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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. November 2009; 19:00
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Soziales:
> Die Transferkonto-Inszenierung
Auch wenn Josef Proells Rede vom 14. Oktober schon beinahe vergessen
scheint, koennte es von grossem Wert sein, zum Beispiel das
Vorpreschen unseres Finanzministers bezueglich eines "Transferkontos"
fuer Sozialleistungen im Hinterkopf zu behalten. Denn wie oft ist es
schon passiert, dass derart abstruse oder umstrittene Ideen kurz
aufleuchteten, dann aber im Sumpf der Tagespolitik untergehen, um sich
uns Monate spaeter als realisierter Gesetzesentwurf zu praesentieren?
Proell hatte sich bei seiner Forderung auf eine Studie berufen, wonach
manche Familien mit hoeheren Bruttoeinkommen durch wegfallende
Sozialleistungen real weniger Geld zur Verfuegung haetten, als
Familien mit niedrigen Einkommen. Nun erschien eine Aussendung der
Gruenen, die die "Studie" auf die sich Proell bezogen haben will,
auseinandernimmt, um sie genauer anzusehen:
*
Die Studie ist gar keine Studie: Proell bezieht sich auf einen Artikel
in der Zeitschrift "Gesellschaft & Politik". Diese Zeitschrift
erscheint weder in regelmaessigen Abstaenden, noch wird sie
redaktionell zusammengestellt. Sie stellt viel mehr eine
Artikelsammlung dar, die jeweils zu bestimmten Schwerpunkten
erscheint. In dieser Zeitschrift schreiben neben dem Autor der
"Studie" - Franz Prettenhaler - auch namhafte, meist OeVP-nahe
Personen wie Molterer, Leitl, Bartenstein,...
Eine entsprechende Studie wurde zwar nachgereicht, Fakt ist jedoch,
dass sich J. Proell am 14. Oktober auf Daten bezogen hat, die zu
diesem Zeitpunkt eben nur in einem Artikel der erwaehnten Zeitung
veroeffentlicht waren.
Was steht drin?
Es handelt sich bei den Erhebungen nicht, wie Proells Rede vermuten
liesse um Fallbeispiele aus der oesterreichischen (steirischen)
Bevoelkerung, sondern um die Simulation von 6000 Faellen.
Die AutorInnen argumentieren ideologisch und nicht wissenschaftlich
und fordern zum Beispiel ein Abgehen vom Prinzip der
Individualbesteuerung, indem sie die "Einfuehrung eines Modells des
Familiensplittings" als "Handlungsbedarf der Bundespolitik"
darstellen, um "Kinder bei der Besteuerung staerker zu
beruecksichtigen".
Zur Begruendung dieses Ansatzes nehmen die AutorInnen eine Umdeutung
der Funktion von Sozialleistungen vor. Diese dienen in ihrer Denkwelt
nicht dazu, ein menschenwuerdiges Leben zu fuehren, sondern zum
"Ausgleich der finanziellen Lasten durch Kinder".
Zudem beruht der Beitrag auf unrealistischen Annahmen, wie der
gleichmaessigen Aufteilung der Erwerbseinkommen zwischen den
PartnerInnen oder der Annahme, dass beide Eltern fuer ein niedriges
Einkommen (475,-) von Graz nach Leibnitz pendeln wuerden.
Es werden Situationen formuliert, die weit von der praktischen
Lebensrealitaet entfernt sind, wie die Inanspruchnahme von Beihilfen
fuer Ferienaktionen (bei denen die "Non-Take-Up-Rate" weit ueber 80%
liegt).
Leistungen fuer BesserverdienerInnen (zB die Wohnbaufoerderung) werden
explizit nicht beruecksichtigt, waehrend etwa Wohnbeihilfen und
Mietbeihilfen - die logischerweise nur Menschen mit niedrigen
Einkommen zukommen - Eingang in die Rechnung finden.
Darstellung des Beitrages in den Medien
Die Rede Proells zog erhebliche Reaktionen in den Medien nach sich. Im
Wesentlichen ohne Kenntnis des Artikels und einzig unter Heranziehung
einer angeblichen "Kurzinformation fuer den Bundesminister"
berichteten so gut wie alle Tageszeitungen ausfuehrlich.
"Die Presse" machte das Ganze sogar zu einem Themenschwerpunkt. Dabei
hatte "Die Presse" aber schon vor der Proellrede die Stimmung
regelrecht aufbereitet. Bereits am 4. Maerz 2009 erschien erstmals ein
Beitrag ueber die angebliche Studie (1), am 8. Oktober, also eine
Woche vor der Proellrede, erschien fast derselbe Beitrag noch einmal
(2).
KommentatorInnen ueberschlugen sich ohne geringste Kenntnis der Studie
geradezu im Schlachtruf zum Kampf gegen den ausufernden Sozialstaat:
Unter dem Titel "wer arbeitet, kann der Dumme sein", schreibt etwa
Christoph Kotanko im Kurier vom 16. Oktober 2009: "Nachweisbar kann
jemand, der nicht arbeitet und alle Moeglichkeiten oeffentlicher
Beihilfen nuetzt, besser wegkommen als jemand, der voll, aber maessig
bezahlt, arbeitet."
Er schliesst mit der Forderung: "Tatsache ist, dass der Sozialstaat in
den vergangenen Jahrzehnten exzessiv ueber seine Absicherungsfunktion
hinausgewachsen ist. Mehr Gerechtigkeit kann ein modernes Steuerrecht
schaffen. Steuern sind ein Instrument der Umverteilung. Wer arbeitet,
darf in diesem System nicht benachteiligt werden." (3)
In der Ausgabe der Presse vom 17. Oktober bekennt sich Michael
Fleischhacker im Titel seines Kommentars zum "Neid" und schreibt: "Der
Unterschied zwischen den niedrigen Arbeitseinkommen und jenen
Einkommen, die man in Kenntnis aller Pfade durch den oesterreichischen
Beihilfendschungel von Bund, Laendern und Gemeinden erzielen kann,
ohne einer Erwerbsarbeit nachzugehen, ist eine gefuehlte Null.
Wuerde man das "Transferkonto" in einigen exemplarischen Faellen dazu
benutzen herauszufinden, was sich da an Beihilfen auf allen Ebenen
aufsummieren kann, so erbraechte das zwei moegliche Ergebnisse:
Entweder es zeigte sich, dass die gefuehlte Null eine gefuehlsmaessige
Taeuschung ist. Und dass die Wirkung der Transferleistungen, die in
den Armutsstatistiken der Menschlichkeitsindustriellen von Wifo und
Caritas ueblicherweise nicht aufscheinen (!!), tatsaechlich so gering
ist, dass zu Neid kein Anlass besteht. Oder aber es zeigte sich, dass
Proells Verdacht zutrifft, wonach es heute schon Steuerzahlerfamilien
gibt, die ueber weniger Einkommen verfuegen als
Nichtsteuerzahlerfamilien.
(...) Der Neid der betroffenen Familien waere eine vollkommen
verstaendliche Reaktion auf die Fakten. So wie auch der Neid vieler
Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich, die sehen, dass arbeitslose
Kollegen mit ein paar Stunden Pfusch die Woche auf dasselbe Geld
kommen."
Fleischhacker schliesst: "Mit Josef Proells Rede ist das Thema wieder
auf dem Tisch. Jetzt heisst es, sich zum Neid zu bekennen. Sonst wird
es nichts mit der Gerechtigkeit." (4)
In der Ausgabe vom 18. Oktober legte Fleischhacker uebrigens nach mit:
"Auslaenderfrage und Sozialstaatsdebatte zeigen: Die politisch
Korrekten sind verrueckt."
(Zusammenfassung einer Aussendung der Gruenen, Oktober 2009)
(1) http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/457929/index.do?from=simarchiv
(2) http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/513800/index.do?from=simarchiv
(3) http://kurier.at/interaktiv/kommentare/1947373.php
(4) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20091016_OTS0275
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