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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. Oktober 2009; 16:33
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Initiativen
> Was will der "Kindergartenaufstand"?
Viel war die Rede von der Kindergartenmisere -- allgemein in 
Oesterreich und speziell in Wien. Aber warum geht es dabei eigentlich 
den Protestierenden genau? Hier eine detaillierte Schilderung der 
"Aufstaendischen":
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"A bissal spuen und aufpassn", das ist es doch, was 
Kindergaertnerinnen den ganzen Tag lang machen. Mit diesem leider noch 
immer weit verbreiteten Vorurteil sehen sich KindergartenpaedagogInnen 
in ganz Oesterreich konfrontiert.
Dass der Kindergarten vor der Schule die erste Institution ist, in die 
das Kind alleine, ohne seinen Eltern, eintritt und damit als Teil der 
Gesellschaft an diesem Ort sozialisiert wird, ist noch immer nicht zum 
gaengigen Bild des Kindergartens geworden.
Dass im Kindergarten auch Bildungsprozesse in allerlei Bereichen 
stattfinden, die dem Kind auf seiner weiteren Lebens- und Bildungsbahn 
helfen, scheint ebenso noch im Verborgenen zu ruhen. Vielleicht liegt 
das auch daran, dass Lernen nur mit schulischem Lernen assoziiert 
wird, nicht aber mit dem Lernen das sich im Spiel vollzieht. So 
gesehen ist es schon richtig, dass KindergartenpaedagogInnen mit den 
Kindern "spielen", nur wird dabei uebersehen, dass sich im Spiel 
wichtige Erfahrungs-, Erlebnis- und Lernchancen eroeffnen, die das 
Kind auf sozio-emotionaler, motorischer, kognitiver und kreativer 
Ebene foerdern.
Hinter dieser paedagogischen Begleitung und Foerderung der kindlichen 
Lebenswelt steht die professionelle Arbeit der 
KindergartenpaedagogInnen, denen es seit Jahrzehnten an gebuehrender 
Anerkennung fuer diese grundlegende Arbeit an der Gesellschaft fehlt. 
Denn wer die Kinder von morgen erzieht traegt nicht nur eine grosse 
Verantwortung sondern leistet auch einen entscheidenden Beitrag fuer 
eine funktionierende und gerechte Welt.
Neben der fehlenden Anerkennung fuer das Berufsbild machen vor allem 
die Rahmenbedingungen vielen PaedagogInnen zu schaffen. Nicht selten 
haben PaedagogInnen in Wien bis zu 25 Kinder in einer Gruppe, die sie 
paedagogisch optimal begleiten und foerdern sollen. Dabei sehen sie 
sich in ihrer taeglichen Arbeit einer Reihe von unterschiedlichsten 
Anforderungen ausgesetzt, die in diesem Rahmen nicht durchfuehrbar 
sind. So etwa die Foerderung der Gruppe, aber auch die jedes einzelnen 
Kindes. Dazu kommen Elternarbeit (Elternabende, 
Entwicklungsgespraeche, Eingewoehnungserklaerungen, Schulinformation 
und der taegliche Austausch), Teamarbeit, Weiterbildung (geschieht in 
der Freizeit), etc.
Zu beachten ist, dass einer vollzeitbeschaeftigten Paedagogin fuer 
eine Vorbereitung, die es ermoeglichen wuerde, den individuellen 
Beduerfnissen von Kindern und Eltern gerecht zu werden nur 4 
Vorbereitungsstunden pro Woche zu Verfuegung stehen. Da diese, wie man 
sich nach den beschriebenen umfangreichen Taetigkeiten denken kann, 
nicht ausreichen um Bildungsarbeit entsprechend umzusetzen, geschieht 
die Vorbereitung nicht selten auch in der unbezahlten Freizeit.
Aber nicht nur die PaedagogInnen haben unter dieser Situation zu 
leiden. Eltern muessen Qualitaetseinbussen hinnehmen; das Kind kann 
unter diesen Voraussetzungen nicht entsprechend gefoerdert werden. 
Eine Kindergartenpaedagogin, die fuenfundzwanzig neugierigen, 
wissensdurstigen und liebeshungrigen Kindern mit unterschiedlichen 
Interessen und Beduerfnissen gerecht werden muss, fuehlt sich 
tagtaeglich zerrissen und ist von ihrer Arbeit zunehmend enttaeuscht; 
ermoeglichen ihr doch die derzeitigen Rahmenbedingungen nicht so 
paedagogisch wertvoll zu arbeiten wie sie es gern moechte. Jedes 
einzelne Kind, das einmal in den Genuss kommt sich eine Paedagogin nur 
mit 8 anstatt mit 24 anderen Kindern teilen zu muessen, etwa weil die 
restlichen 17 Kinder krank sind, geniesst die Aufmerksamkeit und Zeit, 
die ihm ploetzlich zu Teil werden kann. Dabei sollte es Standard sein, 
dass eine PaedagogIn ausreichend Zeit und Ressourcen fuer die staendig 
stattfindende Entwicklung eines Kindes hat. Dies ist leider NICHT so...
Auf einem schmalen Grad zwischen Zerrissenheit und Burnout bewegen 
sich KindergartenpaedagogInnen in Wien aufgrund der untragbaren 
Rahmenbedingungen. Dazu zaehlt unter anderem auch das niedrige Gehalt, 
das bei einer vierzig Stunden Woche jenem von VerkaeuferInnen gleicht 
(trotz 5-jaehriger Ausbildung mit Diplom).
Einige KindergartenpaedagoInnen haben aufgrund der umfangreichen 
schlechten Rahmenbedingunen das Kollektiv Kindergartenaufstand ins 
Leben gerufen das fuer bessere Bedingungen im Job kaempft. Das 
Kollektiv Kindergartenaufstand versteht sich als parteiunabhaengige 
Basisbewegung, die es den KindergartenpaedagogInnen ermoeglicht, sich 
zu vernetzen und gemeinsam fuer bessere Rahmenbedingungen aktiv zu 
werden. Auch Eltern, die mit der derzeitigen Situation unzufrieden 
sind und denen die optimale Foerderung ihrer Kinder ein Anliegen ist, 
sind schon Teil des Kollektivs. BetreuerInnen und AssistentInnen, 
deren Arbeitsbedingungen sich ebenfalls verschlechtert haben, sind 
ebenfalls eingeladen ein Teil des Kollektivs Kindergartenaufstand zu 
werden und gemeinsam fuer eine Besserung des Kindergartendebakels 
einzutreten. Das Kollektiv ermoeglicht es allen Betroffenen selbst 
fuer sich zu sprechen und sich Gehoer zu verschaffen.
Wieso machen wir erst jetzt auf die schlechten Bedingungen aufmerksam?
Seid Jahren gibt es im Beruf Taetige (Educare, Berufsgruppe von 
Kindergarten- und Hortpaedagoginnen) die dafuer eintreten, dass sich 
die Bedingungen verbessern. Der Gratiskindergarten wird vom Kollektiv 
Kindergartenaufstand grundsaetzlich als ein begruessenswerter Schritt 
gesehen, da Bildung gratis sein soll! Jedoch muessen sich mit der 
Einfuehrung des Gratiskindergartens auch die Rahmenbedingungen zum 
besseren aendern, sodass unter anderem bereits ausgebildetes 
Fachpersonal zurueck in den Beruf als KindergartenpaedagogIn kommt 
(viele Kolleginnen ueben den Beruf wegen dem Ungleichgewicht zwischen 
den Rahmenbedingungen und Anforderungen zu der geringen Bezahlung 
nicht mehr aus). Nur so kann die grosse Personalnot verbessert werden.
Dies laesst sich anschaulich vergleichen mit einem Topf der schon vor 
dem Start des Gratiskindergartens knapp vor dem Ueberlaufen war. Es 
kann nicht funktionieren, dass man in einen vollen Topf noch mehr 
hineinleert und hofft, dass er nicht uebergeht. Man braucht einen 
groesseren Topf, um mehr kochen zu koennen. Dies leuchtet Jedem ein,... 
also ist es jetzt an der Zeit STOP zu rufen!
Das Kollektiv Kindergartenaufstand schreit "STOP!"
Der Kindergartenaufstand fordert aufgrund der derzeit untragbaren 
Rahmenbedingungen im Beruf eine Reduzierung der Kinderanzahl in den 
Gruppen auf einen Paedagogin-Kind-Schluessel von 1:8. Mehr und 
ausreichende Vorbereitungszeiten fuer PaedgagogInnen in 
Kindergaerten/Krippen und Horten um den gestiegenen 
Arbeitsanforderungen wie individuellen Foerderungen, Planen von 
spezifischen Foerderangeboten, interdisziplinaere Arbeit, transparente 
Eltern- und Oeffentlichkeitsarbeit und Vorbereitung von 
Entwicklungsgespraechen etc. entsprechend paedagogisch vor- und 
nachbereiten zu koennen. Gefordert wird auch ein angemessener Lohn 
fuer paedagogisch hochwertige Arbeit. Das Kollektiv 
Kindergartenaufstand fordert diese grundlegenden Veraenderungen auch 
im Interesse der Kinder, sowie deren Eltern, die darauf vertrauen, 
dass in den oeffentlichen Bildungseinrichtungen ihre Kinder 
bestmoeglich gefoerdert und nicht bloss aufbewahrt werden.
Denn gute Arbeit, die nur unter den richtigen Rahmenbedingungen 
stattfinden kann, darf keinen Seltenheitswert haben!
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Quelle: http://www.kindergartenaufstand.at/index.php?
 option=com_content&view=category&layout=blog&id=9&Itemid=10
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Die Demo am 17.10., bei der 2000 Menschen auf der Stra0e waren, ist 
unterstuetzt worden von der Berufsgruppe von Kindergarten- und 
HortpaedagogInnen, der KIV - Konsequente Interessensvertretung in der 
GdG, der IG work{AT}social Wien in der GPA-djp, dem Personenkomitee 
Wiener Kindergaerten, der BetreuerInnenvertretung Wiener Kindergruppen 
und dem Betriebsrat Wiener Kinder- und Jugendbetreuung.
http://www.kindergartenaufstand.at
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Weiters haben die Wiener Berufsgruppen der Kindergarten- und 
HortpaedagogInnen (BKHW) eine Unterschriftenliste mit entsprechenden 
Forderungen aufgelegt. Zum Downloaden und Ausdrucken unter: 
http://bkhw.at/kennen_sie_ein_kind.pdf
Am 18. November 2009, 18 Uhr, gibt es die Gelegenheit ueber die 
Aktivitaeten zu berichten, zu diskutieren bzw. zu erklaeren, warum 
nichts geschehen konnte und was die Wiener Parteien im Wahljahr 2010 
unternehmen werden. Bildungsanstalt fuer Kindergartenpaedagogik - 
mater salvatorism, 1170 Wien, Kenyongasse 2-4; Eingang Stollgasse 8A
Zu einem Aktionstag laden die BKHW am Samstag, 21. November 2009 
ein -- Treffpunkt: Sigmund Freud Platz (Visavis Votivkirche), 11 Uhr
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