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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. Maerz 2010; 22:32
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Debatten
> Ein Hoch auf den europaeischen Josephinismus?
Robert Menasse hat hoffentlich nur provoziert. "Die Kritik 
(Demokratiedefizit der EU) ist korrekt, die Bewertung aendert sich 
vielleicht. Naemlich, dass es unter Umstaenden ein historischer 
Vernunftschritt ist, den Demokratiebegriff gaenzlich neu zu definieren 
und die Frage zu stellen, ob unter der Voraussetzung von verbloedenden 
Massenmedien, des Einflusses von Krawall machenden Boulevardzeitungen, 
unter der Voraussetzung der Verrottung des Bildungssystems, ob unter 
dieser Voraussetzung der alte Demokratiebegriff, der den gebildeten 
Buerger voraussetzt, ueberhaupt noch einen Sinn hat. Ob es unter 
dieser Voraussetzung nicht vernuenftiger ist, bestimmte Standards 
wieder zurueck zu lassen, weil in der jetzigen Situation so etwas wie 
ein europaeischer Verwaltungs-Josephinismus viel sinnvoller ist". So 
toente der Schriftsteller im Mittagsjournal am Montag.
Vielleicht wollte er sagen: Wenn wir nichts gegen Massenverbloedung 
unternehmen, dann bleibt nur noch die Hoffnung auf einen 
Josephinismus. Aber das hat er nicht gesagt. Wenn es als Provokation 
gemeint war, verpufft es, denn die EU-Fans werden ihm wohlwollend 
rechtgeben und freuen sich darueber, dass jetzt auch schon die linken 
Intellektuellen die segensreiche Wirkung der EU erkannt haben. Und 
fuer die extreme Rechte ist es ein gefundenes Fressen, dass da jetzt 
endlich mal so einer wie Menasse erkannt hat, was die EU eigentlich 
vorhat: Bevormundung und Entdemokratisierung. Und das sie eh schon 
immer gewusst haben, was diese Linkslinken fuer ein Menschenbild 
haben. Mit solchen Ansagen etwas gegen die Verbloedung zu tun wollen, 
muss ein untauglicher Versuch bleiben.
Ja, man kann verzweifeln, wenn man Rueckschluesse von den 
Wahlergebnissen auf das oesterreichische und europaeische Volk ziehen 
mag. Aber der Verbloedung durch Massenmedien den aufgeklaerten 
Absolutismus entgegensetzen zu wollen, heisst nicht nur den Teufel mit 
dem Beelzebub austreiben zu wollen, sondern auch den Bock zum Gaertner 
machen, denn die EU-Propaganda ist genauso verbloedend wie der 
Boulevard.
Gerade im selben Mittagsjournal darf ich erfahren, dass jetzt auch von 
Seiten der EU-Kommission eine Richtlinie fuer Internetsperrungen 
geplant ist -- mit der faulen Ausrede des Kinderschutzes. Nach der 
Vorratsdatenspeicherung, den "Anti-Terror-Paragraphen" und den 
Nacktscannern jetzt also auch die Zensur. Das ist nicht mal Joseph II, 
das ist Metternich!
Es gibt sie nicht, die heissersehnten Koenigsphilosophen. 
Josephinismus ist immer auch Diktatur. "Nicht durch das Volk, aber 
fuer das Volk" soll Kaiser Josephs Credo gewesen sein. Aber Diktatur 
ist niemals fuer das Volk. Wenn man den Maechtigen nicht auf die 
Finger schaut und hin und wieder auch ordentlich draufklopft, machen 
sie was sie wollen -- sprich: was ihnen dient. Ganz abgesehen davon, 
dass die Freiheit des Individuums an sich ein Wert ist, der gefoerdert 
werden muss und nicht noch mehr in Frage gestellt. Das sollte jemandem 
wie Menasse eigentlich klar sein und es ist eine zivilisatorische 
Schande, das eigentlich noch betonen zu muessen.
Wir brauchen Demokratisierung. Und die ist weder mit den 
Schundblaettern noch mit Habsburger-Attitueden zu bekommen -- diese 
als Antagonisten darstellen zu wollen ist hanebuechen.
*Bernhard Redl*
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