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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. Maerz 2010; 21:59
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Wien/Soziales/Polizei/Kommentar:

> Von Gummiparagraphen und -pruegeln

Die Boesartigkeit der Novelle des Wiener Landessicherheitsgesetzes
liegt im Detail

Jetzt hat die Sozialdemokratie doch noch ihr Bettelverbot beschlossen.
Aber es ist ja gar kein generelles Bettelverbot, sagt Siegi Lindenmayr
von der Mehrheitsfraktion: "Die Polizei bekommt ein zusaetzliches
Instrument. Wien wird keine Funmeile. In Wien ist Betteln weiterhin
fuer den Eigenbedarf erlaubt und die Stadt Wien wird Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der Stadt mit der Polizei mitschicken. Es wird Hilfe
vor Ort, sofort, geben. ... Also wir sorgen vor, dass es wirklich die
Richtigen trifft und nicht die Falschen."

Leider sieht das sogar die OeVP, gleichermassen voll des Lobs wie der
Haeme, anders: "Das ist schon ein ganz ein grosser Wurf, um die
Bettelei in Wien in Zukunft zu unterbinden, und ich glaube, das ist
schon etwas, was man anerkennen muss. Denn was gewerbsmaessige
Bettelei ist, das ist ja nicht das, was sich einige SPOe-Abgeordnete
ueberlegen und was sie gerne haetten, was gewerbsmaessige Bettelei
ist; sondern was gewerbsmaessige Bettelei ist, das gehoert zu den ganz
wenigen Legaldefinitionen ... die im Strafgesetzbuch definiert sind.
Und ich darf Sie auf § 70 des Strafgesetzbuches hinweisen ...:
'Gewerbsmaessig begeht eine strafbare Handlung, wer sie in der Absicht
vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende
Einnahme zu verschaffen.' - Es ist daher ganz klar, dass in Zukunft 99
von 100 Bettelfaellen in Zukunft in Wien verboten sein werden und das
ist gut so." So der Abgeordnete Wolfgang Ulm bei der Landtagssitzung
am Freitag.

Naja, aber wenigstens hat die Sozialdemokratie ihren Ausrutscher von
wegen "Verwahrlosung" zurueckgenommen. Doch dieser Rueckzug fand nur
in der Begruendung des Antrags statt; der beschlossene Gesetzestext
lautet gleich wie der im Antrag der SPOe. Und so kommt es nicht nur zu
einem praktisch vollkommenen Bettelverbot, das eben nicht von
landeseigenen Streetworkern, sondern von der Bundespolizei exekutiert
werden wird, sondern auch zu einem hoechst abenteuerlichen
Gummiparagraphen, der so ziemlich jedes abweichende Verhalten in der
Oeffentlichkeit zum Delikt machen koennte. Interessant ist auch die
legistische Vorgangsweise. So wurde zur Abwehr jener Menschen, die
zwar nicht betteln, aber halt irgendwie doch das Bild der sauberen
Stadt Wien stoeren, nicht etwa ein echter neuer Paragraph eingefuehrt,
sondern lediglich jener §3 des Wiener Landessicherheitsgesetzes, der
eigentlich geschaffen wurde, um Abtreibungsgegner von den Kliniken
fernzuhalten, modifiziert. So sind jetzt nach Absatz 2, Ziffer 3 auch
Menschen wegzuweisen, die andere "beim widmungsgemaessen Gebrauch von
oeffentlichen Einrichtungen unzumutbar beeintraechtigen". Eine solche
Beeintraechtigung sei laut Gesetz gegeben: "wenn das Verhalten
geeignet ist, bei anderen Personen durch unmittelbare Wahrnehmung
berechtigten Anstoss zu erregen, und wenn es entweder nicht bloss
kurze Zeit aufrechterhalten oder in einem vom Verursacher offenbar
nicht mehr kontrollierbaren Rauschzustand gesetzt wird" -- nu, da war
ja noch die Formulierung "Verwahrlosung" konkreter. Und hinzu kommt
dann noch die Strafbestimmung fuer alle, die auf die Weisung hin nicht
sofort verschwinden oder binnen 12 Stunden "ohne rechtfertigenden
Grund" wieder an diesen Ort zurueckkehren -- das kann dann eine
Geldstrafe bis zu 700 Euro oder im Falle der Uneinbringlichkeit eine
Woche Haft bedeuten. Und wer entscheidet, ob ich bei anderen Personen
berechtigten Anstoss errege? Ja, richtig, unsere liebe Wiener
Polizei. Die darf dann passend zum Gummiparagraphen auch den
dazugehoerenden -pruegel auspacken, um ihre nicht wirklich zu
begruendenden Wegweisungen mit Zwangsgewalt durchzusetzen.

Jetzt fragt sich nur noch, wo denn der grosse Unterschied zwischen
SPOe, OeVP und FPOe zu suchen ist...
*Bernhard Redl*



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