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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. Maerz 2010; 19:36
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Buecher:
> Gefahr aus dem Osten
Gregor Mayer, Bernhard Odehnal
Aufmarsch - Die rechte Gefahr aus Osteuropa
Mit einem Geleitwort von Paul Lendvai
Residenz Verlag, St.Poelten/Salzburg, 297 Seiten
Gregor Mayer und Bernhard Odenahl zeigen in dem soeben erschienenen 
Buch die erschreckende Ausbreitung des Rechtsextremismus in den 
mittel- und osteuropaeischen Laendern. Die beiden Autoren schildern 
die Lage in sechs Staaten: Ungarn, Tschechien, Slowakei, Kroatien, 
Serbien und Bulgarien.
Besonders spitzte sich in den letzten Jahren die Situation in Ungarn 
zu. Die rechtsextreme Partei Jobbik (auf deutsch: die "Besseren") 
erhielt bei den Europawahlen im Vorjahr 15 Prozent der Stimmen und 
damit drei Abgeordnete. Bei den in Baelde stattfindenden Wahlen zum 
ungarischen Parlament werden ihnen in Meinungsumfragen und Prognosen 
rund acht Prozent gegeben, womit sie den Sprung ins Parlament schaffen 
wuerden.
Jobbik hat sich zu einem richtigen "System" entwickelt: es umfasst 
Jugendorganisationen ebenso wie die zwar verbotene, aber 
weitermarschierende "ungarische Garde" (S.71). Hass auf Roma (bis hin 
zum Mord) und Antisemitismus sind die idelogischen Leitsterne der 
"Besseren".
Gregor Mayer schildert die Genese des "Erfolgs" von Jobbik und den 
nationalistischen Sockel, auf dem die heutigen Rechtsextremen aufbauen 
konnten und koennen: das weitgehende Unverstaendnis der Revolutionaere 
von 1848 fuer die von den Ungarn unterdrueckten Nationen (Kroaten, 
Rumaenen, Serben) und das "Trauma von Trianon" 1920, bei dem Ungarn 
zwei Drittel seines Vorkriegsterritoriums einbuesste (S.22).
Nach der Befreiung 1945 (zuerst kam das Horthy-Regime, dann ab 1944 
die faschistische Pfeilkreuzler-Herrschaft von Hitlers Gnaden) wurden 
im "realen Sozialismus" zwar deren Verbrechen angeprangert, der 
Holocaust jedoch kaum problematisiert.
Auf der Basis dieses unaufgearbeiteten historischen Schuttes konnte 
Jobbik die Unzufriedenheit ueber aktuelle soziale, wirtschaftliche und 
politische Zustaende auf "Juden und Zigeuner" projizieren - im Bunde 
mit und gefoedert durch den "Dammbrecher" Viktor Orban und seine 
Partei Fidesz (S.33 ff.).
Die Grenzen des Buches zeigen sich dort, wo es um die Gruende fuer 
diese Unzufriedenheit geht. Die "Reformmassnahmen" der diversen 
ungarischen Regierungen, also deren prokapitalistische 
Sozialabbau-Konzepte, werden als unerlaesslich eingestuft und deren 
"Verschleppung" beklagt (S.41). Im Geleitwort von Paul Lendvai ist 
sogar generell von "unbestrittenen Erfolgen der neuen Mitglieder der 
Europaeischen Union auf dem Wege zu einer Marktwirtschaft" die Rede 
(S.7). Diese Schieflage ist im ganzen Buch vorhanden.
Die Analyse der AutorInnen geht nicht tief (so fehlen etwa genauere 
Waehlerstromanalysen); voellig unzulaenglich sind die vorgeschlagenen 
praktischen Schritte gegen die extreme Rechte: sie erschoepfen sich im 
wesentlichen in Aufklaerung, in staatlichen Massnahmen, Wuensche nach 
etwas mehr Zivilcourage und Hoffnung auf die EU: "Wir teilen einen 
gewissen Werte -- und Ideenkanon" (S. 16). Dass es gerade der Einfall 
eines Auspluenderungs-Kapitalismus in Mittel -- und Osteuropa nach der 
"Wende" ist, der den gesellschaftlichen Naehrboden fuer das Ansteigen 
der rechtsextremen und zum Teil offen faschistischen Woge darstellt, 
wird nicht zum Thema.
Ich denke, man/frau sollte sich das Buch als durchaus informatives 
Sachbuch geben, geeignet, um etwas zu erfahren ueber die zwar seit 
kurzem verbotene, aber ebenfalls weiteragierende rechtsextreme 
"Arbeiterpartei" in Tschechien, ueber die Ustascha-Nostalgiker in 
Kroatien oder die bulgarischen Neofaschisten. Und sich anschliessend 
ueber notwendige Massnahmen gegen den Rechtsextremismus selbst einen 
Reim machen.
*Hermann Dworczak*
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