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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. November 2009; 19:42
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Polizei/Demonstrationsrecht/Daenemark:
> Wer ist hier ein Luemmel?
Rechtzeitig zum Klimagipfel in Kopenhagen soll ein neues Gesetz in 
Kraft treten, das DemonstrantInnen kriminalisiert. Werden bald auch 
klassische Arbeitskampfmassnahmen illegal?
«Es ist nicht akzeptabel, dass das Gastland eines historischen 
Klimagipfels derart das Recht auf demokratische Teilnahme 
beschneidet.» So steht es in einem offenen Brief, mit dem 
Umweltschutzorganisationen aus elf europaeischen Laendern an den 
daenischen Justizminister Brian Mikkelsen appellieren. Kritisiert wird 
ein Gesetzespaket, mit dem das Demonstrations- und Strafrecht des 
Landes massiv verschaerft werden soll.
Um moeglicher Randale waehrend des Klimagipfels in Kopenhagen im 
Dezember vorzubeugen, will die daenische Regierung drakonische Strafen 
gegen jene Protestierende ermoeglichen, die die oeffentliche 
Sicherheit und Ordnung gefaehrden koennten. Die KritikerInnen sind der 
Meinung, dass sich die Massnahmen jedoch auch gegen friedliche 
Protestaktionen wie Sitzblockaden oder Menschenketten richten. Das 
Gesetzespaket sei «ein Schlag ins Gesicht» fuer alle Menschen, die 
nach Kopenhagen kommen wollten, «um sich fuer die Rettung des Klimas 
einzusetzen», heisst es im Appell der Umweltschutzorganisationen.
Sie stehen mit dieser Kritik nicht allein. Das von der daenischen 
Regierung als «Luemmelpaket» bezeichnete Vorhaben will beispielsweise 
die Blockade von Strassen oder Zufahrten zu Versammlungslokalen, durch 
die die Arbeit der Polizei behindert werden koennte, mit einer 
Regelstrafe von vierzig Tagen Haft ohne Bewaehrung belegen. All jenen, 
die eine polizeiliche Aufforderung ueberhoert haben, sich aus einer - 
auch zunaechst genehmigten - Demonstration zu entfernen, drohen 
Geldbussen in Hoehe von mehreren Hundert Euro. Das Gesetzespaket 
erlaubt es zudem, dass die Polizei jemanden bei blossem Verdacht auf 
Gefaehrdung der oeffentlichen Ordnung bis zu zwoelf Stunden in 
Vorbeugehaft nimmt - ohne dass es dazu einer konkreten Anklage 
beduerfte.
«Wir stehen vor einer Veranstaltung, zu der Hardcore-Unruhestifter 
anreisen werden, die nur Sachschaeden und Gewalttaten zum Ziel haben», 
begruendete Kim Andersen, Sprecher der regierenden rechtsliberalen 
Partei Venstre, die Gesetzesverschaerfung. Diese «Unruhestifter» 
sollten «eins auf die Nase bekommen».
Mark Oersten, Kommunikationsforscher an der Universitaet Roskilde, 
befuerchtet hingegen, dass die Verschaerfung des Strafrechts in erster 
Linie diejenigen trifft, die nur friedlich ihre Meinung zum Ausdruck 
bringen wollen. Sie stelle deshalb eine Bedrohung des allgemeinen 
Demonstrationsrechts dar: «Als Gastgeberin einer so entscheidenden 
Klimakonferenz sollte fuer die Regierung die Frage im Vordergrund 
stehen, wie das Recht auf Meinungsfreiheit gesichert werden kann.»
Der Strafrechtsprofessor Vagn Greve kritisiert die geplante 
«Vorbeugehaft» zudem als «rechtsstaatlichen Suendenfall», und Henrik 
Stagetorn vom daenischen Rechtsanwaltsverband wirft der Regierung vor, 
den Gipfel als Vorwand zu benutzen, um Einschraenkungen des 
Demonstrationsrechts durchdruecken zu koennen, die auch danach gelten 
sollen: «Man will alle, die an einer Demonstration teilnehmen, ueber 
einen Kamm scheren.»
Auch kuenftig nuetzlich
«Es ist problematisch, wenn man Menschen daran hindern will, ihre 
verfassungsmaessigen Rechte wahrzunehmen», sagt Lene Vennits vom 
Sekretariat der People's Climate Action. Nun werde als «Luemmel» 
abgestempelt, wer fuer ein wirksames Klimaabkommen demonstriere. 
«Viele werden sich wegen der Gefahr, festgenommen und gleich vierzig 
Tage hinter Gittern zu landen, ueberlegen, ob sie ueberhaupt von ihrem 
Demonstrationsrecht Gebrauch machen», befuerchtet auch Joern Andersen 
von der Initiative 12.Dezember. Stine Gry Jonassen, Sprecherin des 
globalen Netzes Climate Justice Action, sagt: «Man kriminalisiert die 
gesamte globale Klimabewegung, indem man von vornherein davon ausgeht, 
dass es gewaltaetig zugehen wird.» Und Mads Kissow von der Klimagruppe 
Not Your Business kritisiert, die Regierung wolle alle, die anderes 
vorhaetten als Faehnchenwinken am Strassenrand, zu StraftaeterInnen 
machen.
Kritik kommt auch vonseiten der daenischen Gewerkschaften. Diese 
befuerchten, dass die «physischen Blockaden», fuer die in Zukunft 
Freiheitsstrafen drohen, nach dem Gipfel auch traditionelle 
Arbeitskampfmassnahmen treffen koennen, so das Blockieren eines 
Werkstors.»
Trifft es die Falschen?
Vor allem die Gewerkschaftsproteste haben mittlerweile dazu gefuehrt, 
dass bei den oppositionellen SozialdemokratInnen, die dem 
Gesetzespaket zunaechst positiv gegenueberstanden, ein Umdenken 
stattgefunden hat. Sie kritisieren inzwischen, dass die Vorlage ohne 
ordentliche Behandlung in den Ausschuessen und ohne ausfuehrliches 
Anhoerungsverfahren durch das Parlament gepeitscht werden soll. «Wir 
koennen im Moment nicht beurteilen, ob das Paket nicht die Falschen 
trifft», gibt Karen Haekkerup, Sprecherin der SozialdemokratInnen, zu.
Die Regierung zeigt sich wenig beeindruckt von der Kritik. Vergangene 
Woche wurde das Gesetzespaket erstmals im Parlament behandelt - es 
zeichnet sich eine sichere Mehrheit ab. Denn die konservativ-liberale 
Minderheitsregierung kann auf die Stimmen der rechtspopulistischen und 
auslaenderfeindlichen Daenischen Volkspartei zaehlen.
(Reinhard Wolff, WOZ vom 12.11.2009)
http://www.woz.ch/artikel/2009/nr46/international/18607.html
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