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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. April 2010; 19:13
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Wien/Kultur/Protest/Termin:
> Krise braucht Kultur
Das Kultur- & Kommunikationszentrum Spittelberg (Amerlinghaus) geht 
auf die Strasse, um nicht zusperren zu muessen!
Do. 29. April: KUNDGEBUNG & SPEKTAKEL
17:00 - 22:00 beim Burgtheater: Infotische, Buechertische, Live-Musik, 
Diskussion, DJane, Theater, politische Bildung, Kleinkunst, Literatur, 
Tanz, Vokue
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Seit 31 Jahren ist das als "das Amerlinghaus" bekannte Kulturzentrum 
Spittelberg hartnaeckig ein linker Freiraum, Treffpunkt, 
Veranstaltungsort fuer viele verschiedene soziale Initiativen, 
politische Gruppen, fuer basis- und subkulturelle Projekte. 
Solidarisches Handeln, Heterogenitaet und Vielfalt, kritisches Denken, 
eine enthierarchisierte und nicht-kommerzielle Struktur bestimmt die 
Kultur des Hauses.
Nun ist das Kulturzentrum wie viele andere weitgehend selbst 
bestimmte, oeffentlich subventionierte Projekte im Kultur- und 
Sozialbereich von einer sukzessiven finanziellen Austrocknung 
betroffen.
Fakt ist, dass wir auch fuer 2010 eine Subvention in der seit Jahren 
gleich bleibenden Hoehe von 250.000,- Euro erhalten haben. Allerdings 
beanspruchen die steigenden Kosten fuer die Miete an die Gesiba 
(Gemeinnuetzige Siedlungs- und BauAG), Gehaelter und Energiekosten 
bereits die gesamte Summe, weswegen wir im Herbst 2009 einen Antrag 
auf eine wertangepasste Foerderung von 290.000,- plus 20.000,- fuer 
ueberfaellige Renovierungsarbeiten gestellt - und nicht erhalten - 
haben. Daher ist der Weiterbetrieb des Kulturzentrums fuer 2010 und 
darueber hinaus nicht mehr gewaehrleistet.
Zur Situation
Augustin Theater, Lesung, Diskussion, Buchpraesentation, Literatur, 
Verein Exil, Roma Kultur Festival, Vortrag, Workshop, Information, 
Lesetheater, Politik, Performance, Kunst, Sprachkurs, Aktives Zentrum, 
Gruppentreffen, Beratung, Fluechtlingsprojekt, Kindergruppe, 
Generation 50 plus, Theater der Unterdrueckten, Tanz, Kongress 
........
Das alles ist das Amerlinghaus. Um die 50 Gruppen, Initiativen, 
Vereine und Kollektive nuetzen intensiv das Kulturzentrum Spittelberg. 
Abseits von Mainstream, Konsumrausch und mentalem Fast Food sind wir 
ein Zentrum fuer Basis- und Gegenkultur, fuer eine lebendige 
Zivilgesellschaft, fuer kritische alternative gesellschaftliche 
Konzepte und wollen es auch bleiben. Ansaetze gibt es viele und 
vielfaeltige, die im Kulturzentrum Spittelberg ihren Platz finden. 
Wichtig ist uns, dass solidarische Modelle, kritische Theorien und 
auch Utopien denk-bar, moeglich und teilweise leb-bar bleiben, die 
sonst in Mainstream-Diskursen laengst ausgeloescht sind.
Das Kulturzentrum Spittelberg befindet sich in einer prekaeren 
Situation. Zwar werden wir auch weiterhin ueber die Stadt Wien 
subventioniert werden, nur geht uns die Luft aus. Was fuer viele 
Wiener Initiativen im Sozial- Kultur- und Bildungsbereich gilt, trifft 
auch uns: Es gibt seit vielen Jahren keine Inflationsanpassung - wenn 
nicht sogar Kuerzungen. Wir zahlen zwar hoehere Gehaelter, mehr Miete 
und mehr Betriebskosten, aber wir bekommen nicht mehr Geld. Das geht 
auf Kosten der Qualitaet und des Umfanges unserer Arbeit und auf 
Kosten der zerbroeckelnden Infrastruktur und fuehrt direkt in den 
Konkurs. Es ist sehr eng geworden.
Wir muessen um den Weiterbestand des Kulturzentrums in seiner jetzigen 
Form kaempfen. Wir wollen nicht, dass eine der letzten offenen linken 
Strukturen in Wien zu einem weiteren kommerziellen, aus-schliessenden 
Ort wird. Wir sind auch nicht allein von solchen Problemen betroffen, 
viele andere Projekte stehen buchstaeblich auf der Strasse. Wir 
meinen, dass hier eine politische Loesung gefunden werden muss, nicht 
nur fuer das Kulturzentrum Spittelberg im Amerlinghaus. Und das kann 
nur ueber politische, solidarische und gemeinsame Strategien erreicht 
werden.
Geschichte
In den fruehen 1970er-Jahren gab es in Wien Sozialeinrichtungen und 
Kultureinrichtungen, gab es Volkshochschulen, es gab was fuer Kinder, 
es gab Jugendklubs und es gab Seniorenklubs. Alles war von einander 
getrennt, buerokratisch verwaltet und hatte bevormundeten Charakter. 
Immer mehr Menschen in dieser Stadt wollten die Trennung aufheben und 
ihr Leben selbst gestalten. Es war die Zeit der beginnenden 
Alternativbewegung. Am Spittelberg stand das Geburtshaus des Malers 
Amerling. Es war in desolaten Zustand, leer und im Eigentum der 
Gemeinde Wien. Die Renovierung des gesamten Viertels war angekuendigt, 
Genaueres war der Oeffentlichkeit nicht bekannt. Im Sommer 1975 
besetzten Menschen aus der Nachbarschaft, Kuenstler, Studenten, 
Sozialarbeiter und Alternativgruppen das Amerlinghaus. Sie forderten 
von der Gemeinde Wien ein Kommunikations- und Kulturzentrum zu 
ermoeglichen und zu finanzieren. Es sollte ein Haus fuer Alle sein, in 
dem die Trennung zwischen den Alterstufen und das Scheiden der 
Bereiche Kultur und Soziales aufgehoben ist. Was im Haus geschieht, 
sollen die Benutzer gemeinschaftlich entscheiden, ein 
Selbstverwaltungskonzept wurde erarbeitet und noch im Laufe des 
Sommers in die Tat umgesetzt. Gleichzeitung wurde mit den 
verantwortlichen Politikern der Stadt Wien erfolgreich verhandelt. 
Zwar mussten einige Auflagen der Stadt akzeptiert werden, aber 
letztlich wurde das frisch renovierte Haus im Fruehjahr 1978 den 
Verein Kulturzentrum Spittelberg uebergeben.
Seither war und ist in all den Jahren das Amerlinghaus eine offene, 
niederschwellige Einrichtung, in der mit moeglichst wenigen 
Vorschriften und Einengungen kritische, nicht kommerzielle 
Kulturarbeit stattfindet, in der soziale und politische Initiativen, 
oft auch gemeinsam, arbeiten. An die fuenfzig parteiunabhaengige 
Gruppen benutzen, gegen ganz geringe Beitraege oft auch unentgeltlich, 
die Raeume des Amerlinghauses. Dazu kommen noch die fixen Bestandteile 
des Hauses - verein exil, Vereinigung fuer Frauenintegration, 
Kindergruppe Amerlinghaus.
Fuehrende sozialdemokratische PolitikerInnen Wiens der Siebzigerjahre 
(Froehlich-Sandner, Gratz, Zilk) verstanden und schaetzten den Wert 
des Amerlinghaus, fuer das politische Klima in der Stadt. Sie 
erkannten auch die Umwegrentabilitaet solcher Einrichtungen. Die 
damalige Vizebuergermeisterin sagte noch wenige Monate vor ihrem Tod 
2008, bei einer Podiumsdiskussion im WUK, dass Arena, Amerlinghaus, 
WUK und aehnliche alternative Einrichtungen der oeffentlichen Hand 
viele Kosten im Gesundheits-, Polizei- und Justizwesen ersparen. 
Leider ist dieser Gedanke unter den heutigen Politikern nicht mehr so 
einsichtig.
Seit vielen Jahren wurde die Subvention fuer das Haus nicht mehr 
erhoeht und vorher auch nur marginal. 1978 und in den ersten Jahren 
danach konnte mit der Subvention folgendes bezahlt werden: neun 
Vollzeitangestellte, die Miete, die Energiekosten, reichlich Buero- 
und sonstiges Material und dann blieben noch 200.000 oeS als 
Veranstaltungsbudget. Durch die staendigen Teuerungen, Miet- und 
gesetzlichen Lohnerhoehungen schrumpfte der Wert der Jahressubvention 
auf einen Bruchteil. Es wurde gespart und gespart wo es nur geht, vor 
allem beim Personal. Seit Jahren arbeiten im Amerlinghaus nur mehr 
drei Personen mit 27,5 Wochenstunden und eine Vollzeitreinigungskraft, 
dann sind sich bis letztes Jahr noch die Miete und die Energiekosten 
ausgegangen. Mehr Sparen ist nicht moeglich. Aus Schluss! Seit zwei, 
drei Jahren werden Defizite gemacht.
Sommerschluss?
Wenn es zu keiner Entschuldung und keiner Evaluierung der Subvention 
durch die Stadt kommt, dann kann das Amerlinghaus im Sommer 2010 
seinen Betrieb einstellen. Zumindest das, was das Haus bisher 
ausmachte, ist dann nicht mehr moeglich. Irgendwas kann die Gemeinde 
schon mit dem Haus machen, aber dann hat sie einen der letzten Orte 
selbstbestimmten und gefoerderten Handelns in dieser Stadt 
preisgegeben.
(Aussendungen Amerlinghaus/bearb)
Kontakt: amerlinghaus{AT}inode.at, http://www.amerlinghaus.at/
 T: 01/5236475, Stiftgasse 8 1070 Wien
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