**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Maerz 2010; 21:26
**********************************************************

Asyl

> Vom Sterben auf der Flucht

Asylamt wollte HIV-kranke Frau nach Polen deportieren. Dort wurden ihr
schon einmal die Medikamente weggenommen. Asyl in Not-Beschwerde hatte
Erfolg.


Fatima K. aus Tschetschenien ist HIV-positiv. Sie ist jetzt zum
zweiten Mal in Oesterreich. Erstmals kam sie im Oktober 2008 ueber
Polen hierher und beantragte Asyl. Sie wollte deshalb nach
Oesterreich, weil sie hier Verwandte hat. Sie hat Angst davor, zu
sterben wie ihr Mann, der an der gleichen Krankheit litt.

Wenn sie stirbt, moechte Fatima nicht allein sein. Sie haette gern,
dass ihre Verwandten in der Naehe sind und sich auch danach um ihre
Kinder kuemmern. Oesterreich wies ihren Asylantrag im Maerz 2009
rechtskraeftig zurueck und deportierte sie nach Polen.

So will es die beruechtigte "Dublin-Verordnung": Fluechtlinge, die
durch einen anderen EU-Staat gereist sind, muessen dorthin zurueck -
egal wie schlecht die Zustaende dort sind.

In Polen wurde Fatima mit ihren Kindern ins Gefaengnis gesteckt.
Schlimmer noch: Man nahm ihr sofort die Medikamente weg. Vergebens
beteuerte sie, an HIV zu leiden und die Medikamente taeglich zur
gleichen Zeit schlucken zu muessen.

In der Schubhaft in Polen erhielt sie keinerlei medizinische
Versorgung, sodass es ihr von Tag zu Tag schlechter ging. Sie bat
verzweifelt um Hilfe, aber ohne irgend einen Erfolg. Das
Gefaengnispersonal meinte, sie sei doch schon so gut wie tot, da
brauche sie keine Medikamente mehr...

Nach zwei Monaten konnte sie das Bett kaum noch verlassen. Ihr war
durch die Krankheit so uebel, dass sie sich staendig uebergeben
musste. In diesem Zustand wurde sie endlich einem Arzt vorgefuehrt.

Aber auch der Arzt sagte nur, sie sei doch "ohnedies schon eine
Leiche", da kaemen Medikamente zu teuer. Er wies sie an, ihr Zimmer
"wegen Ansteckungsgefahr" nicht zu verlassen, sonst wuerde er allen
von ihrer Krankheit erzaehlen und sie haette noch groessere Probleme.

Schliesslich wurde sie dann doch als haftunfaehig entlassen.
Medikamente bekam sie noch immer keine, obwohl sie verschiedene
zustaendige Stellen aufsuchte. Daher fluechtete sie wieder nach
Oesterreich und stellte im April 2009 ihren zweiten Asylantrag.

In Oesterreich wurde sie wenigstens sofort zu einem Arzt geschickt,
der eine fortgeschrittene Immundefizienz feststellte und ihr
Medikamente verschrieb. Der Arzt betonte, eine Fortsetzung der
Therapie in Oesterreich sei dringend erforderlich, da diese
Medikamente weder in Polen, noch in Tschetschenien erhaeltlich seien.

Auch eine vom Asylamt beauftragte Aerztin in Traiskirchen stellte
fest, dass sich der Gesundheitszustand in Folge der Unterbrechung der
Behandlung wesentlich verschlechtert hatte.

Fatima war einem Gutachten zufolge "in unmittelbarer Gefahr,
lebensbedrohliche opportunistische Erkrankungen zu aquirieren", welche
nur dann auftreten, wenn die Immunabwehr bereits schwer
beeintraechtigt ist. Bei einer weiteren Verschlechterung besteht akute
Lebensgefahr.

Trotzdem wies das Bundesasylamt ihren Antrag neuerlich zurueck, da
Polen fuer ihr Verfahren zustaendig sei.

Asyl in Not-Juristin Judith Ruderstaller erhob dagegen Beschwerde an
den Asylgerichtshof. Dieser hob den skandaloesen Bescheid der
Erstinstanz auf, da es offensichtlich sei, dass Polen die noetige
medizinische Versorgung verweigert habe. Eine neuerliche Ueberstellung
nach Polen duerfe erst erfolgen, wenn Polen eine Fortsetzung der
Behandlung garantiere.

Somit ging der Fall zur Erstinstanz zurueck. Das Bundesasylamt
erliess - in Missachtung der Auflagen des Asylgerichtshofes - im
Februar 2010 abermals einen "Dublin-Bescheid" und wies Fatima und ihre
Kinder nach Polen aus.

Judith Ruderstaller erhob dagegen abermals Beschwerde an den
Asylgerichtshof; Asylrichter Dr. Rosenauer behob auch diesmal den
skandaloesen Bescheid und verwies den Fall zur Durchfuehrung des
materiellen Asylverfahrens an das Bundesasylamt zurueck.

Das Asylamt darf somit keinen neuen Dublinbescheid erlassen, sondern
muss endlich Fatimas Fluchtgruende pruefen.

Ein Erfolg unserer parteiischen Rechtsvertretung, aber mit bitterem
Beigeschmack. Das Asylamt hatte unsere Mandantin in Lebensgefahr
gebracht, ihre Gesundheit schwer geschaedigt und war im Begriff, das
Gleiche noch einmal zu tun. Dieser Versuch konnte durch unser
Einschreiten gerade noch unterbunden werden.
*Michael Genner, Asyl in Not / gek.*

***

> Schweiz: Wieder "Lagebedingter Erstickungstod"

Am Abend des 17. Maerz 2010 starb ein 29-jaehriger abgewiesener
Fluechtling aus Nigeria durch "lagebedingten Erstickungstod" vor der
Abschiebung am Flughafen in Zuerich. Er war vor seiner Abschiebung
gefesselt worden. Laut Angaben der Polizei haetten die Beamten sofort
die Fesseln geloest, als sie Erstickungszeichen gesehen haetten. Doch
es waere halt schon zu spaet gewesen.

Dies war allerdings in der Schweiz nicht der erste abzuschiebende
Asylwerber, dessen Todesursache mit "lagebedingten Erstickungstod"
angegeben wurde. Samson Chukwu starb 2001 auf aehnliche Weise in der
Schubhaft im Kanton Wallis. Das Ermittlungsverfahren gegen die beiden
Polizisten wegen fahrlaessiger Toetung wurde damals bald wieder
eingestellt. Die Polizeibeamten haetten nicht wissen koennen, dass die
von ihnen angewendeten Griffe gefaehrlich sein koennten, so die
Begruendung.

Tod auch in Hamburg

Am 7.Maerz starb im Hamburger Gefaengniskrankenhaus der 17-jaehrige
David M. Nachdem er bereits tagelang jegliche Nahrung verweigert
hatte, wurde er dort erhaengt aufgefunden. Der aus Georgien stammende
David war unbegleitet eingereist und sass damals seit einen Monat in
Schubhaft. (akin)

Quelle: no-racism.net, u.a.: http://no-racism.net/article/3292




***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin