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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. April 2010; 19:11
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Recht:

> Netter Versuch

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit soll grundlegend reformiert werden

Jetzt wird alles anders in Oesterreichs Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Vor zwei Wochen endete die Frist des Begutachtungsverfahrens zur
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2010. Demnaechst soll sich der
Nationalrat damit befassen. Dort werden die Regierungsparteien die
Zustimmung von Teilen der Opposition brauchen, um den Entwurf
Verfassungsrecht werden lassen zu koennen.

Nach dem Willen der Bundesregierung sollen mit der Novelle neun
Laenderverwaltungsgerichte, ein Bundesverwaltungsgericht, ein
Bundesfinanzverwaltungsgericht zusaetzlich zum schon als
Hoechstgericht bestehenden Verwaltungsgerichtshof geschaffen werden.
Die Argumentation: "Zweck dieses Vorhabens ist ein Ausbau des
Rechtsschutzsystems im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung und eines
verstaerkten Buergerservice sowie die Entlastung des
Verwaltungsgerichtshofes."

Urspruenglich war noch die Rede davon, damit auch Geld sparen zu
koennen, doch letztendlich hiess es in den Erlaeuterungen zum
Gesetzesentwurf dann: "Die durch die Einrichtung von
Verwaltungsgerichten verursachten Mehrausgaben fuer die Laender
werden - abgesehen vom Umstellungsaufwand - so gering wie moeglich
gehalten."

Gleichzeitig soll ein ziemlicher Zoo an 120 zum Teil
hochspezialisierten weisungsungebundenen Verwaltungsbehoerden des
Bundes und der Laender aufgeloest werden: Vom
Apotheker-Disziplinarberufungssenat und der
ASVG-Bundesschiedskommission ueber die "Bundesverteilungskommission
gemaess § 17 des Bundesgesetzes vom 18. Maerz 1964 ueber die
Verwendung der zufliessenden Mittel aus dem Vertrag zwischen der
Republik Oesterreich und der Volksrepublik Bulgarien zur Regelung
offener finanzieller Fragen" bis hin zum Zivildienstbeschwerderat.
Sofern die Agenden dieser Gremien auch weiterhin bestehen, sollen
diese von den neuen Gerichten wahrgenommen werden.

Ebenfalls sollen die Unabhaengigen Verwaltungssenate (UVS) in die
Verwaltungsgerichte ueberfuehrt werden. In einer Stellungnahme der
Vereinigung der UVS-Mitglieder wird allerdings moniert, dass eine der
Hauptagenden der UVS, die Berufungsverfahren im Verwaltungsstrafrecht
nicht explizit im Gesetz Erwaehnung finden. Die UVS-Mitglieder
befuerchten, dass Zustaendigkeitsunklarheiten zwischen Landesgerichten
und Bundesgericht entstehen koennten.

Auch aufgeloest werden soll die Datenschutzkommission (DSK). Bei
solchen Kommissionen ist allerdings fraglich, ob tatsaechlich all ihre
Agenden von den Gerichten wahrgenommen werden koennten. Die
"Piratenpartei Oesterreich" in ihrer Stellungnahme: "Es besteht
offensichtlich noch nicht einmal irgendeine Vorstellung, wer oder was
die nichtgerichtlichen Agenden der DSK (Entgegennahme von Beschwerden,
Information, etc.) uebernehmen soll". Auch eine "schleichende
Anwaltspflicht" sieht die Piratenpartei mit der Novelle entstehen, was
dazu fuehren koenne, "dass viele berechtigte Beschwerden nicht
vorgebracht werden koennen, da die Betroffenen es sich finanziell
nicht leisten koennen". Aehnliche Bedenken kann man wohl auch bei
anderen Kommissionsaufloesungen geltend machen.


Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle erscheint als Befreiungsschlag
gegen den Wildwuchs an Kommissionen im oesterreichischen
Behoerdenstaat. Dass die zum Teil de facto nicht ganz so unabhaengigen
Senate nun in echte richterliche Gremien ueberfuehrt werden, ist
sicherlich im Sinne der Gewaltenteilung zu begruessen. Allerdings
stellt sich hier auch die Frage, ob allgemeine Gerichte ein
Fortschritt sind gegenueber Kommissionen, die sich speziell mit
rechtlich sehr kleinraeumigen Materien befassen und diesbezueglich gut
informiert sind. Es bleibt abzuwarten, wie sich das auf die
Entscheidungsqualitaet auswirken wird. Peter Bussjaeger,
Landtagsdirektor von Vorarlberg, befuerchtete in einem Kommentar in
der "Presse", dass durch die Generalisierung der Gerichte erst recht
wieder ein Heer von Sachverstaendigen in den einzelnen Verfahren
beschaeftigt werden muesste.

Auch beklagt Bussjaeger die verfassungsrechtliche seltsame
Konstruktion, dass sich der Bund mit dieser Novelle das Recht
einraeumen moechte, per einfachem Bundesgesetz Kompetenzen zwischen
den Gerichten nach Belieben herumzuschieben. Es beduerfe, so der
Kommentator, "nicht einmal der Zustimmung der Laender, eine
problematische Sache, auch im Hinblick auf die Kosten, die mit der
Aufrechterhaltung des Apparates verbunden sind."

Sondergericht AsylGH

Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof und amnesty
international haben sich allerdings wegen eines ganz speziellen
Punktes der Novelle beschwert: Der erst vor kurzem neu geschaffene
Asylgerichtshof soll laut der Novelle explizit ein inkompatibles
Sondergericht bleiben. Asylrechtsfragen waeren damit als einzige
Verwaltungsmaterie auch weiterhin von einer Behandlung durch den VwGH
ausgeschlossen. Und daher ist man besonders beim VfGH ueber die
Novelle ziemlich sauer: "Diese Neuregelung des Rechtsschutzes in
Asylsachen hat zu einem dramatischen Ansteigen der Rechtssachen
gefuehrt, die an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden.
Waehrend in der Vergangenheit jaehrlich im Durchschnitt etwa 2500 bis
2800 Rechtssachen eingebracht wurden, betrug der Anfall im Jahr 2009
rund 5500 Faelle. Davon entfielen allein 3500 auf das Asylrecht." Und
weiter heisst es in der Stellungnahme: "Der Verfassungsgerichtshof ist
weltweit sicherlich das einzige Hoechstgericht, das in der
dargestellten Weise mit Rechtssachen aus einem einzigen, ganz
bestimmten Verwaltungsgebiet befasst ist. Eine sachliche
Rechtfertigung dafuer, dass ausgerechnet fuer das Gebiet des
Asylrechts anderes gelten soll, als fuer das gesamte sonstige
Verwaltungsrecht, naemlich die Moeglichkeit der Anrufung des
Verwaltungsgerichtshofes, kann nicht gefunden werden."

Auch ist man beim Hoechstgericht nicht sehr darueber erfreut, dass den
VfGH niemand im Vorfeld um eine Stellungnahme gebeten habe, was
frueher bei Gesetzeswerdungsprozessen aehnlicher Novellen sehr wohl
der Fall gewesen sei.

Resuemee

Das Justizwesen in diesem Staat bleibt eine ewige Baustelle.
Oesterreich erhebt Anspruch darauf, ein Rechtsstaat zu sein, doch
Rechtssicherheit und vor allem -logik sind keine grossen Gueter
hierzulande. Schon vor rund drei Jahrezehnten beklagten die Verfasser
des Standardkommentars zum Bundes-Verfassungsgesetz
(Klecatsky/Morscher) die "ruinenhaften Zuege" der oesterreichischen
Verfassung. Trotz oder vielleicht auch wegen aller Bemuehungen hat
sich bislang daran nicht viel geaendert.
*Bernhard Redl*

Gesetzestext, Materialien und Stellungnahmen zur Novelle sind abrufbar
unter: http://www.parlinkom.gv.at/PG/DE/XXIV/ME/ME_00129/pmh.shtml
Kommentar in der "Presse", 7.3.2010:
http://diepresse.com/home/recht/rechtallgemein/544767/index.do



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