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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. Maerz 2010; 21:49
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Spanien:
> Hausbesetzung als Massenphaenomen
Auf sozialem Gebiet ist Spanien das Land der traurigen Rekorde: Mit 
19,4% (November 2009) hat es die hoechste Erwerbslosenquote in 
Westeuropa (in der EU ist nur Lettland mit 23,3% noch schlechter 
dran), eine dramatische Jugendarbeitslosigkeit (42%), die meisten 
prekaer Beschaeftigten (35%), entsprechend geringe Einkommen und eine 
grosse Wohnungsnot. Um zumindest dieses Problem zu loesen, greifen in 
Barcelona nun immer mehr Menschen zur Eigeninitiative und besetzen 
leer stehenden Wohnraum. Resigniert stellte die "Frankfurter 
Allgemeine" als fuehrendes deutsches Unternehmerblatt am 30.12.2009 
fest: "Hausbesetzungen werden offenbar zu einer akzeptierten 
gesellschaftlichen Praxis."
Hintergrund: Am 10.Dezember hatte das in der katalanischen Hauptstadt 
erscheinende, englisch-spanischsprachige Stadtmagazin "BCN Week" in 
einem langen Artikel einen acht Punkte umfassenden detaillierten 
Empfehlungskatalog fuer angehende "okupas" veroeffentlicht. Die Tipps 
reichen von praktischen Hinweisen (leere Haeuser finden, Schloesser 
austauschen, bei Auftauchen der Polizei Tueren und Erdgeschossfenster 
verrammelt halten und den Personalausweis an einer Schnur 
herunterlassen) bis zur richtigen Taktik (Informationen ueber den 
Besitzer sammeln, das Vertrauen der Nachbarn gewinnen etc.)
Laut Berichten der liberal-konservativen katalanischen Tageszeitung 
"La Vanguardia" sind Besetzungen aufgrund der massiven Wohnungsnot von 
einer Sache der linksradikalen, autonomen Jugendszene zu einem 
Massenphaenomen geworden. Die heutigen Besetzer kaemen aus allen 
Altersklassen und nicht selten handele es sich um ganze Familien mit 
Kind und Kegel, die auf diese Weise dem "sozialen Elend zu entgehen" 
versuchen.
Angesichts dieser immer breiteren Infragestellung der buergerlichen 
"Legalitaet" sind die Behoerden zu einer Tolerierungspolitik 
uebergegangen. Nach Angaben der "BCN-Week"-Redakteurin Núria Ferrer 
ist den Stadtoberen "Hausbesetzung laestig, anderseits gibt es 
staedtische Stellen, um mit ihr umzugehen. Auch wenn es paradox 
erscheint, denn Hausbesetzungen sind ja ungesetzlich, glauben wir, 
dass eine der Staerken von Barcelona darin besteht, sich komplexen 
gesellschaftlichen Problemen zu stellen."
Im Zuge dieser Entwicklung hat sich das Kraefteverhaeltnis eindeutig 
zu Ungunsten der Vermieter veraendert. Ein Prozess, um den Abzug der 
Besetzer oder eine Raeumung zu erwirken, kann sich laut "La 
Vanguardia" leicht "ueber Jahre hinziehen, wenn die Eigentuemer vor 
Gericht nicht nachweisen koennen, dass sie das Wohneigentum unbedingt 
benoetigen".
Nicht auszuschliessen, dass es hierzulande zu Nachahmereffekten kommt, 
wenn die schwarz-gelbe Koalition der Merkel und Westerwelle, wie 
angedroht, die Erstattung der "Kosten der Unterkunft" fuer 
Arbeitslosengeld-2-Bezieher tatsaechlich kuerzt...
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Quelle: "Erwerbslosen-Info" 
("Infobrief fuer Erwerbslose, prekaer 
Beschaeftigte und Geringverdiener mit Widerstandswillen") Nummer 2 von 
Feb 2010 (ueber gewerkschaftsforum hannover und 
www.labournetaustria.at)
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