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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Maerz 2010; 21:45
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Moderne Zeiten/Kommentar:

> Ein Hoch aufs Grundgesetz

Ich habe mir die Verkuendung des Urteils des deutschen
Verfassungsgerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung im Fernsehen
angesehen und es genau so toll wie viele Kritiker des deutschen
Gesetzes gefunden, dass da die hoechsten Verfassungsrichter mit
Berufung auf das Grundgesetz und elementare Grundrechte ein Gesetz
fuer nichtig erklaeren -- ganz zu schweigen davon, dass die deutsche
Regierung ja alle bisher erhobenen Daten loeschen muss!

Ich finde es interessant und zugleich bedenklich,dass es ja auch in
Oesterreich diesbezuegliche Gesetzesinitiativen gibt -- siehe akin
02/2010 (akin-pd 20.1.2010)(1). Die Bedenken des deutschen
Verfassungsgerichtshofs entsprechen ja denen,die in Oesterreich z.B.
der Datenschutzrat erhoben hat: der Praesident des deutschen
Verfassungsgerichtshofs wies u.a.auf die mangelnde
Verhaeltnismaessigkeit hin und betonte,es duerfe keine pauschale
Speicherung von Daten geben,sondern nur fuer klar definierte Zwecke
und bei schwerwiegenden Verbrechen. Ganz klar,dass sich dann
CDU-"Innenpolitiker" heftig darueber aufgeregt haben,dass man dann
womoeglich nicht mehr alle Verbrechen bekaempfen/aufklaeren koenne.

Ausserdem kritisierten diese CDU-ler heftig die deutsche
Justizministerin,die ja zu den insgesamt 35.000(!) Personen gehoert,
die in einer gewaltigen Plattform gegen das Gesetz Stellung nahmen.

Die grundsaetzliche Problematik der Vorratsdatenspeicherung zeigte das
deutsche Fernsehen sehr anschaulich: junger Mann geht mit Freundin ins
Restaurant, mails werden hin-und hergeschickt, Anrufe per Mobiltelefon
getaetigt und dann im Restaurant die Kreditkarte benutzt -- durch
Verknuepfung all dieser Daten wissen dann die deutschen Behoerden ganz
genau, dass und wann die beiden in welchem Restaurant waren
(womoeglich sind die zwei ja ueble Terroristen und Staatsfeinde).

Ein wesentlicher Punkt des deutschen Urteils ist auch,dass in sehr
sensiblen Bereichen UeBERHAUPT KEINE Erfassung/Speicherung der Daten
erfolgen darf, naemlich im sozialen Bereich,also wenn jemand etwa an
Einrichtungen wie Schuldnerberatung, Anonyme Alkoholiker,
Drogenberatung u.dgl. herantritt (was ja zu erheblichen Problemen
fuehren koennten,wenn die betreffende Person sich dann um einen Posten
bewirbt und vom Personalchef mit solchen Daten konfrontiert wird).

"Natuerlich" ist die Chance,dass in Deutschland Gesetze,die gegen die
Grundrechte verstossen, NICHT "durchkommen",deshalb groesser,weil die
Grundrechte ja einen wesentlichen Teil des Grundgesetzes darstellen:
"Die Wuerde des Menschen ist unantastbar, sie zu achten und zu
schuetzen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Die
nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung.... als unmittelbar
geltendes Recht..."

Waer ja doch schoen,wenn die Grundrechte in Oesterreich einen aehnlich
hohen Schutz geniessen wuerden!(2)
*Gerhard Lehner*

*

Anmerkungen der Redaktion:

(1) Tatsaechlich handelt es sich dabei um eine EU-Richtlinie und damit
um eine Verpflichtung Oesterreichs zur Umsetzung. Das deutsche BVerfG
hat in Berufung auf Art. 10 GG auch nicht die gesamte Richtlinie fuer
verfassungswidrig erklaert, sondern nur Teile der deutschen Form der
Umsetzung. Siehe:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg10-011.html

(2) In Oesterreich sind in aehnlich klarer Form Brief- und
Fernmeldegeheimnis formal durch die Art. 10 und 10a des
Staatsgrundgesetzes (StGG) im Verfassungsrang garantiert. (Die
Europaeische Menschrechtskonvention, die in Oesterreich ebenfalls im
Verfassungsrang steht, ist diesbezueglich hingegen weniger rigide
formuliert, Art. 8 EMRK). Allerdings sind diese Grundrechte nicht
unmittelbar in das oesterreichische Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
inkorporiert und ihnen wird von der Judikatur zumeist auch nicht so
ein hoher Stellenwert eingeraeumt. Eine unmittelbare Rechtsgeltung
wird oft geleugnet.



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