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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Juni 2009; 16:12
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Wien/Wohnen/Alternativen:
> Teure Gstaetten
Der Wagenplatz Wien ist ein offenes, selbstorganisiertes und buntes 
Wohnprojekt und moechte dies auch bleiben. Doch leicht faellt das den 
Mitgliedern der Gruppe nicht -- immer wieder wurde sie vertrieben, 
weil die von ihnen gemieteten Grundstuecke nicht den amtlichen 
Vorstellungen von einem Stellplatz fuer Wohnwaegen entspricht. Nun 
wollte die Gemeinde doch noch befriedigend eingreifen -- was 
ordentlich daneben ging, wie einer Aussendung der Wagenplatz-Leute zu 
entnehmen ist:
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Seit fast zwei Jahren sind wir nun in Verhandlungen mit der Stadt 
Wien, um ein geeignetes Grundstueck zur Verwirklichung unserer 
Vorstellungen vom alternativen Wohnen zu finden. Von Seiten der Stadt 
wurden uns 3 ExpertInnen (Frau Kleedorfer von der MA 18 
Mehrfachnutzung, Herr Orner von der Geschaeftsgruppe Wohnen und Herr 
Florianschuetz als Mediator) zur Seite gestellt. Anfang Mai war 
endlich ein geeignetes Grundstueck gefunden und die Konditionen 
weitestgehend festgelegt. Uns wurde ein Prekariatsvertrag angeboten, 
der bedeutet haette, dass wir ausser der Grundsteuer in Hoehe von 500 
Euro jaehrlich keinen Mietzins haetten zahlen muessen. Dafuer sollten 
wir das Grundstueck selbst erschliessen und waeren theoretisch 
jederzeit kuendbar. Wir willigten ein. Bis zum endgueltigen 
Vertragsabschluss und Erledigung einiger kleiner Formalitaeten - wurde 
uns gesagt - seien es nur noch wenige Wochen. Also wurde unser 
bestehender Mietvertrag gekuendigt und wir bereiteten alles fuer die 
bevorstehende Uebersiedlung vor.
Zu frueh gefreut: In einem zu erwartendem Aufschrei der FPOe Wien, 
welche mit einer fuer sie ueblichen Hetz-Kampagne gegen uns wetterte, 
hiess es, die Stadt wuerde wieder Geld zum Fenster rausschmeissen um 
uns Asozialen ein Grundstueck zu schenken. Um dieses Argument zu 
entlasten fragte uns die Stadt, ob fuer uns auch ein richtiger 
Mietvertrag in Frage kaeme. Ein Angebot der Stadt folgte umgehend. 
Dieses bezifferte den jaehrlichen Mietzins auf 22.000 Euro. So war's 
nicht vereinbart. In Antwort erklaerten wir, warum ein Mietzins in 
dieser Hoehe fuer uns nicht in Frage kaeme. Am naechsten Tag erfuhren 
wir aus dem Radio, wir haetten das "ueberaus grosszuegige" Angebot der 
Stadt leider abgelehnt.
Das Verhandlungsteam der Stadt wurde wieder zurueckgezogen. Da wir das 
Angebot abgelehnt haben, sieht die Stadt keine weitere Zustaendigkeit 
bei sich und laesst uns im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strasse 
stehen.
Fuer das Grundstueck, auf dem unsere Waegen derzeit noch stehen, 
laeuft in Kuerze (Anm. akin: Ende August) der Mietvertrag aus. 
Abgesehen davon duerfen wir hier sowieso nicht bleiben, da dieser 
Grund keine Widmung als Bauplatz aufweist, unsere Fahrzeuge aber als 
Bauwerke gelten. Der Antrag, unsere Lebensform als Zeltplatz zu 
deklarieren, wurde abgelehnt, da "es sich nicht um einen Zeltplatz im 
klassischen Stile handelt".
Was uns wirklich stoert:
Eineinhalb Jahre Verhandlungen mit der Stadt boten den zustaendigen 
Personen die Gelegenheit, sich in unsere Problemlage 
hineinzuversetzen. Verschiedenste Grundstuecke wurden von uns 
vorgeschlagen, die meisten kamen aber wegen buerokratischer 
Schwierigkeiten nicht in Frage. Unsere sehr geringen Ansprueche 
sollten unseren GespraechspartnerInnen klar geworden sein, und 
zielorientiert wurde eine Loesung erarbeitet.
Jetzt, nach dem Aufschrei der FPOe, wurde das, was vorher 
organisatorische Herausforderung war, politisiert und die 
Problemloesung an andere, mit der Sachlage gar nicht vertraute 
EntscheidungstraegerInnen abgegeben.
Uns nach fast zwei Jahren Ungewissheit, Behoerdenrepressionen, 
Gutachtenerstellung, Gerichtsverfahren und Gespraechen mit dem 
Verhandlungsteam der Stadt ein Grundstueck fuer einen jaehrlichen 
Mietzins von 22.000 Euro anzubieten, zeigt sehr deutlich wie 
realitaetsfremd und zur pragmatischen Problemloesung unfaehig die 
EntscheidungstraegerInnen der SPOe zur Zeit sind. Aber dieses Angebot 
sollte anscheinend doch nur die Forderungen der FPOe durchsetzen und 
dabei den Eindruck erwecken, wir haetten uns selbst gegen das 
Grundstueck entschieden.
Unsere Ablehnung schien der Stadt sehr recht zu sein, vielleicht war 
sie sogar einkalkuliert. Der verantwortliche Bezirksvorsteher konnte 
nun die FPOe-Funktionaere unverbindlich mit den Worten: "Regt´s euch 
nicht auf, die kommen eh nicht, haben ja abgelehnt" beruhigen.
Parteipolitisches Problem geloest. Wir stehen wieder am Start, unser 
Mietvertrag in Simmering ist gekuendigt, jederzeit kann die Baupolizei 
uns mit Strafen im 5-stelligen Bereich drohen und unserem 
Verhandlungsteam wurde die weitere Verantwortlichkeit abgenommen. Fuer 
die Politik soll das Problem damit erstmal wieder in Vergessenheit 
geraten. Bald ist Sommerpause und kurz darauf auch schon wieder 
Weihnachten...
Fuer uns sieht die Lage anders aus: Nicht zu wissen, wo wir naechsten 
Monat stehen werden, stellt eine Belastung dar. Der naechste Winter 
rueckt naeher, doch anstatt uns auf diesen wirklich vorbereiten zu 
koennen, muessen wir wieder darum kaempfen,dass irgendjemand von der 
Stadt bereit ist mit uns zu reden und eine Loesung zu finden. Private 
Personen lehnen eine Vermietung ihrer Grundstuecke an Menschen, die in 
Waegen wohnen, grundsaetzlich eher ab. Ob dies auf Grund von 
Vorurteilen gegen diese Lebensform, aus Angst mit den Behoerden 
Schwierigkeiten zu bekommen, geschieht, sei mal dahingestellt.
Was wir wollten, war: irgendwo im Freien leben, den Ausgleich zu einer 
zunehmend vom Leistungsdruck dominierten Gesellschaft finden, indem 
wir uns Wind, Wetter und den Jahreszeiten aussetzen. Was wir seit fast 
drei Jahren bekommen haben ist, neben den Herausforderungen der Natur, 
staendige Diskussionen und Rechtfertigungen vor Behoerden und deren 
VertreterInnen und eine permanente Ungewissheit, ob der naechste 
Bescheid unserer Lebensweise ein Ende bereitet. Wo bleibt da noch 
Luft, um sich mit den eigentlichen Verantwortungen 
auseinanderzusetzen?
(stark gekuerzt)
Laufende Infos: http://wagenplatz.at/
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