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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 4. November 2009; 00:55
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Uni brennt:
> Wem nuetzt Sparen bei der Bildung?
Die Forderungen der Studierenden nach einer besseren materiellen 
Ausstattung der Universitaeten und nach Aufhebung der zunehmenden 
Selektion im Bildungsbereich sind sowohl in ihrem eigenen Interesse 
als auch im Interesse der grossen Mehrheit der Bevoelkerung sinnvoll 
und vernuenftig. Und sie treffen den Kern herrschender 
Hochschulpolitik.
Diese bewegt sich in einem wiederkehrenden Widerspruch: Auf der einen 
Seite brauchen die Kapitaleliten im globalen Konkurrenzkampf zunehmend 
mehr wissenschaftliches Know-how. Auf der anderen Seite kostet das 
Geld und erzeugt, je mehr der Zugang zu Wissen und Bildung 
verallgemeinert wird, einen - aus ihrer Sicht unerwuenschten - 
emanzipatorischen Ueberschuss. Denn bekanntlich ist Wissen auch Macht, 
und je breiter der Zugang zu hoeherem Wissen, desto hoeher auch die 
Moeglichkeit zur Demokratisierung von Macht. Im sog. Bologna-Prozess 
haben sich die EU-Machteliten auf ein System zur Vereinheitlichung der 
EU-Hochschullandschaft geeinigt, um diesen Widerspruch kapital- und 
herrschaftskonform zu kanalisieren - durch Schaffung einer steilen 
Bildungshierarchie: Rasch verwertbare Schmalspurausbildung fuer die 
Masse in Form eines kurzen Bachelor-Studiums, nur mehr ein kleiner 
Teil dieser Studierenden soll anschliessend zum Masterstudium 
weitergelangen, von denen wiederum nur mehr ein Bruchteil zum 
Doktorat. Die Laenge und die Kosten der weiterfuehrenden 
wissenschaftlichen Qualifikation sorgen dafuer, dass sich sozialen 
Eliten "weitervererben". Es ist kein Zufall, dass sich mit dem 
EU-Beitritt der gesellschaftliche Rueckwaertsgang an den 
oesterreichischen Unis beschleunigt hat:
- Die studentische und demokratische Mitbestimmung wurde ueber weite 
Strecken abgeschafft bzw. zurueckgedraengt, waehrend Ministerium auf 
der einen Seite und Industrie- und Bankmagnanten (Androsch, 
Scharinger, Siemens, usw.) auf der anderen immer direkter ihre 
Interessen an den Unis durchsetzen koennen.
- Die Studienplaene der meisten Studien wurden bereits auf die 
Bologna-Hierarchie umgestellt (Bachelor, Master, Doktor)
- Einschraenkung von Familienbeihilfe und Freifahrt, sowie die 
Einfuehrung von Studiengebuehren verschaerfen die soziale Selektion 
(Die teilweise Abschaffung der Studiengebuehren zeigt freilich auch, 
dass hartnaeckiger Widerstand auch am Establishment nicht spurlos 
vorbeigeht).
- Durch das EUGH-Urteil betreffend die Zulassung von deutschen 
Studierenden an den oesterreichischen Unis wurde der Vorwand 
geschaffen, Zugangsbeschraenkungen fuer alle einzufuehren. Mit dem 
neuen Universitaetsgesetz wird es ermoeglicht, solche 
Selektionshuerden sowohl am Beginn des Studiums als auch zwischen 
Bachelor und Master flaechendeckend zu installieren.
Zugleich kamen und kommen auch die Hochschulen verstaerkt unter die 
Maastricht-verordnete Sparpolitik. Seit Mitte der 90er Jahren 
stagniert die Zahl der ProfessorInnen und sinkt die Zahl des gesamten 
universitaeren Lehrpersonals. Die staendige Verschlechterung der 
personellen und materiellen Ausstattung schlaegt sich auch in den 
Studierendenzahlen nieder. Vergleicht man die 14 Jahre vor dem 
EU-Beitritt mit den 14 Jahren seither, so ist die Bilanz eindeutig: 
Von 1980 bis 1994 stieg die Zahl der Studierenden um 87%; von 1994 bis 
2008 nur mehr um mickrige 3,4% (nachdem sie zwischenzeitlich nach 
Einfuehrung der Studiengebuehren sogar dramatischen gesunken war).
EU-Kommission und Regierungsvertreter haben bereits 
unmissverstaendlich angekuendigt, dass so bald wie moeglich neue 
Sparpakete geschnuert werden sollen. Damit sollen die Krisenlasten 
vorwiegend von jenen getragen werden, die in hohem Mass von 
oeffentlichen Ausgaben abhaengig sind: zukuenftige Generationen, 
sozial Schwache, PensionistInnen, Kranke und - last but not least - 
Studierende und SchuelerInnen.
Sparen bei der Bildung ist extrem kurzsichtig. Wir brauchen viel mehr 
Bildung fuer viel mehr Menschen, um einen demokratischen Ausweg aus 
den tiefen wirtschaftlichen, soziale und oekologische Krisen 
durchsetzen zu koennen. Es ist absurd zu behaupten, dass das Geld 
dafuer nicht vorhanden waere. Selbst im Krisenjahr 2008 haben die 40 
boersenotierten ATX-Unternehmen mehr Dividende an ihre Aktionaere 
ausgeschuettet als das gesamte Hochschulbudget ausmacht. Von 2006 bis 
2008 wurde das Militaerbudget um 740 Millionen erhoeht - alleine 
dieser Zuwachs fuer Ruestung entspricht einem Drittel des gesamten 
Budgets fuer den tertiaeren Bildungssektor im vergangenen Jahr.
Staatliche Sparpakete, Sozial- und Bildungsabbau stellen keinen Ausweg 
aus der Krise dar, im Gegenteil: Diese Politik hat massgeblich die 
derzeitigen wirtschaftlichen Verwerfungen verursacht. Wir brauchen 
einen Weg raus aus der Sackgasse statt noch weiter in sie hinein. Die 
Bewegung der Studierende gegen den herrschenden Bildungsnotstand kann 
auch anderen Bevoelkerungsgruppen Mut machen, aktiv fuer ihre 
Interessen und gemeinsam fuer eine solidarische, oekologische und 
demokratische Wende einzutreten: Umverteilung von oben nach unten, 
Schaffung zukunftsfaehiger Arbeitsplaetze durch massive Steigerung der 
oeffentlichen Ausgaben fuer Bildung, Gesundheit, soziale Sicherheit, 
umweltfreundlichen Verkehr und erneuerbare Energien! Alle, die sich in 
diese Richtung engagieren wollen, laden wir herzlich zur Mitarbeit bei 
der Werkstatt Frieden & Solidaritaet ein.
(Werkstatt Frieden & Solidaritaet / gek.)
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