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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. Mai 2010; 17:37
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"Innere Sicherheit":
> Polizeibefindlichkeitsbericht 2010
Der Verfassungsschutzbericht und seine Praesentation waren wieder sehr
erhellend...
Es war wieder einmal soweit: Das Bundesamt fuer Verfassungsschutz und
Terrorismusbekaempfung (BVT), vormals Stapo, praesentierte seinen
diesjaehrigen Verfassungsschutzbericht (VSB). Nun sind diese VSBs kein
wirklichen Berichte. Es ist die Zusammenstellung dessen, was
Ministerium und Polizei gerne veroeffentlicht haetten. Man ist da nur
halt immer ein wenig in der Zwickmuehle: Soll man gross warnen, um
neue oekonomische Mittel und Gesetze einfordern zu koennen (was aber
auch heissen wuerde, Polizei und Politik sind bislang nicht sonderlich
erfolgreich in ihrer Arbeit gewesen und die Bevoelkerung muesse sich
fuerchten) oder entwarnen (was die Frage aufwuerfe, wofuer der
Verfassungschutz denn nungut sei). Dieses Dilemma wird ueblicherweise
unter Zuhilfenahme des goldenen Mittelwegs geloest: Eh alles leiwand,
aber man weiss ja nie und Sicherheit ist das oberste Gebot.
So liest sich auch der Sicherheitsbericht. Bei den Nazis zum Beispiel
ist alles nicht so schlimm. Vor allem deswegen weil die hiesige
Bevoelkerung mehrheitlich strikt antifaschistisch gesinnt sei: "Im
internationalen Vergleich bewegte sich der Rechtsextremismus in
Oesterreich im Jahr 2009 auf relativ niedrigem Niveau. Vom
rechtsextremistischen Milieu ging weiterhin keine akute Gefahr fuer
die demokratische Grundordnung Oesterreichs aus. Der groesste Teil der
oesterreichischen Bevoelkerung lehnt rechtsextremes Gedankengut ab und
bietet dem Rechtsextremismus weiterhin kaum Entfaltungsraum." (S. 25,
VSB 2010)
Gewaltige Linke
Hingegen "Die Provokationen von linksextremer Seite nehmen zu",
erklaerte Innenministerin Maria Fekter am 26.April bei der
Praesentation des VSB. Und zwar "gewaltig"! Die Zahl der
strafrechtlichen Anzeigen in diesem Bereich stieg von 64 (2008) auf 90
(2009) - ein Plus von knapp 40 Prozent. Was BVT-Chef Peter Gridling --
wohl nicht ganz so zur Freude seiner Chefin --relativierte, denn in
den meisten dieser angezeigten Faelle handle es sich um
"Schmieraktionen".
Das steht auch so im VSB: Tatsaechlich ist der Anstieg lediglich auf
die erhoehte Kriminalisierung von Spray- und Plakatieraktionen
zurueckzufuehren. Ueberhaupt wird aus der Statistik klar ersichtlich,
dass sie viel mit der Anzeigepraxis zu tun hat: Letztes Jahr gab es
zum Beispiel seit langem wieder eine Anzeige wegen
"Landfriedensbruch" -- ein Tatbestand, der hierzulande aufgrund seiner
politischen Anruechigkeit schon lange nicht mehr verwendet worden war.
Aber auch 2010 soll es schon zu solchen Anzeigen bei einer
Hausbesetzung gekommen sein. Auch sagt die Statistik nichts darueber
aus, welche Anzeigen dann tatsaechlich zu einer Verurteilung gefuehrt
haben oder vielleicht schon von der bekannt linksradikalen
Staatsanwaltschaft als irrelevant niedergeschlagen worden waren.
Zuletzt ist es notorisch, dass die Anzeigestatistik der Polizei immer
schon in ihren Regeln voellig unklar war: Mal wird ein einzelnes
Vorkommnis mit mehreren strafrechtlichen Vorwuerfen gegen mehrere
Beteiligte als eine Anzeige gerechnet und mal heisst "eine Anzeige"
ein Mensch ist wegen eines Deliktes angezeigt worden. Nun, dann fische
man sich doch einfach fuenf Menschen aus einer Demo, zeige sie
phantasievoll wegen 3 verschiedener Delikte an und schon hat man 15
Anzeigen. Allein die Vorkommnisse bei der heurigen Anti-WKR-Ball-Demo
und der Abschiebungs-Blockade am Wiener Guertel letzte Woche wuerden
daher mit dieser Methode die Anzeigestatistik im naechsten Bericht
wohl enorm anschwellen lassen. Aber die Wahl der Methode ist halt wohl
immer noch Geschmackssache des Sachbearbeiters, wie schon bei
frueheren Kriminalstatistiken bekannt geworden ist...
Terrorcamps
Was Fekter auch ganz wichtig war bei der Praesentation: Die
Terrorcamps! Schliesslich moechte sie ja ihr Antiterror-Gesetzespaket
verkaufen. Und da war der BVT-Chef ganz auf ihrer Linie: Er meinte, im
heurigen Jahr waeren bereits genauso viele Ausreisen in islamistische
Trainingslager fuer Extremisten verzeichnet worden wie in den letzten
vier Jahren zusammen und murmelte so etwas aehnliches wie eine
Zahlenangabe bei der VSB-Praesentation: Es gaebe etwa eine "knapp
dreistellige Zahl" an Terrorcampern aus Oesterreich. Was aber
auffaellt dabei: Im Verfassungsschutzbericht selbst steht davon
nichts. Das, was drinnen steht, ist ein kurzer, sehr allgemeiner
Artikel, der von den Autoren auch lediglich als "Exkurs" bezeichnet
wurde, und wirkt wie kurz vor Redaktionsschluss hineingemogelt.
Groessenordnungen findet man dort keine, die hat man sich in der Eile
wohl nicht ueberlegt. (S. 61/62)
Aber Fekter braucht diese Terrorcamper ganz dringend. Sie zu finden
ist hingegen nicht so einfach. Fekter sollte sich dabei vielleicht mit
ihrer Partei- und Regierungskollegin Marek gemeinsam auf die Suche
begeben -- denn wenn so ein islamistischer Terrorcampbesucher eine
Frau hat, traegt sie sicher die Burka. Und Marek braucht dringend
herzeigbare Burkatraegerinnen fuer den Wiener Wahlkampf, um ihnen ihre
Kleidung verbieten zu koennen.
PKK
Auch auffaellig ist das Kapitel 8: "Separatistischer Extremismus und
Terrorismus". Er bezieht sich naemlich nur auf eine einzige Gruppe:
die PKK: "Offiziell tritt die PKK in Oesterreich nicht in Erscheinung.
Die kurdische Diaspora und die PKK-nahen Vereine sind groesstenteils
im 'FEYKOM - Dachverband der kurdischen Vereine in Oesterreich'
organisiert. ... Die PKK/KADEK/KONGRA GEL scheint auf der Liste
terroristischer Organisationen gemaess EU-Verordnung ... auf."
(S68-69)
Was wiederum sehr danach klingt, dass Polizei und vielleicht auch die
Ministerin in naechster Zeit ganz gerne die kurdischen Vereine
aufmischen moechten.
Wie gesagt, Verfassungschutzberichte berichten kaum, sondern sind dazu
da, die Oeffentlichkeit in einer ganz bestimmte Art und Weise zu
manipulieren. Dennoch sind sie nicht uninteressant zu lesen: Als
Berichte ueber das Weltbild, das in diesem Ministerium gepflegt wird.
*Bernhard Redl*
Download des Berichts:
http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Verfassungsschutz/BVT_VSB_2010_20100401_Onlinefassung.pdf
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