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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. Jaenner 2010; 01:54
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  Recht:
  
  > Vorratsdatenspeicherung: Begehrlichkeiten ufern aus
  
  Stellungnahme der *Arge Daten*
  
  Wie jetzt bekannt wird, wollen Justiz und Innenministerium die 
  Vorratsdatenspeicherung zu einem Generalangriff auf die Integritaet 
  und Grundrechte aller Buerger nutzen. Geht es nach den Vorstellungen 
  dieser Ministerien, sollen in Zukunft alle auf Vorrat gespeicherten 
  Daten fuer jegliche Form von Straf- und Zivilverfahren genutzt werden.
  
  Bei noch so dubiosen Verdachtslagen soll es Klaegern, egal ob 
  Staatsanwaelten oder private Organisationen, moeglich werden, auf 
  diese Daten zuzugreifen. Die Medien-Industrie soll sich dieser Daten 
  ebenso bedienen koennen wie der Nachbar von nebenan im Bassenastreit 
  oder vermeintliche Stalkingopfer, sich beleidigt gebende Politiker 
  oder Firmen, die Jagd auf "undichte Stellen" beim Vertuschen 
  unsauberer Geschaefte machen (gegen sogenannte "Whistleblower"). Keine 
  Kontaktperson eines Journalisten kann sicher sein, nicht praeventiv 
  massiven Zivilklagen oder Strafanzeigen ausgesetzt zu sein.
  
  In allen Faellen duerfte dann -- nach den Phantasien von Justiz und 
  Innenministerium -- auf Vorratsdaten zurueckgegriffen werden. Jeder 
  soll jeden verdaechtigen duerfen und zur Untermauerung sich der 
  vorraetig gespeicherten Kommunikationsdaten bedienen duerfen. Statt 
  der Unschuldvermutung, ein Grundwert unserer Gesellschaft, soll in 
  Zukunft das Freibeweisen des Verdaechtigen gelten.
  
  Sogar Datenschutzrat ablehnend
  
  Selbst dem regierungsfreundlichen und weitestgehend grosskoalitionaer 
  organisierten Datenschutzrat waren diese ungeheurlichen 
  Begehrlichkeiten zu viel. "Schluss mit lustig" kann als Resuemee der 
  Stellungnahme des Datenschutzrates zusammengefasst werden. Bevor nicht 
  ein Gesamtkonzept vorliegt, welche Daten fuer welche Zwecke in Zukunft 
  verwendet werden duerfen, wolle man sich nicht mit den Details des 
  jetztigen Entwurfs beschaeftigen. BMI und BMJ wurde aufgetragen, 
  gemeinsam mit dem Verkehrsministerium einen ordentlichen, 
  rechtsstaatlich vertretbaren Gesetzesentwurf zu erstellen.
  
  Die nunmehr geaeusserten Phantasien und Wuensche haben mit dem 
  urspruenglichen Ziel der Vorratsdatenspeicherung, der 
  Terrorismusbekaempfung nichts mehr zu tun. Die Republik darf nicht zu 
  einem Daten-Selbstbedienungsladen fuer beliebige Verdaechtigungen 
  verkommen.
  
  Rechtsstaat gefaehrdet
  
  Gespeichert werden auch die Daten von Buergern, die sich vielleicht 
  ueber ihren Arbeitgeber beschweren, die politische oder 
  wirtschaftliche Unregelmaessigkeiten melden wollen oder sich auch nur 
  erkundigen wollen, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht. Faelle 
  dazu gibt es ja, auch abseits von SKY-LINK, HYPO-ALPE-ADRIA, TIWAG, 
  MEINL EUROPEAN LAND, genug. Jeder Internetbenutzer, der in Zukunft in 
  einem Forum einen Politiker oder eine selbsternannte wirtschaftliche 
  Elite attackiert, muss mit Straf- und - haerter noch - Zivilverfolgung 
  rechnen.
  
  Sind die Strafverfolgungsvoraussetzungen im StGB noch relativ streng 
  umschrieben, so kann im Zivilverfahren die Schadenshoehe recht frei 
  bestimmt werden. Eine negative Aeusserung ueber ASFINAG, OeBB und Co 
  koennte dann schon eine Zivilklage gegen den Forumsposter in 
  Millionenhoehe nach sich ziehen, der er schon deswegen klein beigeben 
  muss, als er sich die Vorfinanzierung der Verfahrenskosten nicht 
  leisten kann.
  
  Die Regierung gefaellt sich im Maerchen, man muesse den Unsinn 
  umsetzen, da es eine EG-Richtlinie sei und man ansonsten ein 
  Vertragsverletzungsverfahren habe.
  
  Ein Vertragsverletzungsverfahren kann aber zu jedem Zeitpunkt durch 
  Herstellung eines vertragskonformen Zustandes - ohne Sanktionen - 
  beendet werden.
  (bearb.)
  
  Originaltext:
  http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=98608ezs
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  Kasten:
  
  > Kein Regierungskonsens auf oestereichischer und EU-Ebene
  
  Am 15.1. lief die Frist zur Stellungnahme im Begutachtungsverfahren 
  zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) ab. Nach Ansicht der 
  Arge Daten waere es aber weiterhin sinnvoll, Stellungnahmen abzugeben. 
  Das Recht zur Stellungnahme besitzen nicht nur dazu eingeladene 
  Institutionen, sondern auch andere Gruppen ebenso wie Einzelpersonen. 
  Bis zur Ende der Frist sind 64 Stellungnahmen im Parlament eingelangt, 
  die meisten davon kritisch bis ablehnend.
  
  Zur Verabschiedung reichen ausserdem nicht die Stimmen der 
  Regierungskoalition, da eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat wegen 
  der vorgesehenen Verfassungsbestimmungen unumgaenglich ist.
  
  Selbst die sozialdemokratische Infrastrukturministerin Doris Bures -- 
  aus deren Ministerium der jetzt vorliegende Entwurf zur TKG-Novelle 
  stammt -- rudert jetzt ein wenig zurueck, da sie zuerst einmal wissen 
  will, was die schwarzen Ministerien fuer Inneres und Justiz fuer 
  Sichercheitspolizeigesetz und Straprozessordnung denn so planen. Auch 
  sie verlangt mittlerweile ein Gesamtpaket. Bures ist zwar prinzipiell 
  immer noch fuer die Umsetzung der EU-Richtlinie in einer 
  Minimalvariante, aber auch nur "um ein Vertragsverletzungsverfahren 
  durch die EU abzuwenden und Strafzahlungen der Republik Oesterreich zu 
  verhindern". Generell wuenscht sie sich aber angesichts der breiten 
  Ablehnungsfront eine Neuverhandlung auf EU-Ebene.
  
  Hilfreich koennte fuer diese Forderung auch sein, dass insgesamt 20 
  Staaten der EU derzeit die Richtlinie noch nicht oder nicht mehr 
  umgesetzt haben -- das rumaenische Hoechstgericht hat sogar ein 
  entsprechendes Gesetz wegen Grundrechtswidrigkeiten Ende 2009 
  aufgehoben.
  (akin)
  
  *
  
  Gesetzesvorlage und Stellungnahmen: 
  http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIV/ME/ME_00117/pmh.shtml
  
  
  
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