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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 22. Juni 2010; 22:56
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Buecher/Geschichte:
> Zwischen Selbstentleibung und Rechtfertigung
Walter Baier:
Das kurze Jahrhundert
Kommunismus in Oesterreich
KPOe 1918 bis 2008
Edition Steinbauer, 2009, 304 Seiten, 
 ISBN: 978-3-902494-39-9. EUR 22,50
Ich habe dieses Buch jetzt schon seit einem dreiviertel Jahr zuhause. 
Aber es braucht eben seine Zeit, sich mit so einem Buch 
auseinanderzusetzen -- zum einen, weil jeweils Aktuelles wichtiger 
erscheint als Geschichte, zum Anderen: Wie wird man der KPOe gerecht?; 
eine Frage, die sowohl der Rezensent als auch der Buchautor nicht 
leicht nehmen koennen.
Dialektik ist hier gefragt. Da gibt es zum einen die grossartige 
Tradition einer Partei, die glaubhaft fuer die Gleichheit aller 
Menschen, fuer den Internationalismus und gegen den Faschismus 
gekaempft hat und andererseits die grausamsten Verbrechen sowjetischer 
Regierungen geleugnet oder verteidigt hat. Hier haetten wir These und 
Antithese, aber wie kann eine Synthese aussehen? -- noch dazu, wo der 
Kampf fuer den Kommunismus und die Verteidigung des Stalinismus die 
laengste Zeit von den Parteimitgliedern als ein und dasselbe angesehen 
worden sind? Diese Fragestellung zieht sich durch das gesamte Buch, 
ohne jemals explizit ausgesprochen zu werden.
Eine zweite Krux, die aber wohl nur der Rezensent sieht, ist der 
Untertitel des Buches. Hier wird illustriert, dass die KPOe resp. ihr 
frueherer Vorsitzender die wichtigste Lektion immer noch nicht gelernt 
hat, naemlich dass der Alleinvertretungsanspruch fuer den "Kommunismus 
in Oesterreich" unzulaessig ist. Moeglicherweise hat die Partei ueber 
weite Strecken ihrer Existenz den Grossteil der sich hierzulande in 
einem weiten Sinne als kommunistisch verstehenden Menschen in sich 
versammelt, aber es gab sowohl vor als auch nach der Gruendung der 
KPOe starke linke Bewegungen, die in deutlicher Distanz zum 
Marxismus-Leninismus orthodoxer Praegung standen -- seien es 
beispielsweise die kommunistisch-anarchistischen Traditionen seit Ende 
des 19.Jahrhundert (in denen sich der Rezensent sieht), sei es der 
Eurokommunismus, in dessen Zusammenhang man jene Zeitschrift sehen 
kann, in dem diese Rezension erscheint. Immerhin ist die akin als 
Blatt einer 1969 von der KPOe ausgeschlossenen Gruppe entstanden und 
es war auch dieses Blatt, in dem sich die KPOe fuer ihre damalige 
Politik entschuldigte -- und zwar in der Person des Autors des zu 
besprechenden Buches. Auch das macht dem Rezensenten seine Arbeit 
nicht leichter.
Ein dritter Widerspruch ist der, den die gesamte Linke immer schon 
hatte, naemlich der zwischen der materialistisch-dialektischen 
Weltanschauung und saekularem Glaubensbekenntnis. Baier: "[...] die 
kommunistische Idee des 20.Jahrhunderts [...] appellierte [...] an die 
ganze Person, wurde Ideal, das heisst, sie vermochte dem Tun 
derjenigen, die sich ihr verschrieben, einen hoeheren Sinn verleihen. 
Im Zeichen ihres strengen Rationalismus liess sich leben, leiden, 
erforderlichenfalls auch sterben. Paradoxerweise bediente der 
Kommunismus damit gerade jenes menschliche Beduerfnis nach 
Transzendenz, das er weltanschaulich bekaempfte."
Womit wir nun endlich nach langer Vorrede beim Inhalt des Buches 
waeren. In bestimmter Hinsicht hat Baier es tatsaechlich ernsthaft 
versucht, die Widerspruechlichkeiten der Partei moeglichst ehrlich zu 
untersuchen -- konnte aber natuerlich nicht aus seiner Haut als 
ehemaliger Vorsitzender, der seiner Partei auch immer noch 
treugeblieben ist, heraus. Insofern ist das Attribut "schonungslos" 
klarerweise nicht angebracht.
Widersprueche von Anfang an
Allerdings sieht Baier sehr klar, wenn es um die Bruechigkeit des 
Projekts KPOe geht. Denn schon ihre Gruendung zeugte von all den 
Widerspruechen, die sie bis heute begleiten. Laut Baier war sie 
weniger eine Partei zur Schaffung eines kommunistischen 
Gesellschaftssystems in Oesterreich, sondern ein Projekt, das im 
November 1918 entstanden war aus Enttaeuschung ueber die 
kriegsfreundliche Sozialdemokratie und zur Unterstuetzung der jungen 
Sowjetunion sowie der von dort geplanten Schaffung der Dritten 
Internationale. Die Sicht auf die Sozialdemokratie als groessten Feind 
und die blinde Liebe zur KPdSU wurden damit schon damals festgelegt. 
Mit der KPOe konkurrierte damals die Foederation Revolutionaere 
Sozialisten (Internationale)" (FRSI). Baier zitiert deren Mentor 
Julius Dickmann: "Die Foederation [...] will werden, die 
Kommunistische Partei wurde gemacht; die erste schafft einen Rahmen 
und ueberlaesst es dem Willen der Masse, wie sie sich in diesem Rahmen 
zu bewegen hat, die zweite gruendet zuerst eine Parteizentrale und 
zwingt die Masse, ihre alleinrevolutionaeren Prinzipien 
herunterzuwuergen".
Dennoch vereinigte sich im Mai 1919 die FRSI gemeinsam mit kleineren 
Gruppen mit der KPOe. Baier: "Das Ergebnis war keine Partei ,aus einem 
Guss´, sondern eine buntscheckige Vereinigung sehr unterschiedlicher 
Gruppen und Persoenlichkeiten, deren Uebereinstimmung im Willen 
bestand, eine sozialistische Revolution nach russischem Vorbild 
durchzufuehren". Die Buntscheckigkeit ueberlebte allerdings nicht 
lange, denn gerade dieses Vorbild sorgte oft genug dafuer, dass die 
Partei im Laufe ihrer Geschichte immer wieder auf Linie gebracht 
wurde, sei es durch Weisungen aus Moskau, durch Intervention von 
Bruderparteien oder durch eigene Genossen -- eine Entwicklung, auf die 
Baier in diesem Buch nicht muede wird, immer wieder an den 
entsprechenden Stationen der Parteigeschichte hinzuweisen.
Nun gab es aber so etwas wie eine einigermassen geschlossene 
Kommunistische Partei -- und die konnte sich nun ihrem Lieblingsfeind, 
den Sozialdemokraten, widmen. Diese erwiderten die Abneigungl aus 
ganzem Herzen und es kam 1933/34 nicht zu einem Buendnis, das vor den 
Februarkaempfen einen Generalstreik haette ermoeglichen koennen. Und 
so stand auch die Sozialdemokratie dann auch alleine da. Baier: "Die 
KPOe hatte in die Februarkaempfe nur begrenzt eingreifen koennen. 
Diese waren in erster Linie von sozialdemokratischen ArbeiterInnen und 
Schutzbuendlern gefuehrt worden." Und die hatten das auch ohne 
Unterstuetzung ihrer Fuehrung getan. Es folgte die Illegalitaet beider 
Parteien. Die Sozialdemokratie versuchte zum Teil aus dem Ausland die 
Partei weiter zu fuehren. Viele Parteimitglieder wechselten aber zur 
KPOe und andere gruendeten die "Revolutionaeren Sozialisten" (RS). 
Jetzt, in der Illegalitaet, versuchten KPOe und RS erneut, eine 
Einheitsfront zu bilden -- doch die Widersprueche blieben zu stark. 
Einzig der Staendestaat schaffte es, eine kurzfristige Allianz der 
beiden Parteien zu erreichen, als in einem Hochverratsprozess 25 RSler 
(darunter Bruno Kreisky) mit den beiden KPOe-Spitzen Franz Honner und 
Friedl Fuernberg gemeinsam auf der Anklagebank sassen. Aber das wars 
dann auch schon. Und Baier gibt da einen Grossteil der Schuld seiner 
eigenen Partei: "Bestanden die RS auf Autonomie gegenueber ihrer 
Internationalen, so hatte sich die KPOe den Beschluessen der Komintern 
vollkommen unterzuordnen." Mit den Moskauer Prozessen, die die KPOe 
fuer angebracht zu halten hatte, war klar, dass Welten zwischen RS und 
KPOe lagen.
Damals war aber noch nicht einmal allzu bekannt, wie in die 
Sowjetunion gefluechtete Schutzbuendler unter dem Stalinschen Terror 
zu leiden hatten. Dass auch viele KPOeler unter diesen Opfern waren, 
machte die Nibelungentreue der oesterreichischen Partei zur KPdSU auch 
nicht wirklich besser.
"Du bist die Partei!"
In der Nazizeit schaffte es wieder der Druck der Diktatur, die 
Obrigkeitsorientierung der Mitglieder aufzuweichen -- durch die 
schlichte Tatsache, dass Kommunikationsversuche mit den eigenen 
Parteioberen oder gar Moskau lebensgefaehrlich waren. So enthielt eine 
der wenigen Anordnungen der Partei aus dem Ausland folgende 
bemerkenswerte Passage: "Du bist die Partei! Je schwieriger die 
Bedingungen des Kampfes werden, umso groesser wird die Rolle und die 
Verantwortung jedes einzelnen Kommunisten, der nicht unbedingt auf 
eine Verbindung von oben warten muss, wenn diese abgerissen wird, 
sondern im eigenen Wirkungsbereich die Politik der Partei in der 
Praxis durchsetzen muss." Diese Order hatte Erfolg: Vor allem in den 
Ruestungsbetrieben in Simmering und Favoriten kam es zu 
Sabotageaktionen, die den Wehrmachtsmotor wortwoertlich zum Stottern 
brachte. Waehrend die Saurerwerke fuer schadhafte Autogetriebe 
sorgten, uebertrieb man bei Brown-Boveri die deutsche Gruendlichkeit 
so sehr, dass bis zu Kriegsende die dort zu fertigenden U-Boot-Motoren 
nicht ausgeliefert werden konnten.
Nach der Nazizeit kehrten viele exilierte KPOe-Mitglieder zurueck. Und 
hier, so Baier, entstand ein Zwiespalt in der Partei durch die 
Hauptorte des Exils -- die "Londoner" und die "Moskauer" konnten 
miteinander so gar nicht. Baier: "Die politischen Praegungen, die sie 
in ihren jeweiligen Exillaendern erfuhren, waren kaum zu vergleichen. 
Dabei kann es gar nicht um die Frage gehen, wer von ihnen ,klueger´ 
oder ,aufgeklaerter´ war. Der Unterschied zwischen ihnen ergab sich 
daraus, dass sich die einen in einer, trotz kriegsbedingter 
Beschraenkungen, liberalen politischen Kultur hatten bewaehren 
muessen, waehrend die anderen gezwungen waren, die diffizile Kunst des 
Ueberlebens unter den Bedingungen der stalinistischen Diktatur 
einzuueben, was immer wieder auch in den eigenen Reihen Opfer 
gefordert hatte." Das wohl wichtigste Bindeglied zwischen diesen 
beiden Gruppen waere damals, so Baier, der Intellektuelle Ernst 
Fischer gewesen, der mit seiner buergerlichen Erziehung seine liberale 
Haltung im Moskauer Exil hatte beibehalten koennen.
Baier macht aber noch einen anderen Effekt fuer die beinharte 
Moskautreue vieler Mitglieder verantwortlich -- den nach dem Krieg 
massiv vorhandenen Antikommunismus, der dafuer sorgte, dass sich nun 
viele Kommunisten als Exilanten im eigenen Land gefuehlt haben 
duerften: "Dieses Gefuehl mag auch eine der psychologischen Ursachen 
dafuer sein, dass sie den im Zeitalter des Kalten Kriegs 
vorherrschenden kommunistischen Fundamentalismus, zumindest eine Zeit 
lang unwidersprochen, annahmen."
Nachkriegsordnung
Daraus resultierten bald die naechsten Selbstschaedigungen. 
Slowenische Genossen wurden vor den Kopf gestossen, als die KPOe 
Moskau in der Verdammung von Titos Jugoslawien folgte, und juedische 
Kommunisten wussten nicht wie ihnen geschah, wenn die KPOe die 
teilweise sehr stark antisemitischen Politprozesse in den 
"sozialistischen Staaten" fuer richtig hielt. Dazu kam aber auch der 
Druck von aussen -- durch die Normalisierung der oesterreichischen 
Verhaeltnisse. Der massgeblich von KPOe-Gewerkschaftern getragene 
Oktoberstreik wurde zum Putschversuch umgedeutet, wodurch die KPOe als 
Stoerfaktor aus der grosskoalitionaeren Idylle gedraengt werden 
konnte. Mit dem Staatsvertrag verschwanden die sowjetischen 
Besatzer -- und damit auch der Schutz vor antikommunistischen 
Attacken. Als Mitglied der KPOe musste man damals oft genug 
akzeptieren, dass man mit diesem Parteiausweis leicht gekuendigt 
werden konnte.
Und dann das Jahr 1956. Im Februar haelt Chruschtschow seine beruehmte 
Rede am 20.Parteitag der KPdSU. Mit der Abrechnung mit Stalin brach in 
der Partei ein muehsam aufrechterhaltenes Tabu auf. Denn im Gegensatz 
zu vielen anderen kommunistischen Parteien war fuer die KPOe, so 
Baier, "der Stalinismus nie ein ideologisches Problem allein gewesen. 
... Hunderte ihrer Mitglieder waren in der Sowjetunion in den 
30er-Jahren umgekommen. Unter denen, die aus dem sowjetischen Exil 
heimkehrten, befanden sich Taeter, Opfer und nicht wenige Menschen, 
auf die beides zutraf." So nimmt es auch nicht Wunder, dass alle 
Versuche der Parteifuehrung sich als vergeblich erwiesen, "die Debatte 
ueber den 20.Parteitag einzugrenzen und die Aufmerksamkeit der Partei 
wieder auf innenpolitische Fragen, und insbesondere auf die 
bevorstehenden Nationalratswahlen, zu lenken." Die KPOe verlor bei der 
Wahl im Mai ein Mandat und die Fuehrung resuemierte, dass vor allem 
die Verluste in NOe vielleicht darauf zurueckzufuehren sein koennten, 
dass man die KPOe zu sehr mit der Besatzungsmacht identifiziert 
haette. Grosse Zerknirschung war angesagt und infolge dessen gestand 
Parteivorsitzender Johann Koplenig im ZK-Plenum auch eine "besondere 
Verantwortung" der fuehrenden KPOe-Genossen ein, so wie andere 
kommunistische Parteien dem Stalin-Kult blind gefolgt zu sein. 
Daraufhin duerfte doch tatsaechlich sowas wie ein offener 
Diskussionsprozess in der Partei entstanden sein -- und dann kam der 
Aufstand in Ungarn. Baier: "Die Stellungnahmen der KPOe pendelten 
zwischen Anerkennung des legitimen Charakters der Massenproteste gegen 
das stalinistische Regime und der Verurteilung des 
gegenrevolutionaeren Charakters, den sie in der weiteren Entwicklung 
angenommen hatten." Damit wurde zwar kurzfristig die Debatte innerhalb 
der Partei weiter angefacht. Doch endete sie damit, dass die Hardliner 
die ungarische Krise als Resultat der von Chruschtschow eingeleiteten 
ideologischen Aufweichung interpretierten. Viele kritische Mitglieder 
traten in dieser Phase aus. Und damit war wieder einmal Ende der 
Debatte.
Es dauerte, bis wieder innerparteiliche Proteste gegen den 
autoritaeren Stil der Fuehrung aufloderten. Am 18. KPOe-Parteitag 1961 
gab es einige zaghafte Debatten, aber erst 1965 brachte es Ernst 
Fischer mit einem Artikel im Parteiorgan "Weg und Ziel" so wirklich 
auf den Punkt: "Der Marxismus vermag lebendige Philosophie und 
Wissenschaft nur zu bleiben, wenn er sich mit der Wirklichkeit 
entwickelt, wenn er die neuen wissenschaftlichen Entdeckungen, 
Theorien und Methoden ohne Vorurteil ueberprueft und neue Tatsachen 
nicht zurueckweist, weil sie alten Zitaten widersprechen."
Modernisierungsversuche
Kurz danach wurde Franz Muhri zum neuen Parteivorsitzenden gewaehlt. 
Er galt als Mann des Aufbruchs und der Modernisierung der Partei. Weit 
kam er damit aber nicht, denn die Niederschlagung des Prager 
Fruehlings warf die Partei wieder zurueck. Das Politbuero der KPOe 
hatte sich an die Modernisierung in der Tschechoslowakei angelehnt und 
das Aktionsprogramm der KPTsch auf Deutsch veroeffentlicht -- und 
erhoffte sich selbst, auf dieser Welle des "Sozialismus mit 
menschlichen Antlitz" mitschwimmen und in Oesterreich wieder punkten 
zu koennen. So zoegerte auch das Politbuero beim Einmarsch der fuenf 
"Bruderstaaten" keinen Moment: "Die KPOe gegen den Einmarsch" titelte 
die Volksstimme. Zwei Tage spaeter kam das erste Zurueckrudern: "Ich 
bin der Meinung, dass die fuenf Parteien und Laender in bester Absicht 
gehandelt haben, den Sozialismus in der CSSR zu schuetzen", so Muhri. 
Es waere halt eine "schwere Fehleinschaetzung" der Situation durch 
diese Regierung gewesen. Ende 1968 folgte dann der voellige Kotau vor 
Moskau, in dem die Parteispitze jenes Unterwerfungskommunique 
bejubelte, das die sowjetische Fuehrung der gefangengenommenen 
tschechoslowakischen Regierung abgepresst hatte. Es folgten ein 
chaotischer Parteitag im Jaenner 1969, der Ausschluss Ernst Fischers 
und massive Proteste von fuehrenden Genossen. Letztlich zogen etwa 15 
Mitglieder aus dem ZK aus und die Spaltung war endgueltig vollzogen.*
Wie Baier beschreibt, was in der Folge kam, wuerde der Rezensent als 
Weiterwurschteln beschreiben. Hie und da gab es kleine Erfolge, wie 
den Einzug des KSV in die Bundes-OeH oder punktuell erfolgreiche 
Betriebsratsarbeit durch den neu begruendeten GLB. Zum einen war zwar 
Klassenkampf in den prosperierenden 70ern keine allzu zugkraeftige 
Losung mehr, da sich die oekonomische Situation der werktaetigen 
Massen in der Sozialpartnerschaft verbesserte, zum anderen konnte die 
KPOe doch punkten, wenn die SPOe allzusehr die staatstragende und 
alles befriedende Regierungspartei heraushaengen liess. Doch diese 
kleinen Fortschritte wurden masslos ueberschaetzt. Und 1982, kurz nach 
der Verhaengung des Kriegsrechts in Polen, verabschiedete die KPOe ihr 
von Chefideologen Ernst Wimmer verfasstes Parteiprogramm. Und da wurde 
dialektisch gekonnt alles wieder glattgebuegelt, wie Baier zitiert: 
"Im Gegensatz zum Kapitalismus, dessen unversoehnliche Widersprueche 
nur durch seine Beseitigung aufgehoben werden koennen, ist im 
Sozialsmus die Loesung der Widersprueche nicht nur moeglich, sondern 
die spezifische Entwicklungsform und wichtigste Triebkraft." Nunja, 
denkt sich der Rezensent, der Satz ist wohl wahr, belegt aber auch, 
dass im "real existierenden Sozialismus" real nicht viel Sozialismus 
existiert haben duerfte.
Aber an der Realitaet kam selbst Hardliner Wimmer irgendwann einmal 
nicht mehr ganz unbeeindruckt vorbei. War er doch im Politbuero fuer 
die oft genug katastrophale Buendnispolitik der Partei zustaendig. 
Wimmer konnte nicht mehr uebersehen, dass die neuen "Sozialen 
Bewegungen" sich deutlich von der KPOe entfernt hatten. Er kam daher 
1988 zu einer Feststellung, die Baier als "bemerkenswert" 
qualifiziert: "Wenn wir heute da oder dort neue Problemfelder von 
anderen zum Teil schon besetzt finden, liegt es nicht am 
Marxismus-Leninismus. Es liegt vielmehr an einer nicht selten 
lieblosen, schwerfaelligen, Risiken und strapazioes Neues scheuenden 
Handhabung des Marxismus." Nach Ansicht des Rezensenten allerdings war 
das gar nicht mal so bemerkenswert -- denn da war ja schon die 
Gorbatschow-Aera angebrochen und die KPOe versuchte wieder einmal auf 
einer Modernisierungswelle mitzuschwimmen. Da waren halt Offenheit und 
Glasnost gefragt und Wimmer war da skurrilerweise schon wieder 
moskautreu...
Es folgte die kurze Aera von Susanne Sohn und Walter Silbermayr als 
Vorsitzende der KPOe -- vom Jaenner 1990 bis zum Maerz 1991. Ihren 
Rueckzug und Parteiaustritt begruendeten die beiden damit, dass die 
Offenheit halt doch nur Chimaere gewesen waere, denn "eine 
tiefgreifende Erneuerung mit dem Ziel eines Neubeginns in den 
Strukturen der KPOe" sei einfach nicht moeglich.
Autobiographisches
Im Juni 1991 wird Walter Baier Bundessekretaer der KPOe, 1994 
Bundesparteivorsitzender. Den Rest des Buches will der Rezensent aber 
nicht besprechen oder besser: beschreiben. Denn spaetestens mit dieser 
Phase haette auch Baier seine historische Beschreibung beenden sollen. 
Es haette ihm klar sein muessen, dass der analytische Blick auf seine 
Partei mit seinem Aufstieg in der Hierarchie und seinem immer 
deutlicheren eigenen Erleben der Vorgaenge einfach nicht mehr 
durchhaltbar sein konnte. Mit dem Einzug des Autors in die 
Parteispitze wird das Buch immer mehr zur Autobiographie. Ja, er hat 
sich auch hier sehr bemueht, quasi aus sich selbst auszusteigen, und 
sein Handeln objektiv zu betrachten, aber der Autor ist halt auch kein 
Uebermensch und so musste er scheitern. Die Auseinandersetzung um die 
Novum oder der Streit mit der steirischen KP-Fuehrung, die Geschichten 
um Parteitag und Gegenparteitag konnten von ihm nicht mehr "objektiv" 
geschildert werden -- hier ist Baier einfach als Akteur zu nahe an der 
Geschichte. Die Tatsache, dass in dem ganzen Buch die 
Auseinandersetzung um das Ernst-Kirchweger-Haus nicht mit einer Silbe 
erwaehnt wird, obwohl sie das Verhaeltnis zur oesterreichischen, 
speziell zur Wiener Nicht-KP-Linken vor allem durch sein Handeln 
nachhaltig getruebt hat und zum Leidwesen der KPOe in ihrer juengsten 
Geschichte keineswegs eine quantité negligable darstellt, sagt alles 
ueber diesen Teil des Buches.
Einiges muss wohl auch im restlichen Teil des Buches offenbleiben. Die 
Frage beispielsweise, ob nicht etwa auch die oekonomische Verbindung 
der KPOe mit der KPdSU und der SED eine wichtige Rolle in den 
Entscheidungsfindungen der Partei gespielt hat, wird von Baier zwar 
versteckt angedeutet, aber nie wirklich gestellt, geschweige denn 
beantwortet. Das waere eine der Fragen, die wohl auch heute noch 
politisch zu heikel sind.
Dennoch: Baier ist zu gratulieren zu seinem Mut, als ehemaliger 
Vorsitzender dieses doch recht kritische Buch zu schreiben, und es ist 
wohl eine der besten bislang erschienen Analysen der Geschichte der 
KPOe. Vielleicht gerade deswegen, weil man hier genau weiss, aus 
welcher gedanklichen Position heraus sie geschrieben wurde, was man 
bei vielen anderen geschichtlichen Abhandlungen mit 
Objektivitaetsanspruch nicht behaupten kann. Wer sich in Zukunft 
wissenschaftlich mit dem Thema beschaeftigen moechte, wird daher um 
dieses Buch kaum herumkommen.
*Bernhard Redl*
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* Anmerkung der Redaktion: Muhris Wandlungen sind auch nachzulesen in 
dem 1971 erschienen Broschuerchen "Worte des Vorsitzenden Muhri". 
Abrufbar unter: http://81.223.23.186/akin/foej/foej2/1971/Muhri.pdf
oder: http://akin.mediaweb.at, dann auf Archiv/ "foej 1967-75" 
klicken, weiter "foej2" und "1971" und schliesslich auf "Muhri.pdf"
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