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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. Maerz 2010; 19:31
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Debatten:

> "Das Patriarchat"

Antwort auf -EH-s Replik bzgl. "autonomer Rechtssysteme", akin 5/2010,
akin-pd 23.2.2010 (in Folge der "Totschlag-Debatte" seit akin 2/2010,
akin-pd 20.1.2010)


Liebe -EH-! Ich moechte mich an dieser Stelle aufrichtig fuer meine
Schlampigkeit bei der Wiedergabe der Sachlage entschuldigen. Ich bin
wohl etwas zu hastig und unvorbereitet an die Sache herangegangen, und
habe mir ein paar notwendige Ausfuehrungen gespart bzw. schlecht
recherchiert.

Ich danke dir jedoch fuer deine wertvolle Antwort. Kritik an der --
wie gesagt umstrittenen -- Definitionsmacht (DefMa) der Betroffenen
aus rechtsstaatlicher Perspektive ist schwer zu kriegen. Ich hoffe,
dass unser Austausch ein paar Leute zu neuen Standpunkten und/oder
Argumenten inspiriert hat.

Ich habe meine Meinung beim Schildern der DefMa (wir Linken und unsre
Geheimsprache) bewusst zurueckgenommen. Es gibt Gegenentwuerfe zu
diesem Konzept, die mir mehr zusagen als eine Definitionsmacht der
Betroffenen, die sich auf Frauen beschraenkt, waehrend maennliche und
transgender/queere "Opfer" im Konzept nur unter "ferner liefen"
angefuehrt werden.

Bei der "transformativen Hilfe" geht es zB darum, Betroffene und
Taeter zur Deeskalation erst mal zu trennen, und beiden die
Hilfestellung zu geben, die sie benoetigen. Dem/der Betroffenen
Unterstuetzung und Geborgenheit, dem/der TaeterIn Hilfe, aggressive
Verhaltensweisen zu verlernen.

Wichtig ist bei transformativer Hilfe UND DefMa, dass sich jedeR
bewusst ist, dass individuelle Grenzen beliebig weit gesteckt sein
koennen, und jedeR damit potentielleR TaeterIn ist (im Gegensatz zum
herrschenden Bild in der Gesellschaft, dass die Kriminellen immer die
Anderen sind und VergewaltigerInnen prinzipiell psychopathische
Monster).

Dies erfordert natuerlich eine bisher ungekannte Sensibiltaet der
Gesellschaft und ihrer Mitglieder. Wenn nur Frauen das Recht auf
Anwendung der DefMa vorbehalten bleibt, entfaellt fuer diese
natuerlich auch die Notwendigkeit, sich mit der TaeterInnenrolle
auseinanderzusetzen.

Wenn ich von einem autonomen Gegenentwurf schreibe, dann meine ich
damit einen Entwurf, der unabhaengig von herrschenden Verhaeltnissen
angewendet wird. Ich erhebe eben nicht den Anspruch darauf, dass die
Definitionsmacht der Betroffenen die Definitionsmacht der Justiz
abloest. Ich wollte lediglich darauf aufmerksam machen, dass fuer
einige Leute der Eindruck entstanden sein koennte, dass hier versucht
wurde, den Taeter in einer gewissen Art und Weise zu ent-schuldigen.

JedeR von uns hat ihre/seine eigene, subjektive Wahrnehmung von dem
Fall und dem Urteil (meine war z.B. anfangs vollkommen falsch).
Wirklich wesentlich ist, meiner Meinung nach, aber vor allem die
Wahrnehmung der Betroffenen.

Da die Betroffene ueberlebt hat, halte ich es fuer noch
unangebrachter, vom Fall des Tuerken zu sprechen, der seine Frau
niedergestochen hat, und dabei seiner Frau die Rolle des Objekts (im
grammatikalischen Sinne) zu ueberlassen. Gewissermassen ist dieser
Mangel in der Berichterstattung ja der Grund fuer meine falschen
Informationen zum Verbleib der Armen (soll jetzt keine Ausrede sein),
weil es einfach nicht wichtig zu sein scheint.

Die Absicht hinter meinem Artikel war allerdings, Kritik am
Patriarchat zu foerdern. Ich empfehle zur Einfuehrung die
Wikipediaartikel "Patriarchat (Soziologie)" und "Matriarchat". Wie bei
Wikipedia ueblich, kann man sich ja dann beliebig durch die verlinkten
Stichwoerter wuehlen.

Ich glaube nicht, dass das Patriarchat dadurch gebrochen werden kann,
dass man Frauen auf die Posten von Maennern setzt. Dann haette z.B.
Margaret Thatchers Politik einen wahren Segen fuer die Emanzipation
der Frau bedeuten muessen (vielleicht uebertreibe ich etwas).

Dass sich das Patriarchat gegen die "Urgesellschaft" durchgesetzt hat,
ist nun schon mehr als 5000 Jahre her, und die Mitglieder der
Gesellschaft praegen einander gegenseitig und reproduzieren ihr
Verhalten Generation fuer Generation.

Eigentum und Besitz, das Recht des Staerkeren (der Mehrheit),
Marginalisierung, Einflussnahme auf alle Lebensbereiche der/des
Einzelnen,... sind auffaellige Merkmale unserer Gesellschaft, und ich
habe mich lange gefragt, wer eigentlich damit angefangen hat.

Die Auseinandersetzung mit dem Patriarchat liefert -- so finde ich --
eine recht gute Antwort darauf, wer eigentlich auf die Idee gekommen
ist, den Anspruch auf ein Stueck Land zu erheben. Wem der Begriff
Patriarchat nicht gefaellt (er ruft ja doch wieder nur
geschlechtsbezogene Assoziationen hervor), die/der kann auch vom
Faustrecht sprechen. Letztendlich laeuft es auf das hinaus. Selbst
Staatsgewalt basiert auf dem Recht der Staerkeren, so oft und penibel
man sie auch teilen mag.

Aber um zum Ausgangspunkt zurueckzukehren: Zentralinstanzen weisen auf
eine patriarchale Gesellschaftsform hin. Die Einsetzung von
Richterinnen und Ministerinnen tut daran keinen Abbruch. Auch Frauen
koennen patriarchal gepraegt sein. Der Fortschritt, der in den letzten
50 Jahren erzielt wurde, besteht darin, dass sie sich ihr Rollenbild
nun aussuchen koennen.

Wer meint, in einem Patriarchat (oder aus dem Patriarchat heraus)
koennten Frauen nicht die selben Fehler machen wie Maenner, begeht
einen folgenreichen Fehler.

Wenn zB Frauen auf Grund von Quoten eingesetzt werden, so werden es ja
wieder nur die sein, die sich im Wettbewerb am besten durchsetzen
koennen.

Der Schluessel liegt also darin, die Schwaechen unserer verholzten
Systeme zu entdecken, und sie im Alltag nicht zu reproduzieren. Erst
wenn diese Haltung Einfluss z.B. in der Funktionsweise von Parteien
hat, koennen diese Parteien emanzipierte Maenner und Frauen
hervorbringen.

Unabhaengig davon muss es aber auch moeglich sein, Utopien und
Alternativen zuzulassen bzw. auszubrueten und umzusetzen, denn nur
weil ein System -- repraesentative Demokratie z.B. -- durch eine
Mehrheit legitimiert ist, heisst das nicht automatisch dass sich alle
in ihm frei fuehlen.

Mit den besten Wuenschen all jenen, die unterm Joch der Repression
leiden
*-postcore-*



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