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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Februar 2010; 20:48
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Israel/Kommentar:
> Dubioses in Dubai
*Uri Avnery* ueber den Mord an einem Hamas-Offizier in den Arabischen
Emiraten vor einem Monat und die eigenartige Welt der Geheimdienste.
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VON ZEIT zu Zeit frage ich mich: was wuerde geschehen, wenn sich die
Regierungen der Welt entscheiden wuerden, zum selben Zeitpunkt ihre
Spionage-Agenturen aufzuloesen?
Das wuerde zwar ein grosser Schlag gegenueber Autoren und Filmemachern
sein, die ihren Lebensunterhalt mit Spionagegeschichten verdienen.
Ihre Produkte wuerden ihren Reiz verlieren.
Aber wie wuerde der wirkliche Schaden aussehen, wenn Washington
aufhoerte, in Moskau zu spionieren und Moskau in Washington und beide
in Peking? Die Folge waere ein Knueller. Unmengen von Geld wuerden
gespart werden, da ein grosser Teil der Bemuehungen jeder
Spionage-Agentur dafuer verwendet wird, die Intrigen der Konkurrenz zu
zerstoeren. Wie vielen Analphabeten koennte Lesen und Schreiben
beigebracht, wie viele hungrige Leute koennten damit ernaehrt, wie
viele Krankheiten besiegt werden?
Die beliebten populaeren Buecher und Filme feiern die imaginaeren
Erfolge der Spionagedienste. Die Realitaet ist viel prosaischer und
voll wirklicher Fehlschlaege.
DIE BEIDEN klassischen Katastrophen des Geheimdienstes geschahen
waehrend des 2. Weltkriegs. Bei beiden lieferten die Geheimdienste
ihren politischen Bossen falsche Einschaetzungen, oder die Fuehrer
ignorierten ihre akkuraten Beurteilungen. So weit es die Folgen
betrifft, liefen beide auf das Gleiche hinaus.
Genosse Stalin war von dem deutschen Ueberfall auf die Sowjetunion
voellig ueberrascht, obwohl die Deutschen Monate benoetigten, ihre
riesigen Invasionstruppen an Ort und Stelle zu versammeln. Praesident
Roosevelt war vom japanischen Angriff auf Pearl Harbor voellig
ueberrascht, obwohl der groesste Teil der japanischen Flotte daran
teil nahm. Die Fehlschlaege waren so phantastisch, dass
Spionageliebhaber Zuflucht zu Verschwoerungstheorien nehmen mussten,
um sie zu erklaeren. Eine dieser Theorien besagt, dass Stalin
absichtlich die Warnungen ignoriert habe, weil er Hitler mit einem
eigenen Angriff ueberraschen wollte. Eine andere Theorie behauptet,
dass Roosevelt die Japaner praktisch zu dem Angriff "eingeladen" habe,
weil er einen Vorwand benoetigte, um die USA in einen unpopulaeren
Krieg hineinzuziehen.
Aber seitdem folgt ein Fehlschlag dem anderen. Alle westlichen
Spionageagenturen waren von der Khomeini-Revolution im Iran voellig
ueberrascht. Alle waren vom Kollaps der Sowjetunion total ueberrascht.
Sie waren voellig vom Fall der Berliner Mauer ueberrascht. Und alle
lieferten falsche Informationen ueber Saddam Husseins imaginaere
Massenvernichtungswaffen.
ACH, SAGEN unsere Leute, das geschieht bei den Goyim. Aber nicht bei
uns. Unser Geheimdienst ist wie kein anderer. Das juedische Gehirn hat
den Mossad erfunden, der alles weiss und der zu allem faehig ist
(Mossad = "Institut" ist die Kurzform fuer "Institut fuer
Nachrichtendienst und Sonderoperationen").
Wirklich? Beim Ausbruch des 1948er Krieges unterrichteten alle Chefs
der Nachrichtendienste einmuetig David Ben Gurion, die Armeen der
arabischen Staaten wuerden nicht intervenieren. (Zum Glueck richtete
sich David Ben Gurion nicht danach.) Im Mai 1967 war unsere ganze
Nachrichtendienstgemeinde von der Konzentration der aegyptischen Armee
im Sinai total ueberrascht, dem Schritt, der zum Sechs-Tage-Krieg
fuehrte. Der aegyptisch-syrische Angriff an Yom Kippur, 1973,
ueberraschte voellig unsere Nachrichtendienste, obwohl es eine Menge
Warnungen im voraus gab.
Die Geheimdienstagenturen wurden von der ersten Intifada voellig
ueberrascht und dann wieder von der zweiten. Sie waren von der
Khomeini-Revolution total ueberrascht, obwohl (oder gerade weil) sie
tief ins Schah-Regime eingebettet waren. Sie waren vom Hamas-Sieg bei
den palaestinensischen Wahlen voellig ueberrascht.
Die Liste ist lang und unruehmlich. Aber auf einem Feld - so sagt
man - zeichnet sich unser Mossad wie kein anderer aus: bei Attentaten.
(Pardon, bei den "Eliminierungen").
STEPHEN SPIELBERGS Film "Muenchen" beschreibt die Attentate
(‚Eliminierungen') auf die PLO-Offiziellen nach dem Massaker der
Athleten bei den Olympischen Spielen 1972. Nach dem Massaker (die
Hauptverantwortung dafuer fiel auf die inkompetente und
unverantwortliche bayrische Polizei), toetete der Mossad auf Befehl
von Golda Meir sieben PLO-Offizielle - zur Freude der rachedurstigen
israelischen Oeffentlichkeit. Fast alle Opfer waren PLO-Diplomaten,
die zivilen Vertreter der Organisation in europaeischen Hauptstaedten,
die keine direkte Verbindung zu den gewalttaetigen Operationen hatten.
Ihre Taetigkeiten waren oeffentlich, sie arbeiteten in regulaeren
Bueros und lebten mit ihren Familien in Wohngebaeuden. Sie waren
statische Ziele, eine leichte Beute.
Bei einer der Aktionen - die der letzten Affaere aehnelt - wurde ein
marokkanischer Kellner in der norwegischen Stadt Lillehammer
irrtuemlicherweise ermordet. Der Mossad hielt ihn fuer Ali Hassan
Salameh, einen ranghohen Fatahoffizier, der als Kontaktmann mit dem
CIA diente. Die Mossadagenten wurden identifiziert, verhaftet und zu
langen Gefaengnisstrafen verurteilt ( aber sehr bald entlassen). Der
echte Salameh wurde spaeter ‚eliminiert'.
1988, fuenf Jahre vor dem Oslo-Abkommen, wurde Abu Jihad (Halil
al-Wazir), die Nummer zwei in der Fatah, in Tunis vor den Augen der
Frau und der Kinder ermordet. Waere er nicht ermordet worden, wuerde
er wahrscheinlich heute als Praesident der palaestinensischen Behoerde
anstelle von Abu Mazen (Mahmoud Abbas) dienen. Er wuerde denselben
Rang in seinem Volk gehabt haben wie Yassir Arafat - der
hoechstwahrscheinlich mit einem Gift getoetet wurde, das keine Spuren
hinterlaesst.
Das Fiasko, das der letzten Aktion am meisten gleicht, war der Versuch
des Mossad, Khaled Mishal, einem ranghohen Hamasfuehrer, das Leben zu
nehmen - und zwar auf Befehl von Binyamin Netanyahu. Die Mossadagenten
ueberfielen ihn in einer Hauptstrasse von Amman und spritzten ihm ein
Nervengift ins Ohr, das ihn toeten sollte, ohne Spuren zu
hinterlassen. Sie wurden an Ort und Stelle ueberwaeltigt. Koenig
Hussein, der Hauptverbuendete der israelischen Regierung in der
arabischen Welt, war wuetend und stellte ein Ultimatum: entweder
wuerde Israel sofort ein Gegengift liefern und Mishals Leben retten,
oder die Mossadagenten wuerden durch den Strang hingerichtet werden.
Netanyahu gab wie ueblich nach, Mishal wurde gerettet, und die
israelische Regierung entliess als eine Art Bonus Sheich Ahmed Yassin,
den Haupt-Hamasfuehrer. Er wurde spaeter durch eine Hoellenfeuerrakete
‚eliminiert'.
WAeHREND DER letzten Wochen wurde eine Unmenge zu der Ermordung von
Mahmoud al-Mabhouh in Dubai geschrieben, einem anderen Hamasoffizier.
Die Israelis stimmten vom ersten Augenblick darin ueberein, dass dies
wieder der Job des Mossad war. Was fuer eine phantastische Tat! Wie
konnten sie nur so lange im voraus wissen, wann der Mann nach Dubai
ging, welchen Flug er nahm, in welchem Hotel er bliebe? Was fuer eine
praezise Planung!
Als die Probleme sichtbar zu werden begannen und die Fotos der
Attentaeter auf den TVs in aller Welt erschienen, nahm die
Begeisterung ab, aber nur ein wenig. Eine alte und bewaehrte
israelische Methode wurde angewandt: man nehme ein marginales Detail
und diskutiere es leidenschaftlich und ignoriere das Hauptproblem. Man
konzentriere sich auf einen besonderen Baum und lenke die
Aufmerksamkeit vom Wald ab.
Warum benuetzten die Agenten die Namen von wirklichen Leuten, die in
Israel leben und eine doppelte Staatsangehoerigkeit haben? Warum
benuetzen sie von allen moeglichen Paessen ausgerechnet die von
befreundeten Staaten: Wie konnten sie sicher sein, dass die Besitzer
dieser Paesse nicht zur entscheidenden Zeit auch ins Ausland fliegen?
Ausserdem - war ihnen nicht klar, dass Dubai voller Kameras ist, die
jede Bewegung aufnehmen? Sahen sie nicht voraus, dass die lokale
Polizei Filme der Ermordung in allen Details produzieren wuerde ?
Aber das hat in Israel nicht sehr viel Aufregung verursacht. Jeder
verstand, dass die Briten und Iren gezwungen waren, zu protestieren;
aber das geschah nur der Form halber. Hinter den Szenen gibt es intime
Verbindungen zwischen dem Mossad und den anderen Nachrichtendiensten.
Nach ein paar Wochen wird alles vergessen sein. So war es in Norwegen
nach Lillehammer, so ging es in Jordanien nach der Mishal-Affaere. Sie
werden protestieren, tadeln - und damit hat es sich. Was ist also das
Problem?
DAS PROBLEM ist, dass der Mossad wie ein unabhaengiger Lehnsherr
handelt, der die vitalen, langfristigen, politischen und strategischen
Interessen Israels ignoriert und sich der automatischen Unterstuetzung
eines unverantwortlichen Ministerpraesidenten erfreut. Er ist - wie
ein englischer Ausdruck sagt - eine "lose Kanone" - eine Kanone auf
einem Schiff aus alten Zeiten, die sich aus ihren Befestigungen loeste
und auf dem Deck herumrollt und jeden ungluecklichen Seemann zu Tode
drueckt, der zufaellig in ihren Weg kommt.
Vom strategischen Standpunkt aus verursacht die Dubai-Operation der
israelischen Regierungspolitik schweren Schaden. Die Kampagne gegen
den Iran hilft, die Aufmerksamkeit der Welt von der andauernden
Besatzung palaestinensischer Gebiete und der Siedlungspolitik
abzulenken, und veranlasst die USA und Europa und andere Laender, nach
seiner Pfeife zu tanzen.
Dubai, ein Land am Persischen Golf, dem Iran gegenueberliegend, ist
eine wichtige Komponente in dieser Koalition. Es ist ein Verbuendeter
Israels, etwa wie Aegypten und Jordanien. Und jetzt kommt genau diese
israelische Regierung und bringt dem Land Unannehmlichkeiten,
demuetigt es und laesst unter den arabischen Massen den Verdacht
aufkommen, Dubai kollaboriere mit dem Mossad.
In der Vergangenheit brachten wir Norwegen in Verlegenheit, dann
machten wir Jordanien wuetend, nun demuetigen wir Dubai. Ist das
weise? Die Frage geht an Meir Dagan, dem vor kurzem von Netanyahu
ein - bis jetzt noch nie dagewesenes - achtes Jahr als Chef im Amt des
Mossad gewaehrt wurde.
Die Dubai-Affaere verstaerkt das Image Israels als Rabaukenstaat, als
Schurkenstaat, der der allgemeinen Meinung der Welt mit Verachtung
begegnet, ein Land, das einen Bandenkrieg fuehrt, das mafiose
Todesschwadronen ins Ausland schickt, eine Paria-Nation, die von
vernuenftigen Menschen gemieden werden soll.
War es dies wert?
(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert, gek.
Volltext:
http://www.uri-avnery.de/index.php?mact=News,cntnt01,detail,0&cntnt01articleid=75&cntnt01origid=15&cntnt01returnid=15
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