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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 13. Oktober 2009; 19:39
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Tuerkei:

> Toter bei Istanbuler IWF-WB-Gipfel

Der Internationale Waehrungsfonds (IWF) und die Weltbank haben am
7.Oktober ihre Jahrestagung in der tuerkischen Metropole Istanbul
abgeschlossen. "IWF und Weltbank hatten bei ihrer zweitaegigen Sitzung
betont, die Weltwirtschaft befinde sich zwar auf dem Weg aus der
Krise, doch sei der Aufschwung noch zu schwach, um sich selbst zu
tragen. Beide Institutionen verpflichteten sich, die Mitspracherechte
aufstrebender Schwellenlaender zu staerken. Zugleich forderten sie von
den 186 Mitgliedslaendern mehr Macht und mehr Geld, um insbesondere
armen Laendern zu helfen, die Folgen der Krise zu meistern", meldete
AFP

Dass sie mit ihren brutalen Austeritaetsprogrammen und der
Verherrlichung der Globalisierung keine Mitschuld haetten an der Krise
oder ganz generell an der Armut an der Welt, haben sie nicht betont --
mussten sie ja auch nicht, denn diesen Vorwurf hatten ihnen ja nur die
Menschen draussen vor dem Tagungssaal gemacht und vor denen muss man
sich ja nicht rechtfertigen.

Diese krititische Fragen, die am Dienstag und Mittwoch, auf der
Strasse gestellt worden waren, wurden einfach mit dem Wasserwerfer
beantwortet. Die Gegenwehr erfolgte mit Steinen. Daraufhin sollen am
Mittwoch laut "Huerriyet" auch Schuesse von Polizeiseite gefallen
sein -- Warnschuesse, wie behauptet wird.

Zumindest 110 Menschen wurden festgenommen, ein Mann namens Ihsan
Kavlo soll in Folge von Traenengaseinsatz an einem Herzleiden
gestorben sein, berichtete das Wiener "Tuerkei-Informationszentrum" in
Berufung auf halkinsesi.tv. Ebenfalls laut dieser Quelle waeren auch
wieder faschistische Trupps in Zivil unterwegs gewesen, die die
fluechtenden Demonstranten schon mit "Knueppeln und Hackbeilen"
aufgelauert haetten.

Bereits am 1.Oktober war es zu einem Zwischenfall gekommen. IWF-Chef
Dominique Strauss-Kahn wollte auf der Bilgi-Universitaet die Weltsicht
seiner Organisation zum Besten geben, als ein Schuh geflogen kam. Der
Schuhwerfer war ein junger tuerkischer Student und Journalist, der
Strauss-Kahn damit zu erkennen geben wollte, dass dieser nichts auf
der Uni zu suchen habe.

Neue Sozialgesetze, Fluechtlingselend, Verfolgung

Die Proteste, die die ganze Woche bis zum 8.Oktober anhielten,
richteten sich aber auch gegen spezifische tuerkische
Staatsmassnahmen, so etwa gegen das juengste Gesetz ueber die soziale
Sicherheit. Kritiker sehen darin einen Tueroeffner, um das staatliche
System, das im Bereich der sozialen und medizinischen Versorgung
tatsaechlich ein sehr geringes Niveau aufweist, durch ein System der
Privatvorsorge zu ersetzen. Auffaellig dabei ist, dass dies von
staatlicher Seite als Vorleistung fuer einen EU-Beitritt angesehen
wird. Die EU hatte das Sozialsystem der Tuerkei bereits mehrmals
geruegt.

Auch andere Proteste zeigen, dass in der Tuerkei noch alles beim alten
ist. Am 20.September hatte es in einer Istanbuler Schubhaftanstalt
einen Aufstand von etwa 100 Fluechtlingen gegeben, die ihre
Haftbedingungen nicht mehr weiter aushalten wollten. Die Eingesperrten
wehrten sich nicht einmal gegen ihre Haft, sondern forderten
lediglich, dass man ihnen zu essen gebe.

Ebenfalls in Istanbul wurde am 30.September ein in der Schweiz
lebender tuerkischer Gewerkschafter und Menschenrechtsaktivist bei
einem Familienbesuch festgenommen. Erst nach 30 Stunden Haft durfte
erstmals ein Anwalt mit Murad Akincilar sprechen. Nach wie vor ist die
eigentliche Anklage unklar. Akincilar war 2001 wegen seiner Verfolgung
aufgrund politischer Aktivitaeten aus der Tuerkei geflohen. Da seine
Mutter erkrankt ist und er meinte, einen Besuch in der Heimat nach so
langer Zeit riskieren zu koennen, war er nach Istanbul gereist.
(akin)

Ausfuehrlicher Artikel zum Sozialrecht der Tuerkei (engl.):
http://www.monthlyreview.org/090420-cosar-yegenoglu.php

Gewerkschafter-Solidaritaetsappell:
http://www.unia.ch/Solidaritaet-mit-Murad-Akincil.3855.0.html



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