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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. November 2009; 18:48
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Wien/Protest:
> Wiedermal ein Demowochenende
Dieses Wochenende gab es gleich drei groessere Demos in Wien -- gegen 
Rechtsextreme und fuer eine Behebung der Kindergartenmisere. Alle drei 
Veranstaltungen waren ueberraschend gut besucht und zeichneten sich 
vor allem dadurch aus, dass sie waehrend des jeweiligen Verlaufes 
stark anwuchsen. Es gab aber auch wieder drei Festnahmen.
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Rund 500 Personen demonstrierten Freitagabend auf der Gumpendorfer 
Strasse gegen das Treffen deutschnationaler Burschenschafter in der 
Bude der "Olympia!". Dort fand ein Begruessungsabend fuer die 
Teilnehmenden am fuer Samstagabend angekuendigten Kommers in der 
Hofburg statt.
Die Kundgebung begann um 19 Uhr vis-a-vis der U-Bahn-Station 
Gumpendorfer Strasse. Auch die "Critical Mass", die wie jeden dritten 
Freitag im Monat unterwegs war, stiess dazu. Die DemonstrantInnen 
zogen schon bald in Richtung Olympia, bis zu einer Polizeisperre bei 
der naechsten Seitengasse (Wallgasse). Nach einer lauten Stunde zogen 
sie ueber Seitengassen (Liniengasse) zur stadteinwaerts positionierten 
Polizeiabsperrung der Gumpendorfer Strasse (Hoehe Gfrornergasse) und 
belagerten dort eine Weile von der anderen Seite die Zufahrt zur 
Olympia. Die Demo zog weiter in Richtung der immer noch besetzen 
Akademie und ein ansehnlicher Teil schaffte es, einige hundert Meter 
weit, eine nicht blockierte Quergasse hinauf in Richtung 
Mariahilferstrasse zu preschen,. Leider war die Exekutive dann doch 
recht schnell vor Ort, und schnitt den AusreisserInnen den Weg ab. 
Nach dieser kurzen Unterbrechung zog die Demonstration weiter zum 
Friedrich Schiller Platz, wo sie sich sicher haette aufloesen 
koennen... sollen.
Allerdings demonstrierten 160 Personen spontan weiter zur deutschen 
Botschaft, um sich einer dortigen Kundgebung gegen die Repression 
gegen protestierende Studierende in Deutschland anzuschliessen, Dort 
sollen mehrer besetzte Unis geraeumt worden sein.
Hoehe Metternichgasse, nahe der deutschen Botschaft, wurde die 
Demonstration dann von der Polizei umrundet. Einzelnes Verlassen des 
Kessels war allerdings moeglich. Nach kurzen Verhandlungen 
ermoeglichte die Polizei ein geschlossenes Abziehen der 
DemonstrantInnen. Anfang Schwarzenbergplatz erfolgten erste 
Aufforderungen, die Fahrbahn zu verlassen und am Gehsteig 
weiterzugehen.
Gummiparagraph
Mehrere DemonstrantInnen wollten dem nicht Folge leisten und 
demonstrierten auf der Ringfahrbahn weiter. Kurz vor dem Burgtor 
schritt die Polizei um ca. 22.30 ein und hielt einige 
DemonstrantInnengruppen auf. Bereits in der Strassenbahn wegfahrende 
DemonstrantInnen, die dies beobachteten und wieder ausstiegen, wurden 
ebenfalls festgehalten. Ein amtshandelnder Polizist begruendete dies 
mit §35 SPG: "Die Organe des oeffentlichen Sicherheitsdienstes sind 
zur Feststellung der Identitaet eines Menschen ermaechtigt, (...) wenn 
auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er stehe im 
Zusammenhang mit einem gefaehrlichen Angriff (...)"
Ein solcher Grund sei vorgelegen, weil die Beamtshandelten an einer 
Demonstration teilgenommen haben, bei der Knallkoerper, Farbbeutel und 
Eier geworfen worden seien. Ein Polizeifahrzeug sei dabei beschaedigt 
worden.
In weiterer Folge wurden auch solidarisch beobachtende 
DemonstrantInnen oder Personen, die aus dem Audimax zu Hilfe geeilt 
waren, weggewiesen und, wenn sie nicht fortgingen, perlustriert.
Ueber Festnahmen gibt es zwar unterschiedliche Angaben. Zumindest eine 
Festnahme mit der Begruendung "Widerstand gegen die Staatsgewalt" ist 
gesichert. Nach ca. drei Stunden Haft konnte diese Person den 
Polizeigewahrsam wieder verlassen. Sie laesst sich auf diesem Weg 
uebrigens fuer die freundliche Unterstuetzung mehrerer PassantInnen 
und der Rechtshilfe sowie fuer die Solidaritaetsbekundungen im 
Internet bedanken.
Waehrend der Turbulenzen beim Burgtor fanden nur wenige Meter entfernt 
mehrere weniger beachtete Perlustrierungen von AfrikanerInnen am 
Heldenplatz und in der Babenbergerstrasse statt.
Kindergarten-Aufstand
Am Treffpunkt Sigmund-Freud-Park wirkte die Demonstration der 
Kindergarten- und HortpaedagogInnen am Samstag (21. November) noch 
ueberschaubar. Bis zur Schlusskundgebung vor dem Parlament wuchs die 
Zahl der Teilnehmenden aber auf 2000 an (Nochrichten.net-Zaehlung kurz 
vor dem Parlament).
Gefordert wurden bessere Rahmenbedingungen im elementaren und 
ausserschulischen Bildungsbereich: mehr Personal, kleinere Gruppen, 
bessere Bezahlung, Bundesrahmengesetz fuer oesterreichweit gueltige 
Mindeststandards und eine Ausbildungsreform. Alldies sei fuer sowohl 
fuer die PaedagogInnen als auch fuer eine gute Betreuung der Kinder 
unerlaesslich.
Im Unterschied zu allen anderen paedagogischen Berufsgruppen haben die 
oesterreichischen KindergartenpaedagogInnen keine gemeinsame 
gewerkschaftliche Vertretung, die Eltern von Kindergartenkindern keine 
institutionalisierte Elternvertretung und die Kinder sowieso keine 
Lobby, erklaert die "Berufsgruppe der Kindergarten- und 
HortpaedagogInnen Wiens - BKHW".
Deshalb bedarf es der gemeinsamen Proteste, auch um von der Regierung 
endlich ernst genommen zu werden. Im Dezember werde sich im 
Bundeskanzleramt gerade mal 20 Minuten Zeit genommen fuer die 
Forderungen der PaedagogInnen.
Der Widerstand muesse daher weitergehen. So wie diesmal mit 
Seifenblasen, weil "bildungspolitische Versprechen zerplatzen wie 
Seifenblasen", wie es im Aufruf der Gruppe "Kindergartenaufstand" 
hiess. Oder auch vielleicht gar mit Streik, der von der Buehne 
zumindest mal vorsichtig angedacht wurde.
Anti-Kommers-Demo: Schlaege und Festnahmen
Den Abschluss des Demowochenendes bildete die Demonstration gegen den 
Kommers deutschnationaler Burschenschaften. Zum Treffpunkt vor der Uni 
Wien um 18.30 Uhr waren nur rund 300 gekommen. Kaum war die Demo 
losgezogen, wurde sie aber rasch immer groesser. Unter anderem hat 
sich ein Grossteil jener Personen, die zuvor an der Aktion "Wiener 
Lichter" am Friedrich-Schmidt-Platz teilgenommenen hatten, nach dessen 
Ende der Demo angeschlossen. Mit den "Wiener Lichtern" sollten, einem 
Aufruf von SPOe-Organisationen und einigen antirassistischen 
Initiativen folgend, symbolisch Kerzen gegen die "dunkle 
Vergangenheit" entzuendet werden.
Als die Demo vom Ring zum Burgtor einbog, war sie bereits auf rund 
1200 Teilnehmende angewachsen. Vor dem Burgtor musste die Demo 
stoppen, da die Tore, wie nicht anders erwartet, geschlossen waren. 
Bekanntlich hatte die Polizei rund um die Hofburg (Heldenplatz, 
Josefsplatz, ...) ein Platzverbot verhaengt.
Die DemonstrantInnen verhielten sich ausserordentlich laut. Durch den 
schmalen Spalt zwischen den hoelzernen Toren und der Fahrbahn wurden 
Knallkoerper geschleudert, deren Detonationsknalle vom Resonanzkoerper 
des Burgtors entsprechend verstaerkt wurden.
Danach wurden mitgebrachte Kerzen vor den Toren postiert. Die Tore 
selbst waren mit -- mit Kreide geschriebenen -- antifaschistischen 
Texten uebersaet.
Um 20.30 kehrten die DemonstrantInnen zur Uni Wien zurueck. Gerade als 
sich dort die Demo aufloeste, provozierte eine Gruppe mutmasslicher 
Rechtsextremer durch Zurufe die noch anwesenden DemonstrantInnen. Eine 
Gruppe entschlossener AntifaschistInnen versuchte erfolgreich, sie zu 
vertreiben, und rannte ihnen in die Waehringer Strasse nach, bis sie 
von der Polizei aufgehalten wurde.
Mehr als eine Stunde spaeter ueberfielen Polizeikraefte der WEGA neben 
der Uni stehende Personen. Sie begruendeten dies damit, dass es zu 
einer Schlaegerei zwischen AntifaschistInnen und den mutmasslichen 
Rechtsextremen beim Christkindlmarkt gekommen sei, und es sich bei den 
Personen neben der Uni um daran beteiligte AntifaschistIinnen handeln 
koenne. Einer der dabei Beamtshandelten schilderte unmittelbar nach 
Beendigung seiner Identitaetsfeststellung in einem Interview mit 
nochrichten.net, den Vorgang so: Polizisten seien mit Schlagstoecken 
in den Haenden auf sie losgerannt, haetten sie gegen die Mauern der 
Universitaet gedrueckt, geschlagen und ihnen dann erklaert, dass sie 
keine Rechte haetten und jetzt was erleben wuerden.
Erst als alarmierte Leute aus dem Audimax gekommen waren, um das 
Geschehen zu beobachten, sollen sich die Polizisten in ihrer 
Gewalttaetigkeit eingebremst haben. Fragen nach Dienstnummern sollen 
die Polizisten erst mit Schlaegen, spaeter mit der Erklaerung, dass 
sie keine Dienstnummern herzeigen muessten, beantwortet haben.
Zwei Personen wurden festgenommen. Die anderen durften nach der 
Identitaetsfeststellung gehen. Laut Tweets der Rosa Antifa Wien seien 
sie nach den Perlustrierungen an drei mutmasslichen Rechtsextremen 
vorbeigefuehrt worden. Laut "Der_Gregor" auf twitter sollen die 
Festgenommenen nach wenigen Stunden wieder freigelassen worden sein.
Zum Kommers in der Hofburg waren 1000 deutschnationale 
Burschenschafter erwartet worden. Auch bekannte Neonazi-Gruppen hatten 
zur Teilnahme aufgerufen. Als RednerInnen waren Heinz-Christian 
Strache und namhafte Rechtsextremisten angekuendigt worden.
(nochrichten.net/akin)
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Webtip: Flugblatt der Rosa Antifa Wien zu den "Oesterreichischen 
Zustaenden"; eine Analyse der Entwicklung rechtsextremer Kreise inner- 
und ausserhalb des Parlaments seit dem Tod Joerg Haiders: 
http://www.raw.at/texte/attack/zustaende.htm
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