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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Mai 2010; 17:39
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Thailand:
> Klassenkampf im Koenigreich
Bei Redaktionsschluss waren die "Rothemden" in Bangkok von der Armee 
eingekreist. Aber warum geht der Konflikt ueberhaupt? Als die Revolte 
begann, versuchte *Giles Ji Ungpakorn* in der Zeitschrift *marx21* 
(Heft 15) eine Analyse.
Sein Befund: Es geht nicht nur um den Kampf der Eliten.
Der Text stammt vom 15.April, als der Protest noch nicht solchem 
Gegendruck ausgesetzt war:
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Hunderttausende »Rothemden« sind in den vergangenen Wochen fuer mehr 
Demokratie durch die Strassen Bangkoks und anderer thailaendischer 
Staedte gezogen. Damit wollten sie ihre Staerke demonstrieren und der 
Luege der royalistischen Regierung und der Medien entgegentreten, dass 
die Rothemden nicht die Mehrheit der Bevoelkerung repraesentieren. Das 
erklaerte Ziel der Bewegung ist, die vom Militaer installierte 
Regierung von Abhisit Vejjajiva zur Durchfuehrung von Neuwahlen zu 
zwingen. Es ist jedoch schwer zu erkennen, wie die Fuehrung der 
Rothemden die grossen Demonstrationen in eine Kraft verwandeln will, 
die sich dem Militaer, das 2006 einen Putsch organisiert hat, 
entgegenstellen und es besiegen kann. Denn die Fuehrung der Bewegung 
ist nicht bereit, das Militaer und die Monarchie entschlossen 
anzugreifen. Neuwahlen werden dieses Problem nicht loesen.
Die grossen Teilnehmerzahlen der Demonstrationen bedeuten dennoch 
einen wichtigen Fortschritt. Die ueberwaeltigende Mehrheit der 
Rothemden sind arme Leute und ihre Fuehrung spricht oeffentlich 
vom »Klassenkampf« zwischen den einfachen Menschen und der Elite. Die 
Bewegung wird allerdings weiter gehen und unter den staedtischen 
Arbeitern und den unteren Raengen der Armee agitieren muessen, um 
genug Kraft fuer eine wirkliche Veraenderung zu gewinnen. Jeder 
Kompromiss wird die Macht der royalistischen Elite, die durchgaengig 
alle Schritte Richtung Demokratisierung blockiert hat, erhalten.
Die politische Krise, die wir in Thailand seit dem Putsch vom 19. 
September 2006 gegen die gewaehlte Regierung von Thaksin Shinawatra 
erleben, ist Ausdruck eines ernsthaften Klassenkampfes zwischen den 
reichen Konservativen einerseits und den staedtischen und laendlichen 
Armen andererseits.
Das Vakuum auf der Linken nach dem Zusammenbruch der Kommunistischen 
Partei Thailands gab dem Millionaer (und Premierminister 2001-2006) 
Thaksin Shinawatra und seiner Partei »Thai Rak Thai« (»Thais lieben 
Thais«) die Moeglichkeit, Millionen einfacher Thailaender zu 
begeistern. Obwohl viele Kommentatoren behaupten, dass der 
gegenwaertige Konflikt nur eine Auseinandersetzung zwischen Thaksin 
und den Konservativen sei - also zwischen »der modernen 
kapitalistischen Klasse« und »der alten Feudalordnung« - geht es um 
etwas anderes. Thaksin baute durch seine sozialpolitischen Massnahmen, 
zu denen die erste allgemeine Gesundheitsversorgung des Landes ebenso 
zaehlte wie Programme zur laendlichen Entwicklung, eine Allianz mit 
Arbeitern und laendlichen Armen auf. Die Rothemden moegen Thaksin, 
aber sie kaempfen nicht ausschliesslich fuer seine Rueckkehr. Sie 
wollen vor allem echte Demokratie und soziale Gerechtigkeit.
Sowohl Thaksin als auch seine konservativen Gegner sind insofern 
moderne Royalisten, als sie alle versuchen, die Institutionen der 
Monarchie zu benutzen, um eine kapitalistische Klassenherrschaft zu 
stuetzen. Die Konservativen wandten sich schrittweise von Thaksin ab, 
weil sie fuerchteten, durch seine weitreichenden 
Modernisierungsprogramme, die sich breiter Unterstuetzung in der 
Bevoelkerung erfreuten, ihre Privilegien zu verlieren.
Derzeit faengt die Demokratiebewegung an, die gesamte Elitenstruktur 
einschliesslich der Monarchie in Frage zu stellen. Nennenswert ist 
auch die Selbstorganisation und die eigenstaendige Finanzierung der 
Rothemden durch ihre Mitglieder. Dieser Klassenkampf fuehrt zu einer 
Veraenderung politischer Einstellungen und stellt alle Teile der 
Gesellschaft auf die Probe. Die zentrale Frage, vor der die Bewegung 
nun steht, ist die, wie die Anliegen der Arbeiterklasse aufzugreifen 
sind und wie die Staatsmacht zu ergreifen ist.
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Quelle: http://marx21.de/content/view/1034/32/
Giles Ji Ungpakorn war bis Februar dieses Jahres ausserordentlicher 
Professor fuer Politik an der Chulalongkorn-Universitaet in Bangkok. 
Nach einer Anklage wegen Majestaetsbeleidigung musste er aus Thailand 
fluechten und lebt derzeit in Grossbritannien.
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