**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 16. September 2009; 02:30
**********************************************************
Glosse:
> Wie schoen waere Griechenland ohne so manche Griechen
Die letzte Woche verbrachte ich mit meiner 13jaehrigen Tochter in 
einem kleinen idyllischen Oertchen nahe der Stadt Rhodos. Nebst einer 
kuscheligen, von einer kommunistisch orientierten Familie betriebenen 
Pension, einem Supermarkt und einer Tankstelle praegten einige 
Fischerhaeuschen das doerfliche Bild. In unserer Naehe befand sich ein 
wunderschoener, naturbelassener Strand, dessen Weite es zuliess, dass 
wir die Zeit am Meer unbehelligt fuer uns alleine verbringen konnten, 
Es gab weit und breit keine deutschen TouristInnen, manchmal besuchten 
uns nachmittags Griechen aus der Gegend, um etwas zu plaudern. Meine 
Tochter hat sich in die Twylight-Buchserie verliebt und war damit 
beschaeftigt, ueber 1000 Seiten zu lesen, so lasen wir gemeinsam und 
erzaehlten uns gegenseitig manche Passagen aus unseren jeweiligen 
Buechern. Schoen, nicht?
Und was hat so eine Story in der akin zu suchen? Gar nichts, haette 
ich nicht ein grausliches Erlebnis gehabt, welches Fragen von 
politischer Bedeutsamkeit aufwirft. Eines schoenen Nachmittags habe 
ich ein bisschen gedoest und bin eingeschlafen. Als ich aufgewacht 
bin, stand neben mit ein Mann, ein Grieche, der direkt neben mir vor 
meinen Augen masturbierte. Er fragte noch hoehnisch: "Do you want 
sex?" Noch nicht so ganz munter und reaktionsfaehig bat ich ihn, mich 
alleine und in Ruhe zu lassen, was ihn nicht daran hinderte, direkt 
vor mir seinen Orgasmus zu zelebrieren. Er sass bereits auf seinem 
Motorrad, als ich es schaffte, aufzustehen. Als erstes war ich 
unglaubend staunend, so quasi, das gibt's doch nicht, dann war ich 
schockiert, dann fuehlte ich mich irgendwie schmutzig, vor allem 
erniedrigt und gedemuetigt, kam mir vor wie der letzte Dreck, dann war 
ich empoert und wurde unglaublich zornig und wuetend. Ich habe am 
ganzen Koerper gezittert. Dieser Dreckskerl ist mir in einer Situation 
begegnet, in der ich schutzlos und wehrlos gewesen bin. Der hat sich 
mir genaehert, waehrend ich geschlafen habe, ein Akt personaler 
Gewalt.
Dreckskerl. Ich kann mich immer noch nicht durchringen, mir diesen 
Dreckskerl als Menschen zu denken, der, nehme ich die Menschenrechte 
ernst, ein Anrecht auf Leben in Wuerde hat. Mein Menschenrechtsdenken 
und meine pazifistische Orientierung sind einem Dilemma ausgesetzt. 
Mein ganzer Koerper und meine ganzen Gefuehle straeuben sich gegen die 
Vorstellung, diesem Dreckskerl mit Respekt begegnen zu wollen. Die 
geniale Analyse von Gerda Lerner beschreibt, dass der erste Schritt 
der Ungleichbehandlung, die Verweigerung des Respekts, die Abwertung 
bestimmter Menschen und Menschengruppen darstellt, die unweigerlich in 
Stigmatisierung muendet und letztlich zu Mord, Massenmord, Massaker 
und Faschismus fuehren kann, die Wurzel der Unterdrueckung ist. Der 
Pazifismus aber lehrt die Versoehnung. Ich bin zutiefst davon 
ueberzeugt, dass eine Veraenderung der gesellschaftlichen 
Verhaeltnisse nur durch Begegnung in gegenseitigem Respekt, 
Anerkennung der Wuerde des/der Anderen, Gleichwertigkeit und 
Gleichberechtigung moeglich ist. Ich bin aber nicht versoehnlich 
gestimmt. Einer der beeindruckendsten Zeitzeugen, ein Ueberlebenden 
des KZ Auschwitz hatte im Friedensbuero Salzburg formuliert, wuerde er 
seinen Peinigern gegenuebertreten, wuerde er ihnen die Hand zur 
Versoehnung von sich aus ausstrecken, da jedes auf Unterdrueckung 
basierende Regime nur dadurch existieren kann, dass Menschen sich 
gegenseitig missachten und verachten. Ich bin immer noch nicht 
versoehnlich gestimmt. Ich bin wuetend und der Dreckskerl ist fuer 
mich ein Dreckskerl. Das pazifistische Dilemma besteht darin, dass ich 
eine Gewaltphantasie habe: Ich phantasiere, dem Dreckskerl zu 
begegnen, um ihm eine richtig ordentliche Ohrfeige zu verpassen, und 
zwar eine, die weh tut. Selbstverstaendlich wuerde ich nie Gewalt 
gegen einen Menschen anwenden, aber die Vorstellung hat etwas 
Erfreuliches.
Vielleicht hilft ein Gedanke von Gandhi weiter, der einst formuliert 
hatte, dass wenn man jemanden besiegt hat, der Sieger darauf achten 
sollte, den Besiegten nicht seiner Wuerde zu berauben. Der Standpunkt 
des Siegers. Ich hab aber nicht gesiegt, ich hab verloren. Was fehlt, 
ist die Antwort auf den Umkehrschluss. Was mache ich, wenn ich 
verloren habe?
Wuetend bin ich vor allem auf mich selber. Nach so vielen Seminaren 
und Trainings, in denen gewaltfreier Umgang mit Gewalt, 
Auseinandersetzungen mit Begegnungen mit Gewalt reflektiert und 
praktisch geuebt worden sind, war ich ausgerechnet mit einer 
Gewaltsituation konfrontiert, der ich in voelliger 
Reaktionsunfaehigkeit gegenuebergestanden bin, nicht gestanden, nein, 
im Sand liegend. Es gibt genuegend Moeglichkeiten, sich gewaltfrei 
einem Angriff zu verwehren, aber Sprachlosigkeit und ohnmaechtige Wut 
entstehen dort, wo wir nicht mehr in der Lage sind, unsere Haut zu 
retten. Sprachlosigkeit in Kombination mit Wut laesst nonverbale 
Kommunikation in Form von Gewalt entstehen. In dem Beispiel, welches 
ich hier schildere, liegt die Entstehung der Gewalt in ihren 
Ausgangspunkten, darin, dass mein Gewissen es nicht schafft, meinen 
Koerper und mein Gefuehlsleben davon zu ueberzeugen, aus der 
Bezeichnung Dreckskerl die Vorstellung Mensch auf gleicher Ebene zu 
generieren.
*rosalia krenn*
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der 
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd 
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe 
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit 
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der 
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem 
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige 
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement 
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den 
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin