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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 4. November 2009; 01:17
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Medien/Recht:

> Bedenklicher Paparazzi-Paragraph

Aus dem Justizministerium kommt wieder mal so ein Vorschlag: "§ 120a.
(1) Wer von einem anderen in der Absicht, diesen blosszustellen, eine
Bildaufnahme herstellt, einem Dritten zugaenglich macht oder
veroeffentlicht, die Umstaende des persoenlichen Lebens- oder
Geheimnisbereichs betrifft, an denen der Abgebildete ein
schutzwuerdiges Geheimhaltungsinteresse (§§ 1 Abs. 1, 8 und 9 DSG
2000) hat, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit
Geldstrafe bis zu 360 Tagessaetzen zu bestrafen."

Auf den ersten Blick kann man das ja verstehen -- man denke nur an die
nicht autorisierten Fotos der Familie Fritzl oder Natascha Kampusch.
Aber diese Faelle sind bereits rechtlich geregelt -- durch
Sanktionsmoeglichkeiten gegen den Verlag. Jetzt aber direkt
vorgegangen werden gegen die Photographen und zwar mit der Keule des
Strafrechts. Nach Angaben des "Oesterreichischen Journalisten Clubs"
(OeJC) sei mittlerweile in den Verhandlungen ueber das Gesetz die
Drohung mit einer Freiheitsstrafe gefallen, dennoch ist die
Gefaehrdung der Photographen evident. Denn die Definition ist so
schwammig, dass ein Missbrauch durch die Justiz leicht moeglich ist --
in Zeiten von §278ff-Verfahren gegen angebliche Terroristen aus der
islamistischen oder der Tierrechts-Szene ist die Befuerchtung
berechtigt.

Dass direkt gegen die Photographen vorgegangen werden soll, begruendet
der Ministerialentwurf auch sehr eigenartig. Denn es ginge nicht nur
um Bilder, die kommerziell verwertet werden sollen, sondern auch gegen
das sogenannte "Happy Slapping". Dieses "lustige Schlagen" ist als
Jugendphaenomen bekanntgeworden: Jugendliche ueberfallen willkuerlich
Menschen und verpruegeln sie -- diese Aktion wird mitgefilmt,
beispielsweise mit einem Handy, und die Filme werden dann ins Web
gestellt. Nur: Dabei duerfte es sich eher um einen Medienhype
handeln -- die Zahl der dokumentierten echten Faelle kommt europaweit
wohl gerade mal auf ein Dutzend. Helfen wuerde ein solcher Paragraph
auch kaum, da Koerperverletzung ebenso wie die Beihilfe dazu
strafrechtlich sowieso bedroht sind.

SiPolG-Reform erwuenscht

Der OeJC hat gegen diesen doch etwas problematischen Vorschlag eine
Protestwebsite mit dem ein bisschen polemischen Titel "Rettet die
Pressefreiheit" lanciert. Dabei geht es aber unter anderem auch um den
Protest gegen die Behinderung der Pressefreiheit durch den §38 des
Sicherheitspolizeigesetzes (Wegweiserecht). Auch da sind
hauptsaechlich die Photographen betroffen, denn ein Presseausweis
hindert die Polizei nicht daran, Presseleute, die Polizeiuebergriffe
dokumentieren wollen, ebenfalls wegzuweisen. Der OeJC fordert daher
eine Ausnahmebestimmung fuer Pressephotographen -- was nach Ansicht
des Verfassers dieser Zeilen zwar berechtigt ist, aber nicht
ausreichend, da mittlerweile die meisten Bilder von derartigen
Uebergriffen von Umstehenden gemacht werden, die keinen Presseausweis
besitzen. Diese waeren durch einen solchen Gesetzeszusatz nicht
geschuetzt.
*Bernhard Redl*

OeJC-Aktion:
http://www.rettet-die-pressefreiheit.at/



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