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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 1. September 2009; 16:10
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Sozialpolitik::
> Sozialhilfe als Abschreckungshilfe
In manchen Bundeslaendern bekommt nur jeder 43. Armutsbetroffene eine
Sozialhilfe-Leistung, berichtet die *Armutskonferenz*
Aktuelle Berechnungen der Armutskonferenz zeigen: die Zahl der
Einkommensarmen in Oesterreich, die trotz Anspruch keine Sozialhilfe
erhalten, ist enorm. Die wahren Probleme in der Sozialhilfe lauten
deshalb nicht "soziale Haengematte" und "Missbrauch", sondern
Nicht-Hilfe und Unterversorgung.
Die Zahl der EmpfaengerInnen von Geldleistungen der offenen
Sozialhilfe (dh., ohne SeniorInnen- und Pflegeheime) steht in keinem
Zusammenhang mit der Zahl der Einkommensarmen. Auffallend ist, dass es
bei der Groesse der Sozialhilfe-Luecke gravierende Unterschiede
zwischen den einzelnen Bundeslaendern gibt. So hat im Burgenland nur
eine von 43 Personen, die unter der Armutsgrenze (Anm. akin: gemaess
der EU-Definition nach EU-SILC) leben, im Jahr 2007 zumindest einmal
eine Sozialhilfe-Geldleistung erhalten. In Kaernten war es jeder 41.
Hilfesuchende. Im Schlussfeld weiters Oberoesterreich (25) und
Niederoesterreich (13). Dort funktioniert das unterste soziale Netz
als letzte Hilfe offensichtlich besonders schlecht. Am besten
schneidet Wien ab, wo jede 3. einkommensarme Person zumindest einmal
eine Leistung der offenen Sozialhilfe (ohne Krankenhilfe) erhalten
hat.
Auch wenn die Zahl der Einkommensarmen nicht mit der Zahl der
Sozialhilfe-Anspruchsberechtigten ident ist, sind diese Zahlen ein
weiterer eindruecklicher Beleg fuer die hohe Nicht-Inanspruchnahme von
Sozialhilfe in Oesterreich. In eine Studie hat zuletzt das
Europaeische Zentrum fuer Wohlfahrtspolitik das Ausmass dieser
Nicht-Inanspruchnahme mit 49% bis 61% der Anspruchsberechtigten
beziffert -- dh., demnach erhalten zumindest 150.000 Menschen keine
Sozialhilfe, obwohl sie Anspruch haetten.
Hinzu kommt, dass die Sozialhilfe-Daten der Statistik Austria keinen
Rueckschluss darauf erlauben, wie oft bzw. wie lange die
Anspruchsberechtigten Leistungen der offenen Sozialhilfe bezogen
haben. Im Schnitt werden pro Sozialhilfe-EmpfaengerIn und Monat 179
Euro ausgegeben. Das legt den Schluss nahe, dass vielfach nur
einmalige oder kurzfristige Leistungen gewaehrt werden. Sozialhilfe
als Tropfen auf den heissen Stein?
Zehntausende Menschen in Oesterreich erhalten offensichtlich nicht,
was ihnen zusteht und helfen wuerde. Die Gruende: Uninformiertheit,
Scham, grobe Maengel im Sozialhilfevollzug und unannehmbare
Bedingungen, wie z.B. die grundbuechliche Sicherstellung des
Eigenheims und eventuelle Unterhaltsklagen gegen Angehoerige.
In Summe haben die Bundeslaender im Jahr 2007 lediglich 328 Mio. Euro
fuer die Geldleistungen der offenen Sozialhilfe ausgegeben. Das sind
ca. 0,5% der Gesamtsozialausgaben.
Mit Verweis auf diese Fakten zeigt sich die Armutskonferenz deshalb
empoert darueber, unter welchen Vorzeichen derzeit ueber die Reform
der Sozialhilfe diskutiert wird: Statt Fragen einer effektiven
Armutsbekaempfung, wie es in Zeiten der Wirtschaftskrise dringender
denn je geboten waere, bestimmen empirisch unbelegte
Sozialschmarotzer-Argumente und Sparkalkuele die Diskussion.
Ausgangspunkt der Sozialhilfereform war jedenfalls, den
Foederalismus-Dschungel mit neun unterschiedlichsten Regelungen zu
ueberwinden und das untere soziale Netz existenzsichernd,
grundrechtsorientiert und buergerfreundlich zu gestalten.
Ausgangspunkt war ein Verbesserungsgebot, kein
Verschlechterungsverbot, wie es jetzt auf Druck des Finanzministers
diskutiert wird. ###
Quelle:
http://www.armut.at/armutskonferenz_news_sozialhilfe-als-abschreckungshilfe.html
Ausfuehrliches Tabellenmaterial unter:
http://www.armut.at/Offene_Sozialhilfe_in_Oesterreich%202007.pdf
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