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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. November 2009; 18:40
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Glosse/Gruene:

Letztlich nur eine Systemkur

Am Sonntag veranstalteten die oesterreichischen Gruenen einen
"Zukunftskongress". Dazu legten sie ein Papier mit 30 Thesen vor, das
dort weiter diskutiert wurde. Ein ambitionierter Versuch, doch fuer
*Dieter Schrage* viel zu wenig weitgehend.
(Zitate aus den Thesen im Nachspann)

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Nachdruecklich begruesse ich das Schaffen eines breit und offen
angelegten Zukunftskongresses mit seinen Zukunftsthesen. Und ich
begruesse das Eintreten fuer das, was die Gruenen in dem
gruenmodischen Neu-Englisch "Slow Politics" nennen.

Doch folge ich den aus meiner Sicht weitgehend richtigen Analysen
dieser "tiefgehenden Systemkrise" (aus These 1) und der Feststellung,
dass das nationale, EU-weite und globale Produktions- und
Verwertungssystem als "Ego-Kapitalismus" zu sehen ist (These 11), so
sind fuer mich die in diesen Zukunftsthesen gemachten Vorschlaege
nicht weitgehend genug. Wieder einmal wollen wir Gruenen - und das mag
aktuell notwendig sein - uns als "homoeopathischer Arzt/Aerztin am
Krankenbett des Kapitalismus" anbieten. Das mag im Bereich von
Energiewende und Klimaschutz hoechst notwendig sein, bleibt aber
letztlich nur Systemkur. Es sind fuer uns Gruene - wir waren einmal
die Gruene Alternative! - nicht nur systemerneuernde, sondern auch
systemueberschreitende Reformen angesagt. Es bedarf tatsaechlich
"eines grundlegenden Strukturwandels". Die Forderung, dass "der
gegenwaertige Kapitalismus von einer neuen, nachhaltigen
Wirtschaftsordnung abgeloest wird" (Praeambel) ist mir zu zoegerlich.

Ich verstehe dies als das gruene Eintreten fuer einen reformierten
Kapitalismus - vor allem wenn ich den weiteren Thesen (z. B der These
1 oder der von mir begruessten These 12 mit ihrer "Abschaffung" des
BIP) folge. Aber das ist letztlich nicht meine Position! Fuer mich
geht es als Gruen-Alternativer um eine entscheidend veraenderte neue
Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Beispielsweise um einen
"Dritten Weg" als Alternative zu Kapitalismus und Kommunismus, wie ihn
Ota Sik, Wirtschaftsminister des "Prager Fruehlings", und der
Achberger Kreis, der auch eine Wurzel der deutschen Gruenen war,
formuliert haben.

Ueberwinden, nicht nur kurieren!

Meine Kritik an dem Zukurzgreifen vieler der 30 gruenen Zukunftsthesen
moechte ich naeher darlegen an der These 14 "Weil das Steuersystem
ungerecht ist".

Der real existierende Kapitalismus wird gepraegt von tiefgreifenden
Verteilungsungleichheiten, die weit ueber
"Verteilungsungerechtigkeiten" an Vermoegen aus Kapital, Unternehmen,
Immobilien und Geld hinaus in Ungleichheiten an Lebenschancen und
Lebensglueck reichen. Die 1 % dar Superreichen in Oesterreich besitzen
mit einem Drittel (34%) an Vermoegen `noch mehr als die 90% der
Normalvermoegenden bis Armutsgefaehrdeten mit insgesamt 32%. Mit
grosser Sympathie nehme ich zur Kenntnis, dass die Wiener Gruenen
(David Ellensohn) versuchen, die Umverteilungsdebatte in die gruene
Steuerpolitik hineinzutragen. Die These 14 schlaegt mit Recht eine
neue Schwerpunktsetzung in dem bestehenden oesterreichischen Steuer-
und Abgabensystem vor. Anzumerken ist hier, dass der Bundeskongress
vom 3. und 4. Mai 08 fuer uns Gruene auch Ueberlegungen in Richtung
einer produktivitaetsorientierten Wertschoepfungsabgabe zur Sicherung
des Sozialsystems beschlossen hat. In den Vorschlaegen der These 14
ist aber dieser Beschluss und somit die Forderung nach einer
Wertschoepfungsabgabe vergessen worden. Grundsaetzlich ist zu sagen,
dass alle Verteilungsungleichheiten, auch die EU-weiten und globalen
als Nord-Sued-Gefaelle, im Wesen des bestehenden Gesellschafts-,
Wirtschafts- und Finanzsystems liegen. Um dieses zu ueberwinden und
nicht nur zu kurieren, ist ein konsequenter Reformsozialismus mit
radikalen Veraenderungen (beispielsweise in der betrieblichen
Selbstverwaltung oder in einer direkten Demokratie als Alternative zu
einer abgehobenen repraesentativen Demokratie einschliesslich gruener
Laengstzeitabgeordneter) notwendig.
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Die angesprochenen Thesen in Auszuegen:

These 1: Die Finanzkrise ist nur die Spitze des Eisberges einer
tiefgehenden Systemkrise.

... Nur mit massiven staatlichen Mitteln konnte ein Totalabsturz der
Weltwirtschaft verhindert werden, dennoch steigen die
Arbeitslosenzahlen und zugleich das Budgetdefizit stark an. Zugleich
steht die Welt vor weiteren grossen Herausforderungen, insbesondere
der Klima- und Energiekrise. Der Klimawandel ist nur durch eine
radikale Trendwende in der Energie- und Ressourcenpolitik bekaempfbar.
Eng verknuepft mit dem Klimawandel ist die Energiekrise. ... Die
Auswirkungen all dieser Krisen haben Folgen auf die soziale Situation,
die Demokratie und letztlich auch auf Krieg & Frieden. Daher geht es
jetzt nicht nur darum, Wege aus der immer noch anhaltenden
Wirtschaftskrise zu finden, sondern gleichzeitig auch darum, die Welt
nach der Krise so zu gestalten, dass die bereits drohenden naechsten
Krisen vermieden werden koennen...


These 11: Verantwortungsbewusstes Wirtschaften statt
Ego-Kapitalismus - nachhaltige Investments muessen die reine
Spekulationsgier abloesen.

...Die Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt, zu welchen Auswuechsen die
Entkoppelung von Real- und Finanzwirtschaft, ungeregelte Spekulationen
und das Erfi nden immer neuer Anlageinstrumente fuehrt ... Ein
Umdenken ist notwendig: Weg von Spekulationen hin zu nachhaltigen und
ethisch-oekologischen Veranlagungsformen ...

Der Staat braucht eine Veranlagungsstrategie, die transparent ist und
sich an Nachhaltigkeitskriterien orientiert. Dies betrifft die gesamte
Veranlagung oeffentlicher Gelder, also Bundesfinanzierungsagentur,
Laender, Gemeinden, Sozialversicherungstraeger etc ...


These 12: Das BIP wird abgeschafft: das Verhaeltnis von Wachstum,
Wohlstand und Lebensqualitaet muss neu definiert werden.

... Vorschlaege fuer ein neues, anders bewertetes BIP gibt es schon
lange: Die Vereinten Nationen haben einen Index der menschlichen
Entwicklung erarbeitet. Die Weltbank verwendet soziale und
oekologische Kriterien bei der Berechnung von Wohlstand.
Umweltorganisationen haben das Konzept des "oekologischen
Fussabdrucks" gepraegt, der von einigen Behoerden bereits als
Messgroesse fuer den oekologischen Fortschritt anerkannt wird ... Ein
"Index fuer die Umweltbelastung" soll das BIP ergaenzen.


These 14: Weil das Steuersystem ungerecht ist, zahlen die Falschen die
Zeche fuer die Krise des Finanzsystems.

Einkommen aus Gewinn, Besitz und Vermoegen tragen in Oesterreich
derzeit sehr wenig zur Finanzierung des Gemeinwesens bei. Gerade diese
Einkommen stiegen aber in den letzten Jahren drastisch an. Die
Finanzierung des Sozialstaats erfolgt zum groessten Teil durch Steuern
und Abgaben auf Loehne und Gehaelter der Lohnabhaengigen. ... Die
Lohnabhaengigen schultern den Grossteil der Steuer- und Abgabenlast,
ihr Anteil am gesamten Volkseinkommen (=Lohnquote) sinkt aber seit
rund 30 Jahren, waehrend der Anteil der Einkommen aus Gewinn, Besitz
und Vermoegen steigt.

... Demokratie und Sozialstaat bleiben mittelfristig nur dann
finanzierbar, wenn auch die stark gestiegenen Einkommen aus Gewinn
Besitz und Vermoegen ihren Beitrag dazu leisten.... Vorschlaege: ...
Eine europaeische Finanzumsatzsteuer soll Abhilfe schaffen ...
Einkommen aus Kapitalertraegen unterliegen der gleichen Progression
wie Einkommen aus Arbeit.

Volltext: http://zukunftskongress.at



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