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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. September 2009; 01:35
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Kommentar zu den Texten dieses akin-pd:

> Die Rueckkehr des Gottesstaates

Es gibt in den Glaubensgemeinschaften eine grosse Menge an sehr
gescheiten, liberalen, toleranten und sogar richtig linken Leuten --
aber die haben in diesen ihren Vereinen meistens wenig zu sagen. Und
das zu Recht. Denn die Religionen allesamt orientieren sich an
autoritaeren Vorstellungen, die fuer aufgeklaerte Menschen einfach
nicht akzeptabel sind; man koennte auch sagen: die "heutzutage" oder
"im 21.Jahrhundert" nicht mehr akzeptabel sind, aber tatsaechlich
waren sie es noch nie. Religionen postulieren Weltbilder, die nicht zu
diskutieren sind -- und sind genau deswegen in des Wortes doppelter
Bedeutung indiskutabel.

Es besteht die selbe Furcht in den Religionen wie im Staat, dass
einmal verkuendete Wahrheiten angezweifelt werden koennten. Deswegen
sind die Religionen auch so wichtig fuer den Staat, da hier noch der
Ruf nach Demokratisierung viel leichter unterdrueckbar ist -- wer die
Autoritaet anzweifelt, ist ein Haeretiker. Dieser Ansatz ist -- wenn
auch in unterschiedlichen Auspraegungen -- allen Religionen gemein.
Kein Wunder also, dass in den ideologischen Hinterhoefen etlicher
politischer Parteien gottesstaatliche Ueberlegungen sehr beliebt sind.

Es ist faszinierend mitanzusehen, wie Vertreter vor allem von OeVP und
neuerdings auch FPOe und BZOe mit dem Kreuz herumfuchteln und vor dem
Islam warnen. Das kann soweit gehen, dass das Christentum sogar als
Bollwerk fuer Demokratie und Frauenrechte gegen den Islam in Stellung
gebracht wird -- waehrend man gleichzeitig kein Problem hat, dass
katholische Bischoefe sich in Angelegenheiten des Kinderkriegens recht
autokratisch in die Politik einzumischen wagen. Wenn man bedenkt, dass
gerade die amtlichen Vertreter dieser Glaubensgemeinschaft eigentlich
per Definition von Sexualitaet keine Ahnung haben duerften, trotzdem
aber der Meinung sind, diesbezueglich moralische Autoritaeten
darzustellen, und dann auch noch so ernstgenommen werden, dass ihr
Senf einer breiten Medienoeffentlichkeit vermittelt wird, dann fragt
man sich schon, wie das denn so ist mit der Trennung von Staat und
Kirche.

Ausgerechnet diese Kreise aber warnen vor dem Islam, der doch so
autoritaer sei und die Kirche nicht vom Staat trennen koenne. Sie
warnen vor jenen Muslimen, die hauptsaechlich aus einem Staat, der
Tuerkei naemlich, kommen, der zwar in letzter Zeit die Saekularitaet
etwas aufzuweichen willens ist, der aber immer noch Staat und Kirche
viel staerker trennt, als das beispielsweise in Oesterreich der Fall
ist, wo Religionslehrer vom Staat bezahlt werden und zwei christliche
Kirchen im Stiftungsrat des oeffentlichen Rundfunks Sitz und Stimme
haben.

Der Islam ist ein Problem fuer eine moderne Gesellschaft wie die
anderen Kirchen auch. Und viele Muslime in Europa reagieren auf die
Ablehnung ihrer Traditionen mit Verfestigung ihres Glaubens. Die
katholische Kirche hat aber fuer ihren Furor nicht diese Ausrede --
sie wird nicht diskriminiert, sondern ist nach wie vor hierzulande
tonangebend. Wehe dem, der sie nicht ehrt. Auch heute fallen nur
wenige Politiker vom rechten Glauben ab oder trauen sich gar (wie etwa
der Agnostiker Heinz Fischer) oeffentlich zuzugeben, dass sie mit Gott
und Kirche nichts am Hut haben.

Der Kulturkampf gegen den Islam bringt uns die Rueckkehr des
politischen Katholizismus, wie man ihn nach Seipel, Dollfuss und
Schuschnigg fuer ueberwunden geglaubt hatte. Wir bekommen Islam und
Katholizismus als Scylla und Charibdis praesentiert, zwischen denen
wir uns entscheiden muessten. Denn Religion muesse sein, ansonsten
drohe der Werteverfall und wahrscheinlich haben wir auch deswegen die
Wirtschaftskrise. Oder so.

Nein, so gehts ja wohl nicht. Den Glaubensgemeinschaften gehoert der
Platz zugewiesen, den sie eigentlich sogar selbst fuer sich in
Anspruch nehmen -- eben der des Glaubens. Denn "glauben" heisst ja
bekanntlich "nichts wissen".
*Bernhard Redl*


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