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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. November 2009; 19:18
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Schule/Religion/Recht/Kommentar:

> Das Kreuz mit dem Recht

Die Schulkreuzdebatte ist ueber uns hinweggefegt und wir sind derzeit
nur mehr im Einfluss ihrer letzten Auslaeufer. Da wurde in der Hitze
des Gefechts aber alles Moegliche zum Thema Rechtsbestand
durcheinandergewuerfelt. Der Versuch einer Entwirrung.

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Manches war einfach nur peinlich in der Debatte um das Kruzifix-Urteil
des Europaeischen Gerichtshofs fuer Menschenrechte (EGMR), wie etwa
das Gekeife von Herrn Nationalratsabgeordneten Kickl, der die
Angelegenheit zu einer Abrechnung gegen die EU nutzte, die uns alles
vorschriebe -- der EGMR ist zwar eine Institution des Europarats und
nicht der Europaeischen Union, aber Herrn Kickl braucht das nicht zu
scheren, schliesslich ist er ja in der FPOe.

Aber auch gebildete und intelligente Menschen fielen auf so manche
Falle herein -- besonders, wenn es um das Konkordat geht. Es
existieren naemlich zumindest drei schulbezuegliche Vertraege zwischen
dem oesterreichischen Staat und dem "Heiligen Stuhl" (von 1933, 1962
und 1972). Solche Vertraege zwischen dem Vatikan resp. dem Papst und
einem anderen Staat nennt man prinzipiell "Konkordate". Relevant sind
dabei die Vertraege von '33 und '62, die in der Debatte oft genug
verwechselt werden oder zumindest -- formal durchaus zulaessig -- als
ein einziges Vertragswerk inclusive seiner Reform angesehen werden.

Politisch sieht die Sache aber anders aus. 1933, nur zwei Monate nach
der (Nicht-ganz-so-Selbst-)Ausschaltung des Parlaments, kam es zum
ersten Konkordat. Dollfuss haette sich bis zu seinem Selbstputsch
einer Ratifizierung nicht sicher sein koennen, betrug doch die
Mehrheit der Regierung im Nationalrat nur eine Stimme -- ein kranker
Abgeordneter oder das Ausscheren unberechenbarer
Heimwehr-Nationalraete haette alles zu Fall bringen koennen.
Wahrscheinlich waere er aber sowieso nicht um die Notwendigkeit einer
Verfassungsmehrheit herumgekommen -- im Parlament damals eine
Unmoeglichkeit. So aber konnte die Dollfussregierung unter Berufung
auf das "Kriegswirtschaftliche Ermaechtigungsgesetz" (das im uebrigen
formalrechtlich dafuer niemals eine Rechtfertigung haette sein
koennen) das Konkordat selbst ratifizieren.

Dieses Konkordat sicherte unter anderem der katholischen Kirche die
fast voellige Hegemonie ueber das Schulwesen zu -- ein weiterer
Verfassungsbruch, da damals die Bildungspolitik noch ein viel
heisseres Eisen, deswegen immer ein breiter Konsens ueber die Lager
hinweg gesucht worden war und daher viele Schulnormen in
Verfassungsrang standen.

Der Verfassungsgerichtshof haette aber schon alleine unter Berufung
auf das Staatsgrundgesetz von 1867 (Art. 14, Religionsfreiheit) -- auf
Antrag der damals noch existenten sozialdemokratischen
Landesregierung -- diese Ratifikation beheben koennen. Doch wenige
Monate nach dem Konkordat schaltete Dollfuss auch den VfGH aus und
1934 gab es ein "Rotes Wien" ebenfalls nicht mehr.

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Nach Wiedererstehen der Republik gab es ein Problem. Zum einen war da
das rechtsgueltige Konkordat -- voelkerrechtliche Vertraege sind auch
dann gueltig, wenn sie von einem Diktator unterzeichnet worden sind.
Verfassungsrechtlich war es aber nicht mehr haltbar. Und die
Sozialdemokratie akzeptierte derlei in der Schulpolitik natuerlich
nicht -- also wurde das Konkordat schlicht ignoriert. Man hatte
ausserdem damals wohl andere Sorgen.

1962. Der oft zitierte "Schutt" der Nachkriegszeit war weggeraeumt,
nun wurde der alte Rechtsschutt langsam aufgearbeitet. Mit Betonung
auf langsam. So kam wohl auch irgendwann das Konkordat zur Sprache.

Was man sich damals in der Grossen Koalition so ueberlegt hat, ist
heute nur mehr schwer oder gar nicht recherchierbar, aber zu vermuten
ist Folgendes: Die Zwickmuehle zwischen Voelkerrecht und
Verfassungsrecht wurde unertraeglich. Der Vatikan wusste, dass von
Oesterreich das alte Konkordat mehr oder weniger als derogiert, also
als nicht mehr rechtsgueltig, angesehen wurde. Und so kam es zu einem
neuen Vertrag, der zwar nur als durch die "Neuordnung des Schulwesens"
erforderliche Ergaenzung bezeichnet wurde, dennoch praktisch eine
teilweise Demontage des Vertrags war. In diesem Kompromiss finden sich
auch die oft zitierten Schulkreuze normiert. Die Bestimmung lautet
allerdings, dass, "wenn die Mehrzahl der Schueler einem christlichen
Religionsbekenntnis angehoert", die Kreuze anzubringen waeren --
selbst dem Konkordat stuende es also nicht entgegen, die Kruzifixe in
jenen Schulklassen, wo mehrheitlich Kinder aus nichtchristlichen (vor
allem mulimischen und atheistischen) Familien unterrichtet werden, zu
entfernen. In Wien muessten sich schon etliche solche Klassen finden
lassen, betraegt doch der christliche Anteil der Gesamtbevoelkerung in
diesem Bundesland nicht mehr viel mehr als die Haelfte.

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Die verfassungrechtliche Zwickmuehle wurde 1962 zwar ein wenig
entschaerft, besteht aber immer noch. Am Urteil des EGMR ist nicht zu
deuteln. Der EGMR ist aber Teil der Europaeischen
Menschenrechtskonvention und die steht in Oesterreich in
Verfassungsrang.

Werner Faymanns lustige Idee, dann eben die Schulkreuze in die
Verfassung aufzunehmen, ist zwar eines oesterreichischen
Bundeskanzlers durchaus wuerdig (unhaltbare Bestimmungen zu
Verfassungsgesetzen zu machen, um sie einzuzementieren, ist ja
jahrzehntelang geuebte Praxis), heutzutage aber auch nicht mehr
sicher, hat doch der Verfassungsgerichtshof schon einmal festgestellt,
dass er durchaus bereit ist, Verfassungsbestimmungen aufzuheben, wenn
sie den grundlegenden Baugesetzen der Republik widersprechen -- und er
hat das auch schon getan.

Allein eben dank des Staatsgrundgesetzes waere eine solche Aufhebung
leicht moeglich. Auch sind Voelkerrechtsvertraege nicht sakrosankt --
der VfGH koennte zwar nicht die Konkordate aufheben, wohl aber deren
Ratifikation. Dies waere zwar ein Bruch des Voelkerrechts, wuerde aber
dem nationalen Verfassungsrecht genuege tun. Umgekehrt wuerde aber
auch ein Schuh daraus: Ein entsprechendes oesterreichbezogenes
Kruzifix-Urteil des EGMR koennte der VfGH ebenso als nichtgueltig
ansehen -- auch das waere ein Bruch des Voelkerrechts. Dann allerdings
stuende das eben nicht nur im Widerspruch zum Voelkerrecht, sondern
auch zur oesterreichischen Verfassung, da der EGMR ja in Oesterreich
in Verfassungsrang kodifiziert ist. Fuer eine solche Vorgangsweise
allerdings gibt es Beispiele, hat doch der Oberste Gerichtshof (OGH)
Urteile des EGMR schon letztinstanzlich behoben.

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Ratifizierte voelkerrechtliche Vertraege werden in der Rechtspraxis
oft als prinzipiell gleichwertig mit dem Verfassungsrecht gesehen --
sind es aber nicht unbedingt. Das Konkordat von 1962 (das im uebrigen
kaum zustandengekommen waere, haette es nicht das Dollfuss-Konkordat
gegeben) ist es zumindest nicht explizit; die EMRK ist definitiv in
Verfassungsrang gestellt. Nun koennte der Gesetzgeber hergehen und mit
den Stimmen der Koalition und der FPOe das 1962er-Konkordat ebenfalls
in Verfassungsrang heben. Doch dann waeren die beiden Rechtswerke
formal immer noch auf gleicher Stufe: beide Voelkerrecht und beide in
Verfassungsrang.

Wie gesagt: Beim VfGH waere der Gesetzgeber damit immer noch nicht aus
dem Schneider. Denn hier ergaebe sich dann bei einer eventuellen
Individualklage ein unueberbrueckbarer Normenkonflikt. Der VfGH haette
zu entscheiden: Die Menschenrechte (kodifiziert in EMRK und StGG) oder
das Konkordat -- was davon gehoert zu den prinzipiellen Baugesetzen
der Republik? Dann wuerde es nicht gut ausschauen fuer das Konkordat.

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Will es die Politik wirklich soweit kommen lassen? Oder sollte man
nicht einmal darueber mit Herrn Ratzinger reden, ob er Oesterreich
zumindest diesbezueglich nicht gnaedig aus den Vertraegen entlassen
wollte. Auch der Gedanke, die ganzen Konkordate als Muell der
Geschichte einfach einseitig zu entsorgen und den Vatikan toben zu
lassen, waere nicht abwegig -- dafuer ist aber wohl die Aufklaerung
noch nicht wirklich ausreichend in das oesterreichische Volk
gedrungen.

Ich bin kein Jurist und vieles von dem hier Angefuehrten mag
vielleicht von Anderen, Berufeneren, anders gesehen werden. Ich habe
hier lediglich versucht, eine Debatte, die leider auch sehr juristisch
gefuehrt wurde, etwas ausfuehrlicher auch auf dieser Ebene zu
behandeln. Ich glaube aber prinzipiell, dass die Debatte politisch
gefuehrt werden muss und zwar mit aller Vehemenz. Beim Schulkreuz geht
es nicht um ein marginales Stueck Holz an der Wand, sondern um den
Hegemonialanspruch des Katholizismus -- die Evangelischen und die
anderen christlichen Kirchen haben sich ja bislang grossteil aus der
Debatte herausgehalten. Dieser Hegemonialanspruch besteht nicht nur
dort, wo in staatlichen Institutionen das Kreuz haengt, eben in den
Schulen und auch in den Gerichtshoefen, nein, es ist ein
Hegemonialanspruch ueber die gesamte Gesellschaft. Man erinnere sich
nur an OeVP-Kreise, die einen Gottesbezug in der Verfassung haben
wollten.

Oesterreich hatte zwei Diktaturen seit der Ausrufung der zweiten
Republik. Bei den Nazis haben viele Oesterreicher mitgemacht, aber
unsere hausgemachte Diktatur war der politische Katholizismus. Und was
den Nazis ihre einsprachigen Ortstafeln, das sind den
Klerikalfaschisten eben ihre Schulkreuze...
*Bernhard Redl*


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