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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 7. Oktober 2009; 16:39
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Asyl:

> Heimreise auf Bestellung

Innenministerium erzaehlt Heimatregierungen von Fluechtlingen mehr als erlaubt


Gestern, Dienstag, sollte am Vormittag wieder eine Gruppe von
Fluechtlingen aus der ganzen EU per Massenabschiebung in
Zusammenarbeit mit der europischen Grenzagentur FRONTEX nach Nigeria
und Gambia abgeschoben werden. Die Angelegenheit verzoegerte sich
ueber den ganzen Tag. Einige Demonstranten und 5 Journalisten warteten
lange Zeit. Erst um Mitternacht erschien ein Polizeibus, worin
vermutlich die Abzuschiebenden sassen. Dieser war kurz blockiert
worden, der Fahrer hatte sich dann aber einen anderen Weg in den
Flughafen gesucht. Angeblich wartete man laut Aussage eines Polizisten
nun nur mehr auf den Rest der Abzuschiebenden. Aber am Mittwoch
nachmittag war immer noch nicht klar, ob die Abschiebungen auch
tatsaechlich erfolgt sind oder noch erfolgen werden.

Pikant in diesem Zusammenhang ist allerdings, dass einige der
oesterreichischen Faelle selbst nach dem hiesigen Gesetz grob
rechtswidrig zu einem Abschiebebescheid gelangt sein duerften.

Herbie Loitsch interviewte dazu fuer Radio Orange die beiden
RechtsberaterInnen Karin Klaric und Tim Ausserhuber. Karin Klaric:
"Was die oesterreichischen Fluechtlinge betrifft, hegen wir sehr stark
den Verdacht, dass diese Abschiebungen gegen das Gesetz sind, nicht
nur gegen das oesterreichische Gesetz, sondern auch gegen die
Menschenrechte und das europaeische Gesetz!" Klaric meint beweisen zu
koennen, dass die Heimreisezertifikate (also jene Dokumente, in denen
Botschaften Staatsangehoerigkeiten von Fluechtlingen bestaetigen)
"illegal und widerrechtlich" von oesterreichischen Behoerden
angefordert worden waeren. Diese "setzen ganz bewusst Luegen in die
Welt, um rasch ein Heimreisezertifikat zu erlangen", so die
Rechtsberaterin von Ute Bocks Hilfsverein.

Ausserhuber praesentiert dazu die Geschichte eines Klienten: Der Fall
eines Fluechtlings, "der nie eine Verurteilung in Oesterreich hatte
und der aus der Schubhaft der nigerianischen Botschaft vorgefuehrt
wurde und der Beamte der Botschaft hat ein Dokument in der Hand und
sagt ihm: ´schau, das ist doch klar, dass dich Oesterreich. hier nicht
mehr haben moechte, du hast ja eine gerichtliche Verurteilung´".
Darauf habe der Fluechtling heftig protestiert, weil ihm das ja
tatsaechlich neu gewesen sei. "Aber die Botschaft beharrt darauf: `Wir
haben das hier von Oesterreich, dass du verurteilt worden bist.´ ...
das hat der Client in einem dritten Asylantrag vorgebracht, dass das
eine Riesengefahr fuer ihn ist, wenn er nach Hause gschickt wird und
die nigerianischen Behoerden der Meinung sind, dass er hier verurteilt
worden ist". (Bekanntermassen muessen Nigerianer ja in ihrer Heimat
zusaetzlich mit bis zu fuenf Jahren Haft rechnen, wenn sie im Ausland
"das Ansehen Nigerias in Verruf bringen".) Der Asylantrag waere dann
zwar vom Bundesasylamt abgelehnt worden, aber der Asylgerichtshof habe
die Abschiebebescheid behoben und eine temporaere
Aufenthaltsberechtigung erlassen, so der Rechtsvertreter. Und so
meinen Klaric und Ausserhuber unisono, dass die Gerichtsbarkeit
erstaunlicherweise doch noch funktioniere.

Aber nicht nur das Erfinden von Verurteilungen ist rechtswidrig,
sondern auch generell die Weitergabe heikler Informationen ueber den
Fluechtling an der Verfolgerstaat -- doch das passiere laufend, so
Klaric. Es liege ihm ein vorgefertigtes Formular vor, so Ausserhuber,
mit dem einer seiner Mandanten als Straftaeter der Botschaft avisiert
worden waere.

Innenministeriums-Sprecher Rudolf Gollia, der von der APA auf Grund
dieses Interviews mit dem Faksimile des Formulars am Dienstag
konfrontiert worden war, bestaetigte die Existenz dieses Formular. Es
werde allerdings seit einigen Wochen nicht mehr verwendet, so Gollia.

Aber nicht nur die Botschaften wuerden direkt informiert, sondern auch
reisende Regierungsvertreter, die als Kommissionen nach Oesterreich
kommen, so Klaric und Ausserhuber im Orange-Interview. Laut
Innenministerium waere die Anfang 2009 aufgetauchte Kommission aus
Gambi nur hiergewesen, um Staatsangehoerigkeiten zu ueberpruefen. Doch
darum ist es wohl nicht gegangen. Klaric: "Mit sehr viel Kampf war es
moeglich, durchzusetzen bei einigen Einvernahmen dieser Kommissionen
dabeizusein" -- "und am Tisch vor uns ist da ganz bewusst der Asylakt
gelegen". Auch waere offen ersichtlich gewesen, dass der Mandant nach
dem Suchtmittelgesetz verurteilt worden ist -- ein Vorwurf, den der
Betroffene immer noch heftig bestreitet, der damit jetzt aber in
Gambia aktenkundig geworden ist. Auch alle Angaben ueber
Fluchtgruende, zum Beispiel politische Aktivitaeten oder
Homosexualitaet, die im Asylverfahren angegeben worden waren, kaemen
so zur Kenntnis der Heimatregierung. Weiters haetten die Einvernahmen
in den Sprachen Gambias stattgefunden -- ohne Dolmetsch, d.h. was da
wirklich verhandelt wurde, waere selbst dem Innenministeriumsbeamten
unklar geblieben. Tatsaechlich haette ihr Klarics Mandant erklaert, er
waere ueber seinen Fluchtweg befragt worden.

Appell

Die Hilfsvereine alleine koennen nicht alles tun, was notwendig waere.
Klaric bittet daher um Mithilfe. Der Verein von Ute Bock brauche
sowohl Menschen, die als Zeugen bei Amtshandlungen mitkommen koennten
als auch natuerlich Spenden. Und Klaric erzaehlt auch noch, dass
Fremdenpolizisten in die Badner Bahn einsteigen und gezielt
dunkelhaarige Menschen herausgreifen und ihren Ausweis einfordern.
"Und die dann ganz laut im Zug sagen ´bitte bleiben sie ruhig, es gibt
illegale auslaendische objekte im bezirk baden vermehrt in den letzten
monaten, deswegen machen wir hier diese ueberpruefungen´", so Klaric.
Und setzt daran noch einen Appell: "Wenn man solche Diskriminierungen
sieht, bitte eingreifen! Bitte den Mut aufzustehen, fragen: wer sind
sie?, nach einem Ausweis fragen..." Weil: "Es ist nicht legal, es ist
NOCH nicht gesetzlich verankert, dass man willkuerlich anders
aussehende Personen nach einem Ausweis fragen kann, wenns ihnen Spass
macht."
(Radio Orange/akin)

*

Das komplette Interview:
http://cba.fro.at/show.php?lang=de&eintrag_id=14276

Kontakt: Fluechtlingsprojekt Ute Bock
A-1020 Wien, Grosse Sperlgasse 4
Tel +43 1 929 24 24 - 24
info{AT}fraubock.at

Kontakt zu Karin Klaric: rechtsberatung{AT}fraubock.at

Spenden: Hypo Bank Tirol, Bankleitzahl 57 000, Konto Nr. 520 110 174 99



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