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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 13. Jaenner 2010; 13:03
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Namibia:
> Von der Befreiungsbewegung zur Herrschaftspartei
20 Jahre nach der Unabhaengigkeit Namibias: Politische Macht fuer die 
SWAPO bis ans "Ende der Geschichte"?
Vor zwanzig Jahren waehlte die Bevoelkerung Namibias in einer von den 
Vereinten Nationen ueberwachten Uebergangsphase zur staatlichen 
Unabhaengigkeit die eigene kuenftige Regierung. Trotz eines 
Mehrparteiensystems und regelmaessiger Wahlen wird seither die Politik 
im Lande nahezu exklusiv von der SWAPO of Namibia (South-West Africa's 
People Organisation) bestimmt und gestaltet. International weitgehend 
unbeachtet fanden Ende November 2009 erneut allgemeine Parlaments- und 
Praesidentschaftswahlen statt. Die Vorhersage des Ergebnisses 
zugunsten der SWAPO erforderte keine prophetische Gabe.
Die SWAPO hatte als antikoloniale soziale Befreiungsbewegung als 
kleinsten gemeinsamen Nenner fuer den auch mit Mitteln der Gewalt 
gefuehrten Befreiungskampf die Erlangung des Selbstbestimmungsrechtes 
der Bevoelkerungsmehrheit und die Abschaffung der rassistischen 
Diskriminierung in der von Suedafrika besetzt gehaltenen einstmals 
deutschen Kolonie Suedwestafrika.
Entgegen ihrer emanzipatorischen Parolen nahmen die 
BefreiungskaempferInnen Menschenrechtsverletzungen in den eigenen 
Reihen billigend und ohne erkennbare Reue in Kauf.
Die Umwandlung der SWAPO in eine Partei uebertuenchte grundsaetzliche 
innerorganisatorische Differenzen, die den "Betriebsfrieden" stoerten. 
Der repressive Charakter der Fuehrung wurde mehrfach dadurch 
dokumentiert, dass sie auch vor der Liquidierung von Kontrahenten 
nicht zurueck schreckte. Die Ursachen fuer die Konflikte lagen oft in 
individuellen Animositaeten und Rangeleien um den Zugang zu Aemtern 
und Privilegien begruendet. Frustrationen ueber verloren geglaubte 
Machtkaempfe und darauf folgende Marginalisierungsprozesse waren seit 
Erlangung der Unabhaengigkeit und mitunter nach mehrjaehriger 
Inkubationszeit auch Anlass fuer die Gruendung neuer Parteien: Es 
entstand der Congress of Democrats (CoD) 1999 und die Rally for 
Democracy and Progress (RDP) 2007. Der CoD mauserte sich in den Wahlen 
1999 mit etwa einem Zehntel der Stimmen zur groessten politischen 
Oppositionspartei, konnte allerdings die Stimmenmehrheit der SWAPO 
nicht reduzieren. Den Status als groesste politische Opposition konnte 
er immerhin 2004 konsolidieren. Aufgrund interner Macht- und 
Verteilungskaempfe implodierte die Partei 2008. Mit den Wahlen im 
November 2009 versank sie in Bedeutungslosigkeit.
Die SWAPO reklamiert fuer sich, der alleinige Befreier Namibias vom 
Joch der Apartheid und Fremdbestimmung zu sein. Die Verwirklichung 
dieses Ziels wurde zum "Ende der Geschichte" stilisiert. Mit Erlangung 
der formal legitimierten Macht festigte sie ihr politisches 
Selbstverstaendnis auf aehnliche Weise wie die anderen 
Befreiungsbewegungen im Suedlichen Afrika in Angola (MPLA), Mosambik 
(Frelimo), Simbabwe (ZANU-PF) und Suedafrika (ANC).
Die SWAPO versteht sich als quasi natuerliche Herrschaftspartei mit 
dem Anspruch auf ungebrochene Fortsetzung der politischen Dominanz. 
Jegliche politische Alternative, die nicht den eigenen Reihen 
entstammt, wird als illegitimer Regimewechsel begriffen, der von 
externen finsteren Maechten des Imperialismus ausgeheckt und betrieben 
wird. Dank solcher Verschwoerungstheorien wird ein enger 
Schulterschluss betrieben, der die Sicherung der Macht im eigenen Land 
und in den Nachbarstaaten als Akt unverbruechlicher Solidaritaet 
begreift.
SWAPO war von der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit 
Mehrheitsbeschluss zu Mitte der 1970er Jahre zur "alleinigen 
authentischen Vertretung des namibischen Volkes" gekuert worden.
Dies billigte der Organisation einen exklusiven Status zu, der auch 
von deren AktivistInnen in den Fuehrungspositionen verinnerlicht und 
praktiziert wurde. Damit ging das (Selbst-)Verstaendnis einher, die 
alleinige legitime Instanz fuer die Belange der Bevoelkerung Namibias 
zu sein und darueber befinden zu koennen, was authentisch namibisch 
ist. Entsprechend massiv wird jegliche Form der politischen 
Herausforderung ausgegrenzt.
Die Opposition - allen voran die RDP - hatte erheblich weniger 
Organisationsfreiheit im Wahlkampf erhalten, als ihr dies 
verfassungsrechtlich zusteht. SWAPO-AktivistInnen stoerten oder 
verhinderten mehrfach Wahlveranstaltungen und andere Kampagnenarbeit. 
Dabei kam es zu Handgreiflichkeiten bis hin zur Anwendung von 
Waffengewalt. Ordnungskraefte mussten haeufig einschreiten und machten 
mitunter von Traenengas Gebrauch. Erstmals seit der Unabhaengigkeit 
konnte von einem insgesamt friedlichen Wahlkampf nicht mehr die Rede 
sein.
Die Hoffnungen der RDP und ihrer SympathisantInnen auf einen 
Stimmenanteil, der die uneingeschraenkte Dominanz der SWAPO mindern 
wuerde, erwiesen sich als Wunschdenken. Am Ende reichte es trotz 
einiger Achtungserfolge mit gut 11% doch nur zum Ehrentitel der 
"offiziellen Opposition" gegen die ungebrochene Drei-Viertel-Mehrheit 
der SWAPO-Uebermacht, die mit 74% zwar weniger Stimmzettel auf sich 
vereinte als fuenf Jahre zuvor, aber nur eines Mandats verlustig ging 
und weiterhin mit 54 der 72 gewaehlten VolksvertreterInnen 
(mehrheitlich maennlichen Geschlechts) uneingeschraenkt die 
parlamentarischen Geschicke bestimmt.
Vier der acht RDP-Parlamentarier haben zuvor bereits fuer die SWAPO in 
dieser Rolle agiert. Sie muessen nun beweisen, dass ihre neue Partei 
mehr als nur alter Wein in neuen Schlaeuchen ist. Dass Praesident 
Pohamba zu seiner Wiederwahl (die mit getrennten Stimmzetteln im 
gleichen Wahlgang erfolgte) einige tausend mehr Stimmen erhielt als 
die SWAPO, sollte seinen Fuehrungsanspruch festigen. Er hat ihn 
bislang eher zoegerlich - wenn ueberhaupt -- reklamiert. Lange galt er 
als ein Interimspraesident, der nur eine Amtszeit (eher aus 
Pflichterfuellung denn Berufung) absolviert. Doch dann zeigte er den 
Vorsatz, im Amt bestaetigt zu werden.
Seine zweite (und letzte) Amtszeit koennte ihm die Gelegenheit bieten, 
sich als der auf Ausgleich bedachte und gegen Machtmissbrauch und 
Korruption handelnde Amtsinhaber darzustellen. Die in ihn gesetzten 
Erwartungen erfuellte er in den ersten fuenf Jahren nicht.
Er setzt sich seit laengerem der innerparteilichen Kritik der 
Populisten aus, die ihn fuer zu nachgiebig halten und eine haertere, 
Gangart gegen jegliches "Abweichlertum" fordern. Auf deren Seite 
mausert sich der fruehere Premierminister Hage Geingob zum Anwaerter 
auf die Nachfolge. Nach mehrjaehriger Auszeit feierte er ein Comeback 
als Industrie- und Handelsminister und avancierte beim letzten 
Parteikongress zum stellvertretenden Parteipraesidenten. Damit ist er 
derzeit bereits qua Amt der Nachfolger, falls Pohamba unerwartet den 
Dienst als Staatsoberhaupt quittieren wuerde. Geingob, der noch vor 15 
Jahren vor den Wahlen Ende 1994 gemeint hatte, eine 
Zwei-Drittel-Mehrheit fuer die SWAPO wuerde der Demokratie im Lande 
schaden, profilierte sich in der Endphase des Wahlkampfes als 
populistischer Heisssporn. Angesichts der verschaerften Gangart 
wundert es auch nicht, dass die Toleranz gegenueber abweichenden 
Meinungen deutlich geringer wurde.
Die Printmedien im Lande hatten bislang eine weitgehend autonome und 
unabhaengige Rolle. Sie glichen darin den privaten Medien in 
Suedafrika, die sich die Kritik an den bestehenden Verhaeltnissen 
nicht verbieten lassen.
Das neu verabschiedete Kommunikationsgesetz sowie die 
Sicherheitsgesetzgebung lassen einen weiten Handlungsraum zur 
Intervention zu und koennten die Freiheit der Presse durchaus 
unterminieren. Innerhalb der SWAPO gibt es eine deutlich artikulierte 
Aversion gegen die Meinungsfreiheit da, wo sie sich in Kritik der 
Partei und einer vermuteten Unterstuetzung von Oppositionspolitik 
(insbesondere der RDP) aeussert. Die unabhaengige Tageszeitung "The 
Namibian" und deren couragierte Chefredakteurin Gwen Lister gerieten 
seit der Endphase des Wahlkampfes unter massiven Beschuss, da ihr 
Parteinahme zugunsten eines "Regimewechsels" unterstellt wird.
Die SWAPO-Hardliner denunzieren und brandmarken mit an Verfolgungswahn 
grenzendem Misstrauen alle, die als Handlanger einer imperialistischen 
Verschwoerung verdaechtigt werden. Um diesen Status der Ausgrenzung zu 
erlangen, gehoert im heutigen Namibia nicht viel. Pendukeni Ithana, 
Generalsekretaerin der SWAPO und Justizministerin, hat mit an 
Rassismus grenzenden Attacken gegen Frau Lister zusaetzlich Oel ins 
Feuer gegossen.
Der Wahlkampfauftakt erfolgte nicht etwa durch eine Kampagne, die 
ueber das politische Programm informierte, sondern indem ueber mehrere 
Wochen hinweg insgesamt vier Individuen (darunter Gwen Lister und der 
Leiter der Menschenrechtsgesellschaft Phil ya Nangolo) mit Foto und 
Kurztext wegen ihres vorgeblich unpatriotischen anti-SWAPO-Gebarens an 
den Pranger gestellt wurden. Auf dem Blog wurde dazu eine Debatte 
entfacht, die an mittelalterliche Hexenjagden erinnerte. Dem 
namibischen Botschafter bei den Vereinten Nationen reichte zur 
endgueltigen Diskreditierung, dass in dem Stimmenergebnis der 
vorgezogenen Wahlen in der New Yorker Vertretung die RDP eine 
hauchduenne Mehrheit vor der SWAPO erzielte. Damit hatte sich der 
Diplomat in den Augen der SWAPO-Jugendliga und der SWAPO enttarnt.
Letztlich bleibt vorerst die Frage offen, ob das offizielle 
Wahlergebnis der Ueberpruefung auch vor Gericht standhalten wird, Wie 
schon vor fuenf Jahren werden erneut die namibischen Justizinstanzen 
bemueht, die Rechtmaessigkeit des Wahlvorganges und seine Ergebnisse 
zu bescheinigen. So bleiben Zweifel hinsichtlich der 
Waehlerregistrierung, der Wahlliste und der Stimmenabgabe in einzelnen 
Bezirken. Eine Wahlbeteiligung von 129%, 133% und 135% wie in drei 
laendlichen Wahlkreisen im ehemaligen Ovamboland uebertrifft selbst 
Spitzenergebnisse im einstigen Staatssozialismus.
Die bestehenden Zweifel an der Rechtmaessigkeit des Ergebnisses tragen 
leider zu keiner Verbesserung des Images eines Landes bei, das vor 20 
Jahren als Vorbild fuer afrikanische Demokratie gefeiert wurde. 
Ungeachtet solcher Erosionsprozesse scheint allerdings auch zwei 
Jahrzehnte nach der Unabhaengigkeit die politische Hegemonie der SWAPO 
als Befreiungsbewegung an der Macht den Herausforderungen stand zu 
halten. Es fragt sich nur, um welchen Preis.
(Henning Melber, Graswurzelrevolution Jan.2010/gek.)
Link: http://www.graswurzel.net
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