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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Maerz 2010; 21:36
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Termin/Debatten:

> Der Faschismus und der demokratische Streit um seine Bewaeltigung
> (24.3.)

Der Faschismus war ein Unrechtsregime und Hitler ein Verbrecher, der
via "Auschwitz" viel Schaden und Schande ueber Verlierernation(en)
gebracht hat - und die Demokratie ist so ziemlich das Gegenteil davon.
Soweit die demokratische Allgemeinbildung; mehr muss man nicht wissen.
Das allerdings muss man vorbehaltlos glauben, das ist strikt
"verordnet", da ist die Meinungsfreiheit ausser Kraft gesetzt. Und
wenn die gebaerfreudige Kandidatin diesbezueglich eine Distanz zu
erkennen gibt, ist damit gleich ein "Grundkonsens" der Republik
tangiert! Na gut, die Diagnose einen Moment ernst genommen - dann
fehlt es halt an diesem "Grundkonsens", den Rechten passt nun einmal
die verlangte "political correctness" nicht, das weiss man schon
laenger, dann waere das "Fundament" der Republik eben im Arsch und
diese am Zerbrechen ... Alsdann geht die Dame nach Canossa - Fuehrer der
Kronenzeitung, befiehl, ich folge eidesstattlich! -, und die
oesterreichische Welt waere wieder in Ordnung? Die Verlaufsform kennt
man seit Haiders "Ausrutschern" - zuerst der Vorstoss, dann der
Rueckzieher; dann der naechste Einfall, die naechste "Entschuldigung",
usw., aber: An solchen aufgenoetigten halbseidenen Bekenntnissen soll
sich Wohl und Wehe der Republik entscheiden? Im Ernst?

Im Ernst: Der Streit hat durchaus einen Gegenstand, und der besteht
nicht in der Frage, ob der Faschismus nach Aufhebung der
Verbotsgesetze wieder propagiert werden darf oder lieber doch nicht.
Der Gegensatz ist einer in Sachen Traditionspflege, es geht um die
Vergangenheitsbewaeltigung. Das ist ein Feld, auf dem die
Selbstdarstellung der Politik stattfindet, durchaus jenseits jener
Felder, auf dem politische Interessen praktisch verfolgt werden. In
der Abteilung "Vergangenheitsbewaeltigung" geht es den
Nachfolgestaaten des Dritten Reiches darum, Schuld an und Scham ueber
die Untaten des NS-Regimes zur Schau stellen, um aus dieser
demonstrativen, berechnenden Pflege ihrer Verantwortung fuer "das
Grauen" einen neuen, sauberen Nationalismus zu untermauern. "Wir
koennen stolz auf eine Nation sein, weil die sich seit 65 Jahren
(Deutschland) bzw. seit 25 Jahren immerhin teilweise (Oesterreich) so
vorbildlich schaemt" - das ist die Linie, mit der die Rechten sich
nicht anfreunden koennen.

Diese umstaendliche Form der Vergangenheitsbewaeltigung, die aus
negativem Nationalismus ein neues nationales Ansehensanspruchsprogramm
ableitet, verdutzt manche Oesterreicher. Die sehen nicht ein, wie und
warum man auf eine Nation stolz sein koennen soll, deren Vergangenheit
man selbst so abgrundtief schlecht macht, die man einer
fuerchterlichen und sogar "singulaeren" Schandtat bezichtigt - die
noch dazu genau genommen das seinerzeitige Deutschland zu verantworten
hat. Verwirrend, das alles, und dann auch wieder nicht: Den
"Ewiggestrigen" leuchtet nicht ein, wie aus dem Eingestaendnis
vergangener "Verbrechen" ein Anspruch auf gegenwaertigen Respekt
abgeleitet werden kann. Rechte Einwaende gegen diese urspruenglich vor
allem vom Nachkriegsdeutschland berechnend betriebene "Schamkultur"
treffen also durchaus den normalen Nationalismus: Gestandene
Oesterreicher halten daran fest, dass ein Oesterreicher auf
Oesterreich stolz sein kann - ganz ohne den Umweg ueber die staendige
Distanzierung von "Auschwitz". Und sie lernen aus der aktuellen
Affaere auch nur, dass man beim oeffentlichen Schwadronieren aufpassen
muss. Auf die Rechtslage.

Eine Affaere also einerseits in den hoeheren Etagen der Pflege von
Stolz und Nationalbewusstsein, ein Betaetigungsfeld fuer besonders
sorgfaeltige Patrioten jenseits jeder praktisch-politischen Relevanz.
Und dennoch: Ungefaehr gleichzeitig verabschiedet der Auswaertige
Ausschuss des US-Repraesentantenhauses eine Resolution, in der die
tuerkischen Massaker an den Armeniern waehrend des ersten Weltkriegs
als "Voelkermord" eingestuft werden. Die Lichtgestalt im Weissen Haus
soll wegen der Beziehungen zur Tuerkei dagegen gewesen sein, die sich
prompt verschlechtern: Die Tuerkei ruft ihren Botschafter in den USA
"zu Beratungen" zurueck. Der schwedische Reichstag folgt ein paar Tage
spaeter mit einer analogen Deklaration, der tuerkische
Ministerpraesident sagt darauf seinen geplanten Staatsbesuch ab.

In der Tuerkei ist das Leugnen des Voelkermordes an den Armeniern
naemlich geboten, in Mitteleuropa ist das Leugnen des Voelkermordes an
den Juden verboten. Der Grund fuer diese Vorschriften ist uebrigens
ein und derselbe...
(Aussendung der Gruppe GegenStandpunkt)

GegenStandpunkt & Diskussion: Referent: Dr. Herbert Auinger. Mittwoch
24.3. um 19:00 Uni Wien, Cafe Siebenstern, Siebensterngasse 31, 1070
Wien



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