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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. November 2009; 18:43
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Deutschland:

> Maximierter Konflikt

Antiimps und Antideutsche liefern sich wieder Gefechte - und sorgen
fuer bundesweite Aufmerksamkeit.

"Linke Antisemiten verhindern Auffuehrung von Lanzmann-Film!" So oder
so aehnlich lauteten die Schlagzeilen zuerst vieler Blogs und mit
einiger Verspaetung auch einiger professioneller Zeitungen dieser Tage
in Deutschland. In Wirklichkeit war es wohl eher eine saubloede
Geschichte. Die Fakten: Die Gruppe "Kritikmaximierung" wollte am
25.Oktober im Hamburger Kino "B-Movie" den Film "Warum Israel?" von
Claude Lanzmann aus dem Jahr 1973 zeigen. Leute aus dem
antiimperialistischen Zentrum "B5" waren darueber empoert.

Was dann kam und warum es kam, ist sehr umstritten. Das gar heftige
Bloggerrauschen war mehrheitlich ueber das Verhalten der Leute vom B5
empoert. Von Drohungen gegen die Kinobetreiber war die Rede und dass
die Besucher am Betreten des Kinos gehindert worden waeren. Ausserdem
seien Aeusserungen wie etwa "Judenschweine" oder "Schwuchteln" von
Seiten der B5-Gruppe gerufen worden.

Drei Wochen aber dauerte es, bis buergerliche Medien auf den Vorfall
aufmerksam wurden - erst letzte Woche machte "Der Spiegel" eine
Geschichte daraus. Der wiederholte die Vorwuerfe aus der Bloggerszene
und zitierte den Kino-Betreiber: "Sie hatten das Kino mit einem
Metalltor abgeriegelt".

Die anwesende Polizei habe laut Spiegel allerdings niemanden
"Judenschweine" rufen gehoert, da sie sonst "sofort wegen
Volksverhetzung ermittelt" haette.

Das B5 hatte eine andere Darstellung der Ereignisse. Dessen Erklaerung
wurde auch bald nach der Auseinandersetzung auf der Homepage der
Linke-Partei Hamburg veroeffentlicht. Doch wurde die Partei dann mit
heftigen Protesten konfrontiert und loeschte den Eintrag wieder von
ihrer Homepage.

In dieser Erklaerung des B5 sieht die Geschichte natuerlich ganz
anders aus. Denn, so die Gruppe, das Lokal von B5 und das B-Movie
seien sehr eng miteinander verbunden, existieren sie doch Tuer an Tuer
und nutzen auch teilweise die selben Raeume. Und die B5ler verstanden
die Vorfuehrung als "pro-zionistische Veranstaltung und Provokation
den in der B5 organisierten Gruppen gegenueber". Zwar haetten sie
einige Kritik am Film selbst (Das Werk "beschreibt die Situation in
Israel um die Jahreswende 1971/1972, laesst dabei allerdings keine
AraberInnen zu Wort kommen und verschweigt komplett die Auswirkungen
von Besatzung und Vertreibung"), aber gegen eine Vorfuehrung irgendwo
anders haetten sie gar nichts gehabt. Doch eine von einer als
"antideutsch" bekannten Gruppe organisierten Veranstaltung in genau
diesem Kino haetten sie nicht unwidersprochen lassen wollen.

Denn Lanzmann (der einer groesseren Oeffentlichkeit mit "Shoah"
bekannt geworden war) hatte angesichts israelischer Militaeraktionen
erst 2009 gemeint: "Die Israelis sind keine Killer. Definitiv nicht.
Sie toeten, aber sie sind keine Killer, das ist nicht in ihrem Blut."
Das Papier von B5 dazu: "Der Bezug der Antideutschen auf Lanzmann ist
kriegsverherrlichender Natur und nicht, wie gerne behauptet wird,
seine Leistungen in der Resistance gegen die deutschen Faschisten."

Die B5ler haben natuerlich auch ihre eigene Sicht auf die Vorfaelle
vor dem Kino. So waeren bspw. die Rufe "Judenschweine" und
"Schwuchteln" frei erfunden. Sie beschreiben ihre Aktion so: "Am
Sonntagmittag bauten wir vor dem Eingang zum B-Movie einen
israelischen Checkpoint nach, der dem Publikum die Realitaet Israels,
welche der Film verschweigt, vor Augen fuehren sollte."

Das war also das zitierte "Metalltor". Der Effekt der Inszenierung war
allerdings genau der, dass die Besucher am Betreten des Kinos
gehindert wurden - und der Grund dafuer, dass die Filmvorfuehrung
abgesagt wurde.

Der Leser all dieser wechselseitigen Vorwuerfe bleibt verwirrt
zurueck. Denn Fragen bleiben nicht nur in Bezug auf das tatsaechliche
Geschehen sondern auch bezueglich der wirklichen Haltungen und
Beweggruende: Wollte die Gruppe "Kritikmaximierung" wirklich
provozieren oder hat sie halt einfach nur ein Kino gesucht fuer ihre
Veranstaltung und fand das "B-Movie"? Und: Wollten die B5ler dem
Publikum nur einen Kontrapunkt bieten oder wollten sie die
Veranstaltung mit Gewalt verhindern?

Die Wahrheit liegt vielleicht irgendwo in der Mitte. Vielleicht aber
auch nicht. Klug war die Aktion von B5 sicher nicht. Ob es klug ist,
dass die Gruppe "Kritikmaximierung" die Filmvorfuehrung am 13.Dezember
im selben Kino nachholen moechte, bleibt aber auch fraglich.
*Bernhard Redl*

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Links:
Agenturbericht:
http://de.news.yahoo.com/17/20091119/tde-anti-israelische-ausschreitungen-ver-08c524b.html
Spiegel-Bericht:
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,661980,00.html
B5-Stellungnahme:
http://www.sol-hh.de/dateien_fuer_index/B5-Stellungnahme-Antid.htm
Kritikmaximierung: http://www.kritikmaximierung.de
Lanzmann-Zitat:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/kultur/magazin/118597/index.php


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