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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. Februar 2010; 21:20
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Strahlende Zukunft:
> Routenplan zur atomwaffenfreien Welt
Globale Nullloesung findet breite Unterstuetzung. Aber auch Gegner.
Die Tagesordnung der diesjaehrigen Muenchener Sicherheitskonferenz 
(5.-7. Februar) enthielt ein fuer diese Veranstaltung hoechst 
ungewoehnliches Thema: "Die atomwaffenfreie Welt". Ein Doppelquartett 
deutscher und US-amerikanischer Expolitiker hatte das Ziel bereits 
propagiert, bevor US-Praesident Barack Obama die Vision im vergangenen 
Fruehjahr in seiner Prager Rede verkuendete. Nachdem sie ihre Gedanken 
bereits zu Wochenbeginn in Berlin dargelegt haben, wollen sie nun 
Ihren Nachfolgern erlaeutern, warum das Projekt nicht nur machbar, 
sondern fuer das Ueberleben der Menschheit unerlaesslich ist.
In den vergangenen Monaten hat die Vision einer Welt ohne Atomwaffen 
viel Zustimmung gefunden, aber auch Gegner. Dieser Traum sei 
verfuehrerisch, berge aber viele Gefahren, meinen die Skeptiker. Es 
sei eine Illusion, die nicht zu einer besseren, sondern zu einer 
gefaehrlicheren Welt fuehren wuerde. Zwar waere es theoretisch 
denkbar, saemtliche atomare Sprengkoepfe weltweit zu verschrotten. Das 
Wissen aber um die Produktion von Nuklearwaffen liesse sich nicht 
ausloeschen. Niemand koenne zudem die Gewaehr dafuer uebernehmen, dass 
nicht irgendein Machtbesessener in einer nuklear entwaffneten Welt 
heimlich an der Bombe basteln wuerde. Gefaehrlicher wuerde die Welt 
auch deshalb, weil der Verzicht auf die Atombombe die konventionelle 
Ruestung ankurbeln wuerde. Wo Abschreckung schwinde, wachse die 
Bereitschaft zum Konflikt mit Panzern, Bombern und Maschinenpistolen, 
moeglicherweise sogar mit biologischen und chemischen Waffen. Darum 
muessten Nichtverbreitung und die Reduzierung bestehender Atomarsenale 
Ziele der Politik sein, nicht aber "Global Zero". Auch der deutsche 
Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg haelt nukleare 
Abschreckung derzeit fuer unverzichtbar: "Abruestung darf nie zu einem 
Verlust an Sicherheit fuehren."
Selbst Sympathisanten begruessen zwar die Idee, vermissen aber einen 
handfesten Aktionsplan fuer den gangbaren Weg zum ertraeumten Ziel. 
Die Klage ist jedoch unbegruendet, denn kompetente Befuerworter haben 
sich durchaus konkrete Gedanken ueber die umfassende nukleare 
Abruestung gemacht. Zahlreiche Expolitiker und ehemalige Militaers aus 
den USA, Deutschland, Grossbritannien, Italien und den Niederlanden 
sind mit entsprechenden Appellen an die Oeffentlichkeit getreten. Nach 
mehreren hochkaraetig besetzten Expertengremien in der Vergangenheit 
legte jetzt die von den frueheren Aussenministern Australiens und 
Japans, Gareth Evans und Yoriko Kawaguchi, geleitete Internationale 
Kommission fuer Nukleare Nichtverbreitung und Abruestung einen solchen 
Massnahmeplan vor.
Die Menschheit laeuft Gefahr, sich selbst auszuloeschen. Insgesamt 
besitzen die etwa 23 000 auf der Welt existierenden Atomwaffen eine 
150.000-fache Vernichtungskraft der Bombe von Hiroshima. "Angesichts 
dieser Bedrohung muessen wir uns Gedanken machen, wie wir einen 
nuklearen Albtraum verhindern", forderte Evans bei der Vorstellung des 
Berichts Anfang der Woche in der Genfer Abruestungskonferenz: "Solange 
auch nur ein Staat Atomwaffen besitzt, wollen auch andere Staaten 
diese Waffen besitzen." Evans erwartet von den USA und Russland eine 
fuehrende Rolle bei der nuklearen Abruestung - Diese beiden 
Atommaechte verfuegen ueber mehr als 90 Prozent aller Arsenale. 
US-Praesident Obama hatte im vergangenen September im 
UNO-Sicherheitsrat einen Plan fuer die Schaffung einer "Welt frei von 
Nuklearwaffen" unterbreitet. Kritiker bemaengelten allerdings, die 
Obama-Vision sei nicht konkret genug. Die Kommission praesentiert nun 
praezise Vorschlaege fuer das weitere Vorgehen. Zunaechst muessten 
Politiker und Militaers ihr Denken aendern: Noch spielten Atomwaffen 
eine zentrale strategische Rolle in den Doktrinen, die Staaten 
muessten diese Strategie aufgeben. Wichtig sei ebenfalls, dass sich 
alle Nuklearstaaten auf eine rein defensive Rolle der Nuklearwaffen 
verstaendigten und auf die Erstanwendung verzichten. Der ueber 200 
Seiten umfassende Bericht "Eliminating Nuclear Threats" sieht nach 
kurzfristig bis zum Jahr 2012 zu ergreifenden Sofortmassnahmen vor, 
bis 2025 rund 90 Prozent aller Sprengkoepfe zu vernichten. Danach 
sollen, in einer letzten Phase, auch alle noch rund 2.000 verbliebenen 
Atomwaffen endgueltig beseitigt werden.
Allerdings haben die Experten keine Illusionen: "Eine Welt ohne 
Nuklearwaffen zu schaffen, wird ein langer, komplexer und schrecklich 
schwieriger Prozess sein." Die offiziellen Atommaechte USA, Russland, 
Frankreich, Grossbritannien und China ruesten bislang nicht energisch 
genug ab, beklagt Evans. Mit Indien, Pakistan und Israel seien weitere 
Staaten in den Club der Laender mit einsatzfaehigen Atomwaffen 
vorgestossen. Nordkorea testete bereits zwei Atomsprengkoepfe, und 
Iran wird eines illegalen Atomwaffenprogramms verdaechtigt. Sollte es 
nicht gelingen, die kernwaffenfreien Mitglieder des 
Atomwaffensperrvertrages von der Abruestungsbereitschaft der 
Nuklearmaechte zu ueberzeugen, droht das gesamte 
Nichtverbreitungsregime auseinanderzufallen. Dann koennte eine 
nukleare Lawine losbrechen. Schliesslich gibt es alarmierende 
Anzeichen dafuer, dass auch Terroristen nach Atomwaffen streben. Ihnen 
den Zugang zu Waffen und Spaltmaterial zu versperren, bleibt eine 
Aufgabe von hoechster Prioritaet. Es wird also noch ein langer und 
steiniger Pfad zu einer von Atomwaffen befreiten Welt zu beschreiten 
sein.
Damit die Protagonisten unterwegs nicht ermueden und entkraeftet 
aufgeben, hat sich als Katalysator eine weltweite Bewegung "Global 
Zero" formiert. Auf ihrem juengsten Treffen am Dienstag in Paris - dem 
"Zero Summit" - gaben die rund 200 Teilnehmer dem Projekt "globale 
Nullloesung" trotz teilweise kontroverser Diskussionen neue kraftvolle 
Impulse.
(Wolfgang Koetter, AG Friedensforschung an der Uni Kassel)
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"Wir, die Unterzeichner, glauben, dass wir alle Nuklearwaffen weltweit 
abschaffen muessen, um unsere Kinder, unsere Enkel und unsere 
Zivilisation von der Bedrohung einer nuklearen Katastrophe zu 
schuetzen. Wir verpflichten uns daher dazu, fuer die Abschaffung von 
Nuklearwaffen zu einem bestimmten Zeitpunkt auf ein rechtlich 
bindendes, nachpruefbares Abkommen hinzuarbeiten, das alle Nationen 
einschliesst."
(Aus der von 100 Prominenten unterzeichnete Erklaerung von "Global 
Zero")
Zu den Erstunterzeichnern von "Global Zero" gehoeren unter anderen die 
ehemaligen Staatschefs Gro Harlem Brundtland, Fernando Cardoso, Jimmy 
Carter, Michail Gorbatschow, Fidel Ramos und Mary Robinson; die 
Ex-Aussenminister Lloyd Axworthy, Margarett Beckett, Lakhdar Brahimi, 
Hans-Dietrich Genscher, Gareth Evans, Yoriko Kawaguchi und Jaswant 
Singh, aber auch so bekannte Persoenlichkeiten wie Zbigniew 
Brzezinski, Jewgenij Welikow, Erzbischof Desmond Tutu und 
Nobelpreistraeger Muhammad Yunus.
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Quelle und weitere Infos 
http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Atomwaffen/globalzero.html
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