

Zu Artikel 10: Die Mindeststandards fuer weitere im Haushalt lebende
Personen gilt:
pro Volljaehrigen/r 558,01
volljaehrige Kinder 372,01
fuer die ersten drei minderjaehrigen Kinder je 133,92
ab dem 4. Kind 111,60

Mit den zur Verfuegung gestellten Mitteln laesst sich in Oesterreich
nicht einmal die Ernaehrung sichern, geschweige denn Grundbeduerfnisse
wie Wohnen, Hygiene, Bildung, die Ausuebung eines Soziallebens und die
Aufrechterhaltung der Kommunikation mit seinem Umfeld. Vermutlich wird
es so auch verunmoeglicht Kindern eine Schulbildung zu sichern, da
dort mittlerweile auch verpflichtende Kosten anfallen, die sich
BezieherInnen der Grundsicherung schlicht nicht leisten koennen.

Die Mindestsicherung kann ausnahmsweise bescheidmaessig durch
Sachleistungen ersetzt werden, wenn dadurch eine Deckung des
Lebensunterhaltes besser erreicht werden kann. Bekommen wir dann 20
Kilo Kartoffeln pro Monat vom Staat?

Zu Artikel 11: Leistungen koennen an Dritte ausbezahlt werden. Daran
ist zu kritisieren, dass etwaige Mieterhoehungen einseitig, ohne
Kontrolle des Mieters, durchgesetzt werden koennen. Auch die
Ausssetzung der Miete z.B. auf Grund schwerer Maengel am Mietobjekt
kann so nicht durchgefuehrt werden und stellt eine Einschraenkung der
Mittel zu Abwehr von nachteiligen Ereignissen dar.

Zu Artikel 13: Hier wird das Einkommen von im gemeinsamen Haushalt
lebenden Personen beruecksichtigt, wobei nirgends die realen
Zahlungspflichten rechtlich definiert sind und dies reale
Abhaengigkeitsverhaeltnisse schafft.

Vermoegen muss veraeussert werden. Abgesehen von der mutwilligen
gesetzlich verordneten Vermoegensvernichtung, die an die
Zwangsverkaeufe der Juden in den 1930er Jahren erinnern, durch die
manch heute Reicher zu seinem Vermoegen gekommen ist, ist das hier
besonders zynisch, da es sich bei den hier betroffenen "Vermoegen" oft
um das einzige Hab und Gut handelt, das den Leuten die
Aufrechterhaltung ihres sozialen Status vor dem Abgleiten in die
irreversible Armut noch ermoeglicht.

Und das sind wirklich keinerlei Luxusgueter. Selbst wenn ich ein Haus
besitze, mag es zwar sein, dass ich bei entsprechender Groesse zur
Vermietung gezwungen werden sollte, um mir so Einkuenfte zu lukrieren,
aber soll ich andere ausbeuten, um ueberleben zu koennen? Und
verkaufen? Das Haus kann ich mir sicherlich nicht nochmal leisten,
wenn ich in einer dermassenen Notlage bin, die mich dazu zwingt, die
Mindestsicherung in Anspruch zu nehmen. Solange es sich also um ein
Haus handelt, in dem ich lebe und vielleicht auch arbeite, wieso soll
ich das verkaufen muessen? Das verbessert meine Situation ja nicht
nachhaltig, ganz im Gegenteil, dann bin ich den Miethaien ausgeliefert
und muss in eine Miniwohnung ziehen, wo ich nur noch fuer die Miete
arbeiten gehe.

Da braeuchte es eher wieder eine Regulierung des Marktes durch den
Staat um den Mietwucher einzudaemmen und der Spekulation mit dem
Grundbeduerfnis Wohnen Einhalt zu gebieten. Ansonsten komme ich nach
Verbrauch des Geldes aus dem Hausverkauf sicherlich nicht besser aus
der Armut heraus.

Abgesehen davon, dass auch hier gilt: Notverkaeufe wirken
wertmindernd, stellen also einen Kapitalverlust - in letzter
Konsequenz auch fuer den Staat - dar.

Zu Artikel 14: Weiterfuehrende Ausbildungen duerfen nicht gemacht
werden, wenn dadurch die Arbeitsfaehigkeit eingeschraenkt werden
koennte. Also Studieren nach 18: njet. Also in den unteren Lohnniveaus
halten, da sind sie besser ausbeutbar und bringen dem Staat auch in
Zukunft weniger Einnahmen, weil die Leute ja dann auch weniger
Lohnsteuern zahlen... Elitebildung der Reichen gesetzlich gesichert.

Leistungen koennen bis auf 50% gekuerzt werden - wenn "keine
Bereitschaft zu einem zumutbaren Einsatz der Arbeitskraft besteht".
Also keine Mindestsicherung sondern eine Halb-Mindestsicherung?

und so weiter und so fort... mehr dazu unter (3)
*S.W.*

Volltext des Entwurfs fuer die 15a-Vereinbarung:
http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIV/I/I_00677/pmh.shtml

(1) Quellen:
http://www.wissenswertes.at/index.php?id=inflationsrate-2010
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/infothek/erhebungen__quellen/blank/blank/silc/06.html
http://www.statistik.at/web_de/statistiken/soziales/armut_und_soziale_eingliederung/index.html
(2) Quelle:
http://www.statistik.at/web_de/statistiken/soziales/personen-einkommen/jaehrliche_personen_einkommen/index.html
(3)
http://www.aktive-arbeitslose.at/mindestsicherung_stellungnahme_wien.html



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